Soap&Skin - Torso

PIAS / Rough Trade
VÖ: 22.11.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Nah dran, weit weg

Es wäre eine schöne Preisfrage für "Wer wird Millionär": Was haben Sufjan Stevens, David Bowie, Shirley Bassey, Tom Waits und Cat Power gemeinsam? Eigentlich ganz einfach: Sie wurden, ebenso wie diverse andere Künstlerinnen und Künstler, von Anja Plaschg alias Soap&Skin gecovert – auf dem Album "Torso". Ein Torso ist bekanntermaßen ein Rumpf, also ein Körper ohne Extremitäten. Was bleibt von einem Song, wenn man alles wegstreicht, was unnötig ist, und nur noch den Rumpf, den Nukleus, den Wesenskern behält? Das war offenbar die Ausgangsfrage, deren mögliche Antworten Plaschg auf eine Art und Weise erkundet, die sie wie kaum ein*e andere*r beherrscht: mit vollem Einsatz sämtlicher Emotionen und der Reduktion auf das absolut Notwendige: Melodien und Texte. Dabei erlaubt sie es sich zuweilen auch, vom Original drastisch abzuweichen: So bekommt "Voyage, voyage" einfach mal komplett neue Akkordfolgen verpasst, und trotzdem bleibt das Gefühl, die Stimmung stets erhalten.

Die elf Coverversionen sind glücklicherweise weder klebrig-ranschmeißerisch geworden, noch kommen sie von oben herab im Sinne von: "Sieh, ich kann's eigentlich besser." Vielmehr sind es teilweise fast schon ins Devote lappende Ehrerbietungen. Man spürt bei jedem Ton, bei jeder Note, dass die gecoverten Songs der Sängerin unfassbar viel bedeuten. Das wird gerade dann klar, wenn sich Plaschg technisch fast schon ein bisschen verhebt, wie bei dem kreolischen "God yu tekkem laef blong mi" aus dem Hans-Zimmer-Soundtrack zum Film "The thin red line". Hier muss sie in so brutal hoher Stimmlage singen, dass sie mehrfach knapp danebentrifft. Zum Glück war hier kein Produzent vor Ort, der ihr davon abriet, dieses Stück einzusingen: Wir spüren, dass Plaschg diesen Song singen will, ja muss – auch wenn nicht jeder Ton sitzt.

Bemerkenswert sind auch die rabenschwarze Interpretation von Shirley Basseys "Born to lose" oder das berührende "Johnsburg, Illinois" von Tom Waits. Die Tonkutscher dieser Produktion haben Plaschgs Stimme so nah, so unvermittelt, so direkt eingefangen, dass es zuweilen ins Erotische lappt – man meint fast schon, ihre Lippen am Ohrläppchen zu spüren. Dabei steht jedoch eines fest: Nicht alle Coverversionen sind gefällig. So wird der Tom-Waits-Song durch gruselige Klänge nach Art einer singenden Säge gegen den Strich gekämmt, "Girl loves me" von David Bowie wiederum kommt mit sperrigem Schlagwerk und verstörenden Delay-Effekten daher – und das eigentlich eher chartskompatible "What's up?" von 4 Non Blondes wird durch flirrende Trap-Drums, wagemutigen Sample-Einsatz und einen merkwürdig-hawaiianisch anmutenden Chorus fast schon zu einer Stilübung in Ethno-Pop. Was bleibt, ist eine Gewissheit: Wer Soap&Skin einen Song zur Nachvertonung anvertraut, der bekommt absolute Hingabe abgeliefert. Sämtliche Neueinspielungen der Künstlerin haben eine emotionale Intensität, die beispiellos ist. Das hier ist "serious shit", Anja Plaschg meint es absolut ernst. Und so kommt man am Ende auch sehr gut darüber hinweg, dass man eigentlich nach dem letzten Album neuen "Stoff" vulgo neue Eigenkompositionen ersehnt hatte. Beim nächsten Mal dann aber bitte gern.

(Jochen Reinecke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Mystery of love
  • Born to lose
  • Stars

Tracklist

  1. Mystery of love
  2. God yu tekkem laef blong mi
  3. Born to lose
  4. Maybe not
  5. Voyage, voyage (Lifetime version)
  6. Johnsburg, Illinois
  7. Girl loves me
  8. Stars
  9. Pale blue eyes
  10. What's up?
  11. The end
Gesamtspielzeit: 57:22 min

Im Forum kommentieren

doept

2025-04-23 22:30:25

Top, danke Mickhead für den Hinweis!
Da war das Forum mal deutlich schneller als Songkick.
Habe zwar keine Ahnung ob ich im Oktober Zeit habe, aber das Ticket werde ich mir defintiv sichern!

The MACHINA of God

2025-04-23 15:21:41

Oha, Peterskirche. Schön. Hab mal direkt daneben gewohnt. Schau ich mir an.

MickHead

2025-04-23 15:12:26

Tour 2025

17.10.2025 Köln – Theater am Tanzbrunnen
18.10.2025 Heidelberg – Karlstorbahnhof (Enjoy Jazz Festival)
19.10.2025 München – Werk7
21.10.2025 Leipzig – Peterskirche
22.10.2025 Berlin – Berghain

ToRNOuTLaW

2025-03-05 17:51:30

<3

Felix H

2025-03-05 17:27:38

Haben wir doch gelöst. ;-)

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