
Goblyn - Stray
La Pochette Surprise / MembranVÖ: 24.01.2025
Altlasten und Neurosen
Eine Vorliebe für Lost Places? Überwucherte Bahnhöfe, die gar nicht erst in Betrieb genommen wurden? Leerstehende Gefängnisse mit unrühmlicher, wenn nicht unappetitlicher Geschichte? Goblyn aus Hamburg (immerhin kein Lost Place) scheinen so etwas zu mögen. Oder zumindest faszinierend zu finden. Sie auch? Abfahrt in den hässlichsten Ort Deutschlands, wenn es nach den beiden Hanseaten geht. "Morsleben" ist zwar ein Stadtteil der Gemeinde Ingersleben in Sachsen-Anhalt und verfügt immerhin über eine niedrige dreistellige Einwohnerzahl. Dafür, dass dort trotzdem der mindestens diskrete Hauch des Verfalls durch die Gassen weht, sorgt jedoch das seit geraumer Zeit de facto stillgelegte Endlager für radioaktive Abfälle – nicht gerade eine ideale Nachbarschaft. Allerdings Stoff für ein Stück, in dem Goblyn zu schwermütigen Dengel-Riffs eine verloren geglaubte "Atomic love" besingen und das offenbar nicht positiv meinen. Wer sagt da noch, dass man aus emotionalen Altlasten keinen knorrigen kleinen Hit bauen kann?
Es bleibt nicht der einzige auf dem Debüt der Band, deren Besetzung sich nach der ersten, bereits von 2021 datierenden Single "Wet dogs" halbiert hat. Genauso schlank gehen die zwei nachnamenlosen Nordlichter auch "Stray" an – mit kehliger Sehnsucht nach dem Ausbruch aus einem trüben Dasein in der Stimme und der knorrigen Trotzigkeit eines Gun Club, dessen Wummen zwar schon mal blanker poliert waren, der aber keineswegs mit Platzpatronen schießt. Sondern mit so sehnigen, angedreckten Post-Punk-Krachern wie dem angesichts seines Titels recht flockig auf subtilen Melodie-Elementen und flinkem Basslauf daherflitzenden "Weight". Im doppelstöckigen "Vice" hacken anschließend zerrende Riffs und Breaks immer auf die gleiche Stelle ein, bevor die Fahrt plötzlich rückwärts geht. Sänger Johannes wirkt dabei häufig wie eine Schwarzlicht-Version von Peter Doherty oder Iceages Elias Rønnenfelt im Sumpf-Modus: rechtschaffen verzweifelt, aber unbeugsam und immer mit einem guten Song in der Hinterhand.
Auch "Ego" ist so einer und steigt mit ordentlich Hall auf den Licks und unheilvoll kreiselndem Breakbeat nebst Funksignal-Fiepen in die Archive des Gothic Rock hinab. Oder vielleicht auch in die dunklen Keller-Eingeweide der Musikclub-Institution Molotow auf St. Pauli, wo sich beide Musiker abseits von Goblyn nicht näher spezifiziert verdingen. Dort lauern schon die zerspantesten und am gröbsten gezimmerten Gitarren dieses Albums, zu denen das Doppel angestochen zum "Ratfight" aufruft. Ob sie nun mit den zerstörerischen Neurosen eines kranken Selbst oder tatsächlich mit räudigen, angriffslustigen Nagern ringen, tut da fast nichts zur Sache – Hauptsache, Goblyn schreddern den knappen Dreiminüter möglichst unflätig nach Hause. Eine Songbaracke, angesichts der es sich nahezu heimelig anfühlt, wenn das Ganze danach in gemäßigtere, ebenfalls potenziell verstrahlte Shoegaze-Tiefen abdriftet. Etwas Besseres als Morsleben findet man schließlich fast überall – etwas Cooleres als "Stray" hingegen nicht so ohne weiteres.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Vice
- Ratfight
- Morsleben
Tracklist
- Stray pt. 1
- Weight
- Vice
- Ego
- Wire
- Ratfight
- Stray pt. 2
- Morsleben
- Godless
- Fright
- Smooth
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Armin
2025-01-23 21:15:24- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Goblyn - Stray (1 Beiträge / Letzter am 23.01.2025 - 21:15 Uhr)