Crippled Black Phoenix - Horrific honorifics number two (2)

Season Of Mist / Soulfood
VÖ: 29.11.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Düsteres Körbchen

Es gibt bei Plattentests.de eine Art internen Giftschrank. Er enthält Formulierungen und Satzbau aus der Hölle, einfach ein paar simple No-Gos, vor allem für die einleitenden Worte zu einer Rezension. Speziell für Compilations existieren ein paar Wendungen, die vermutlich automatisch getilgt würden, hätte das überaus geschätzte Team der Schlussredaktion eine KI zur Hand. Dazu gehören Ausführungen über den Sinn und Zweck solcher Zusammenstellungen, vor allem im Zeitalter der Streaming-Dienste. Tja sorry, liebe Kolleginnen und Kollegen, das muss jetzt sein: Cover-Alben sind meist eher spaß- und überraschungsarm, die Hommage an vermeintlich höchst individuelle Einflüsse eher lustlos hingeklatscht. Für Erstaunen sorgt allerdings der Blick auf die Trackliste von "Horrific honorifics number two (2)", erschienen anlässlich des 20-jährigen Bestehens von Crippled Black Phoenix: Die Originale sind viel älter als die Band selbst. Und das britisch-schwedische Duo mit seinen zahlreichen Gastmusikern ist bislang nicht als ewiggestrig verschrien.

Wer allerdings die EP "Horrific honorifics" aus dem Jahr 2018 kennt, weiß um die Geschmackssicherheit vor allem von Bandchef Justin Greaves und um seine Liebe zum Punk und Post-Punk der Achtziger. Und da immer einmal wieder Referenzen an New Model Army auftauchen, ist es schon fast ein No-Brainer, dass zunächst einmal der Vierer aus Bradford zu Ehren kommt. Natürlich nicht mit einem der üblichen verdächtigen Hits, sondern mit dem Titeltrack des Debütalbums "Vengeance", dessen unbändiger Zorn machtvoll den Weg in die Neuzeit findet. Auch im weiteren Verlauf bewegen sich Crippled Black Phoenix knietief in den unterschiedlichsten Varianten des Punk. So steht "Blueprint" von Fugazi einträchtig neben "And that's sad" von den kanadischen Hardcore-Vordenkern NoMeansNo, während tatsächliche Zeitgenossen lediglich mit Built To Spill und "Goin' against your mind" aus dem Jahr 2006 zum Zuge kommen.

Die größte Faszination vermittelt die Platte allerdings, wenn sie auch mal auf Punk pfeift. "Self control" ist so ein Beispiel. Kaum zu glauben, wie ein etwas geringeres Tempo und harschere Instrumentierung den Charakter eines Songs komplett umkrempeln können. Bekannt natürlich durch die Interpretation von Laura Branigan von 1984, wirft das Duo den hedonistischen Italo-Pop des Originals von Giancarlo Bigazzi und Raffaele Riefoli alias Raf komplett über Bord, und das besungene Nachtleben mit all seinen mehrdeutigen Freiheiten wird nicht zuletzt durch den ätherischen Gesang von Belinda Kordic zur düsteren Drohkulisse. "Hammer song" von The Sensational Alex Harvey Band hingegen ist schon für sich sehr reizvoll, doch Greaves und Lukic würden den Bluesrock der Schotten am liebsten direkt in die Sümpfe der Norfolk Broads verfrachten, wenn es dort eine ähnliche musikalische Tradition wie in Louisiana gäbe.

Am dichtesten am Original ist somit erstaunlicherweise "When a blind man cries" von Deep Purple. Die herzzerreißende Ballade aus dem Jahr 1972, die Gitarrist Richie Blackmore so sehr hasste, dass die Band sie erst nach seinem Abgang live spielte, wird durch Lukics Gesang noch introvertierter, stellt dieser Trauer aber gegen Ende einen wuchtigen Ausbruch gegenüber. Crippled Black Phoenix beherrschen nicht nur deswegen die ganz hohe Kunst der Coverversionen: einem Song den eigenen Stempel aufzudrücken, ihn nötigenfalls auch komplett zu dekonstruieren und neu aufzubauen. Das gilt sogar fürs Artwork – 1985 mussten Die Toten Hosen einen Rechtsstreit mit EMI ausfechten, weil das damals übermächtige Label auf dem Cover des Albums "Unter falscher Flagge" ihr His-Master's Voice-Logo verunglimpft sah. Keine Ahnung, ob Crippled Black Phoenix die Düsseldorfer Altpunks kennen, doch ein bisschen Augenzwinkern darf angesichts des Zombie-Köters vor dem Grammophon schon noch erlaubt sein. Erst recht zum Geburtstag.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Self control
  • Hammer song
  • When a blind man cries

Tracklist

  1. Vengeance
  2. Self control
  3. Blueprint
  4. And that's sad
  5. Hammer song
  6. When a blind man cries
  7. My pal
  8. Goin' against your mind
Gesamtspielzeit: 41:33 min

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Hierkannmanparken

2024-12-20 09:35:51

Das ist das Cover von The Wolf Changes Its Fur But Not Its Nature

Armin

2024-12-19 20:23:34- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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