
Chris Eckman - The land we knew the best
Glitterhouse / IndigoVÖ: 24.01.2025
Da brennt noch ein Licht
Was wäre, wenn? Was wäre, wenn der Lebensmensch plötzlich über die Türschwelle tritt und einfach zu einem zurückkommt? Wenn alte Wunden heilen, Zerwürfnisse überwunden werden? Und was wäre nötig, dass ein solche Unwahrscheinlichkeit eintritt? "Wars are won / By those who quit / And leave dead dreams behind." In seiner nachdenklichen Haltung, aber auch in seiner verständigen Milde ist "Genevieve" programmatisch. Man wird ja wohl noch träumen dürfen. Was auch sonst. Chris Eckman ist nun wahrlich alles andere als ein naiver Zeitgenosse, aber das Träumen, das hat er sich bewahrt. Auch wenn es mitunter schwerfällt. "And I am reckless with all our dreams / I've grown tired of all these laments", singt er im schwermütig dräuenden "Lament", die sonore und heisere Stimme abgeschmirgelt von der Zeit und allem, was sie mit sich bringt. Aber Eckman hat mit den Jahren eben auch zu einer gewissen Gelassenheit gefunden. "The rage is gone / And the fear has calmed / And the hurt has waned / And the storm has quelled." So schreibt "The land we knew the best" das Spätwerk des früheren The-Walkabouts-Frontmanns mit leisen Tönen und großer Anmut fort.
Die acht Songs durchwandern innere Landschaften, erzählen kleine Geschichten von vermeintlichem Glück und unausweichlicher Vergänglichkeit. Aber auch die äußere Welt in Gestalt unbändiger Natur ist allgegenwärtig. Raue Berge und unstete Gewässer ziehen vorbei, Wind rauscht durch die Baumwipfel, fernes Donnergrollen und von Nebel verhangene Sümpfe. Die Inspiration dafür liegt vor der eigenen Haustür. Den Vereinigten Staaten von Amerika hat Eckman vor vielen Jahren schon den Rücken gekehrt und seinen Lebensmittelpunkt nach Slowenien verlegt. Der Standortwechsel machte sich beizeiten bemerkbar. 2005 nahm Eckman etwa den Soundtrack für die fünfteilige slowenische TV-Serie "Novi Svet" auf, 2008 erschien das Album "The last side of the mountain" mit Vertonungen von Gedichten des bekannten slowenischen Lyrikers Dane Zajc. Entscheidend aber dürfte sein, dass Eckman in seinen neuen Heimat auch neue Menschen um sich geschart hat. Den in ebenfalls in Ljubljana ansässigen Produzenten und Multiinstrumentalisten Alastair McNeill, mit dem er bereits beim hörenswerten Vorgänger "Where the spirit rests" zusammengearbeitet hat. Sängerin Jana Beltran, Percussionist Blaž Celarec, Žiga Golob am Kontrabass und noch einige mehr.
Eckmans Mitmusiker*innen verleihen "The land we knew the best" seine gedeckten Farben und bei aller melancholischen Verträumtheit sogar eine gewisse Wärme. Dreh- und Angelpunkt ist und bleibt aber der Mann mit der Akustikgitarre und dieser Stimme. Dieser Stimme, die klingt, als hätte sie schon zehn Leben gelebt und von der man sich in den Schlaf wiegen und ins Herz treffen lassen möchte. Dass Eckman aber nicht nur ein begnadeter Geschichtenerzähler ist, sondern ebenso ein routinierter Songschreiber, beweist er hier sozusagen lässig nebenbei. Vom Opener "Genevieve" über den zarten Folk von "Town lights fade" und das von Streichern umspielte "Running hot" zum durchaus beschwingten "Buttercup". Von der düsteren Country-Nummer "Haunted nights" bis zum Schlussakkord in Form des versöhnlichen "Last train home". Immer wieder findet er die richtigen Töne, die passenden Worte, einprägsame Bilder. Nicht weniger, aber auch nicht mehr. Denn "The land we knew the best" ist weit weg von lautem Spektakel oder aufdringlicher Effekthascherei. Nein, hier macht einfach nur ein Künstler sein Ding. Zeigt uns seine Welt. Geht seinen Weg. Und glücklich, wer ihn ein Stück davon begleiten darf.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Genevieve
- Laments
- Last train home
Tracklist
- Genevieve
- Town lights fade
- Running hot
- Buttercup
- Laments
- Haunted nights
- The cranes
- Last train home
Im Forum kommentieren
MickHead
2025-01-25 09:05:58
Jetzt komplett bei Bandcamp:
https://chriseckman.bandcamp.com/album/the-land-we-knew-the-best
Visions: 9/12
Tommy Stinson
2025-01-24 17:36:51
Macht doch nix! Ich finde es in der heutigen Zeit sehr erfreulich, dass ein Musiker wie Chris Eckmann noch mit so einem Preis ausgezeichnet werden kann. Die superschöne Platte hat es mehr als verdient. Vielleicht verkauft er dadurch ein paar Platten mehr (allzuviele werden es leider nicht sein).
Gordon Fraser
2025-01-24 16:53:34
Weiß jetzt nicht, was muffig-piefiger ist: ein Echo oder der "Preis der Deutschen Schallplattenkritik"... :D
Album passt mir gut gerade, kenne den Typen ehrlich gesagt noch gar nicht.
Tommy Stinson
2025-01-24 16:27:57
Es war der Preis der Deutschen Schallplattenkritik für „Where The Spirit Rests“, ich habe gerade mal nachgeschaut.
Tommy Stinson
2025-01-24 16:24:40
Erster Höreindruck: unfassbar schöne ruhige Platte (ähnlich wie die Vorgängerplatte „Where the Spirit Rests“). Der Song „Genevieve“ macht mich ganz fertig, so wunderbar ist er.
Als „Walkabouts“-Fan der ersten Stunde (ich habe sie in den 80-ern u.a. im Doppelkonzert mit „Thin White Rope“ gesehen, wo sie als rel. unbekannte Band schwer begeisterten) habe ich mich merkwürdigerweise erst spät für das Solowerk von Chris Eckman interessiert. Da hole ich seit dem überragenden Album „Where the Spirit Tests“ für das er einen Echo oder so bekommen hat, nach. Schade, dass solche Musik nur in einer kleinen Nische stattfindet.
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- Chris Eckman - The Land We Knew The Best (9 Beiträge / Letzter am 25.01.2025 - 09:05 Uhr)