Ringo Starr - Look up

Capitol / Universal
VÖ: 10.01.2025
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Zeigt her Eure Füßchen

160 Jahre, so alt sind Ringo Starr und T Bone Burnett zusammen. Es ist schon ziemlich respektabel, dass Menschen in dieser Altersklasse noch aktiv Musik machen, anstatt im Seniorenstift Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen oder vor dem Fernsehgerät zu verdorren. Man muss die beiden in einem Atemzug nennen, denn auch wenn auf dem Album "Ringo Starr" draufsteht, so hatte Burnett doch reichlich Anteil am Gelingen der Produktion: Neun der elf Songs hat er geschrieben oder mitgeschrieben, weitere Unterstützerinnen und Unterstützer waren Billy Strings, Rebecca und Megan Lovell, in gut unterrichteten Kreisen auch als Larkin Poe bekannt, Molly Tuttle und Alison Krauss. Spätestens angesichts dieser Besetzungsliste dürfte klar sein: Wir haben es hier mit einem lupenreinen Country-Album zu tun. Kein schlechter Schachzug von Starr und den Seinen – ist doch das Erzeugen von konsensfähiger Countrymusik im Vergleich zu anderen Genres ein relativ risikoloses Unterfangen. Country-Fans gelten insgesamt als verträgliche und musikalisch nicht allzu anspruchsvolle Genossen (auch wenn das im Filmklassiker "The Blues Brothers" zuweilen anders rüberkommt). So lange die Songs ordentlich mit Pedal-Steel-Guitar zugekleistert werden und es textlich hauptsächlich retrospektiv (die guten alten Zeiten!) zugeht, lässt sich der Country-Aficionado normalerweise nicht mehrmals zum Schunkeln oder Squaredance bitten. Wenn dann noch ein Bourbon oder Roggenwhisky opalisierend im Glase funkelt und ein weißer Cowboyhut stramm das Hirn abschnürt, ist das Glück schnell perfekt.

Beim Versuch, den neuen Ringo-Starr-Tonträger fair, aber ehrlich zu rezensieren, überkommt den Rezensenten die eine oder andere Sinnkrise. Was soll man einem 84 Jahre alten Musiktitanen denn noch am Zeug flicken? Hat dieser Mann nicht zig- ja hundertfach bewiesen, was er kann und wie sehr er die Musikwelt mit seinem Schaffen bereichert hat? Und doch ist es eben so: Richtig nachhaltig vermag einen das Album "Look up" nicht vom Hocker zu reißen. Dabei geht es ziemlich gut los: Der Opener "Breathless", fast schon eine Uptempo-Nummer, kommt mit angenehm rumpelndem Schlagzeug und ziemlich authentischem Country-Flair daher, in das sehr geschickt beatleske Harmoniefolgen eingewoben wurden. Das funktioniert, da möchte sogar ein mürrischer Zaungast das Tanzbein schwingen. Auch die Folgestücke können gefallen: "Look up" stampft breitbeinig und mit geradlinigem Songwriting daher, genretypisch wird eine saubere Pedal Steel Guitar geboten, auch die Dopplung des Gesangs per Frauenstimme gefällt. Und "Time on my hands" bringt zu gefälliger Musik einfache Worte über eine verflossene Liebschaft, die aber gerade aufgrund ihrer Einfachheit ins Herz treffen.

Schwierig ist indes, dass nach dem ersten Drittel des Albums nicht mehr viel Neues oder Aufsehenerregendes kommt. Ja, nicht nur das: Die stilprägenden Elemente des Country werden mehr und mehr im Übermaß (und leider ohne Erfolg) eingesetzt, um die Atmosphäre auf Biegen und Brechen beizubehalten und Strömungsabrissen vorzubeugen. So wird "Never let me go" recht vollumfänglich mit einer nervenden Mundharmonika akustisch verschmiert – und in "I live for your love" wird es textlich dann wirklich ganz arg stumpf. In weiteren Songs puckern Banjos, hier und da pfeift sich Starr auch mal durch eine Strophe – und in "You want some" ist ein arg überkandideltes Barpiano zu hören; in einem echten Western hätte man dem Pianisten anempfohlen, vor Auftrittsbeginn eine schusssichere Weste anzulegen. Aber wie auch immer: "Look up" wird den Menschen da draußen vermutlich trotzdem sehr gut gefallen. Hier eckt nichts an, hier gibt es keine unangenehmen Überraschungen, das Album kann einen einigermaßen authentisch in den Schaukelstuhl auf einer Südstaaten-Veranda beamen. Legt man halt mal die Füße hoch.

(Jochen Reinecke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Breathless
  • Look up
  • Time on my hands

Tracklist

  1. Breathless
  2. Look up
  3. Time on my hands
  4. Never let me go
  5. I live for your love
  6. Come back
  7. Can you hear me call
  8. Rosetta
  9. You want some
  10. String theory
  11. Thankful
Gesamtspielzeit: 36:57 min

Im Forum kommentieren

Saschek

2025-01-16 23:40:04

Ehrlich. Tut aber trotzdem ein bisschen weh. Aber ... ehrlich.

Armin

2025-01-16 20:48:12- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Saschek

2025-01-13 12:32:58

Interessanterweise fehlen die Rückwärtsgitarren im Albummix bzw. sind im Mix vergraben. Im Video sind sie deutlich zu hören.

Saschek

2025-01-13 12:24:58

Der Titelsong ist eigentlich ganz schön. Rückwärtsgitarren gehen immer. Und wenn die einer verwenden darf, dann isses doch der liebe Nasendrummer.

dreckskerl

2025-01-12 13:33:19

Es ist ein leidlich gelungenes Countryalbum ohne Kitsch, aber auch ohne die ganz großen Songs geworden.
Auf jeweils 3 Songs bekommt er die Unterstützung der jungen Bluegrass Superstars Billy Strings und Molly Tuttle.
Sein Schlagzeugspiel imponiert, sein Gesang geht in Ordnung.

Schnellschusswertung: 6/10

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