SDP - Best of – 25 Jahre SDP
Nur Musik Ist Schöner / Chapter One / UniversalVÖ: 25.10.2024
Der Standort Deutschland
Deutsche Dichter genießen einen guten Ruf. Goethe, Schiller, kennste einen, kennste beide. Wer es in Deutschland zum Dichterfürsten gebracht hat, blickt in der Regel als Denkmal auf den Pöbel herab, welcher sich bisweilen durch ehrfürchtiges Urinieren erkenntlich zeigt. Eventuelle Gebrauchsspuren werden durch steuerfinanzierte Reparaturmaßnahmen beseitigt. Man ist ja schließlich wieder wer, auch kulturell. Ein Land, das die Giovanni-Zarrella-Show hervorgebracht hat, muss sich vor niemandem verstecken, da ohnehin keiner sucht. Der Pessimismus, der diese Zeilen durchweht, beruht auf dem Konsum der Compilation "Best of – 25 Jahre SDP". Fast zweieinhalb Stunden dauert diese und mit jeder Minute, der man ihr ausgesetzt ist, wächst die Angst, in einem Albtraum gefangen zu sein. SDP machen, das muss man ihnen lassen, seit einem Vierteljahrhundert Scheißmusik. Dabei tun sie stets so, als wäre das Absicht, wodurch die Musik noch beschissener wird. Dass sie damit allerdings immens erfolgreich sind, wirft Fragen auf. Fragen, die es zu beantworten gilt.
Ist das nicht irgendwie verboten? Nein, natürlich nicht. Wäre auch zu einfach und würde am Ende nur Öl ins Feuer gießen. Natürlich sind einige Texte provokant, aber eher auf dem Niveau eines Grundschülers, der auf dem Pausenhof neue Schimpfwörter gelernt hat. Während man den fluchenden Dreikäsehoch schmunzelnd ignorieren kann, drängen sich SDP mit einer derartigen Penetranz auf, dass nur die kalkulierte Gegenoffensive bleibt. Ja, es ist schon so richtig ironisch, wenn die Berliner in bester "Lieschen, Lieschen"-Tradition Zeilen wie "Deine Freundin ist so eng, eng, eng / Sie ist so enge Schuhe nicht gewöhnt" zum Besten geben. Da lacht der Erwin, während er der Heidi von hinten an die Schulter fassen möchte, aber ihre Titten erwischt. Im Niveaulimbo des deutschen Stimmungslieds gelingt es SDP immer wieder, die Grenzen des Machbaren neu zu definieren, auch und gerade wegen des omnipräsenten Sexismus.
Wird man dafür nicht bestraft? Als ob. Das Perfide ist ja, dass man sich einfach hinter Aussagen wie "Ihr versteht nur keinen Spaß!" verstecken kann. Spaß ist lustig, Sexismus ist es nicht. "Aber das wird man ja wohl noch sagen dürfen!", schreit das Bierzelt und vergisst dabei, dass es nach Kotze stinkt. Aber gut, Saufen ist ja auch kein Zuckerschlecken, weshalb sich SDP diesem Thema in vielen Songs ausgiebig widmen. Während für die meisten Menschen das erste Semester sechs Monate dauert, nimmt es bei dem Berliner Duo kein Ende. Hier könnte nun eine Abhandlung über geistige Reife stehen, aber das wäre arrogant und wenig zielführend. Nicht das Feiern an sich, sondern der offen zur Schau getragene Stumpfsinn ist es, der so wütend macht. Wer sich von solcher Musik in Stimmung bringen lässt, sagt wahrscheinlich auch "zum Bleistift".
Was ist das also für eine Welt, in der man solche Sachen darf? Hier liegt der Hund begraben. SDP haben durchaus ein Händchen für eingängige Melodien. Manchmal geraten ihre Songs sogar tatsächlich recht witzig, Tracks wie das mit Sido eingespielte "Ne Leiche" oder das infantile "Zappeln" aus der Frühphase kann man sich auch ohne vorhergehende Lobotomie durchaus geben. Nur können die wenigen Lichtblicke nicht über die allumfassende Finsternis, die über dem Land hängt, hinwegtäuschen. Wenn Adel Tawil in "Ich will nur, dass Du weißt" nichtssagenden Schwachsinn ins Mikrofon schmachtet, wenn Eko Fresh sich in "Mittelfinger" selbstgewiss zum Horst macht, wenn Capital Bra in "Viva la Dealer" mal wieder keinen Fick gibt, lelele, dann wächst eine Erkenntnis im ermatteten Geist heran: Sich nur auf SDP zu stürzen, greift zu kurz – diese Compilation offenbart das ganze Elend der deutschsprachigen Musikszene. Genauer gesagt offenbart sie das kollektive Versagen aller Verantwortlichen, die an den Schreibtischen sitzen und sich auf den nächsten BMW freuen.
Dürfen die das? Selbstverständlich. Dass Deutschland ein freies Land ist, ist gleichzeitig ein Geschenk und eine Verpflichtung. Nur weil heutzutage keine Dichterfürsten mehr geboren werden, heißt das nicht, dass es hierzulande keine spannende Kunst gibt. Und diese muss auch gar nicht elitär sein, ganz im Gegenteil. Das Vulgäre, das Ekelhafte kann durchaus identitätsstiftend wirken. Ob SDP diesbezüglich gewinnbringend sind, sei dahingestellt. Dass Leute an der Musik ihre Freude haben, lässt sich nicht abstreiten. Am Ende landet man bei einer gänzlich undeutschen Tugend, nämlich der Faulheit. SDP zelebrieren die mentale Stagnation und passen so perfekt in eine Zeit, in der die Uhren trotz schrillender Alarmglocken Jahr um Jahr zurückgestellt werden. Vor allem in den Köpfen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Ne Leiche (feat. Sido)
- Zappeln
Tracklist
- CD 1
- Talentfrei
- Die schönsten Tage (feat. Clueso)
- Ich will nur, dass Du weißt (feat. Adel Tawil)
- Die Nacht von Freitag auf Montag (feat. Sido)
- Mama hat gesagt (feat. Sido & Esther Graf)
- So schön kaputt
- Tanz aus der Reihe! (feat. Weekend)
- Unikat
- Viva la Dealer (feat. Capital Bra)
- Abenteuerland (feat. Finch & Phil The Beat)
- Scheiße baut sich nicht von alleine (feat. 257ers)
- Wenn ich groß bin
- Wie viele Lieder muss ich noch schreiben (feat. Montez)
- Das Lied (feat. Bela B.)
- Ich muss immer an Dich denken
- Eigentlich wollte er nie ein Liebeslied schreiben
- Millionen Liebeslieder
- Der Anfang anzufangen
- Kurz für immer bleiben
- CD 2
- Wir ticken nicht ganz sauber
- Antifriedensmusik
- Als ich Mädchen noch scheiße fand
- Du hast gehofft
- Deine Freundin
- Merkste selber, wa?! (feat. 257ers)
- Ich will mein Problem zurück (feat. Kontra K)
- Mittelfinger (feat. Eko Fresh)
- #DAMDAMDAM!
- Echte Freunde (feat. Prinz Pi)
- Männer und Frauen
- Zeit verschwenden
- Wasserschi fahr'n
- ... Hast Du mal ein Problem
- Zappeln
- Kein Partyhit
- Ich bin ein(e) Biene, Grashüpfer
- Ich will nur, dass Du weißt (Iiven Remix) (feat. Iiven & Ness)
Im Forum kommentieren
Huhnmeister
2024-12-11 22:36:37
Musik, die so extrem egal ist, dass man sie eigentlich komplett ignorieren sollte. Wenn man nicht Christopher, fuzzymass oder Machina heißt. Oder Huhnmeister.
The MACHINA of God
2024-12-11 16:34:57
FDP ist auch nur einen Buchstaben entfernt.
fuzzmyass
2024-12-11 16:20:57
Worst Of:
Olaf Scholz
Grizzly Adams
2024-12-11 14:43:56
Mein Hirn stolpert einfach jedes Mal über den Bandnamen, wenn ich in die Spalte der neuen Rezis gucke. 25 Jahre Best of SPD?!?
WTF... :-D
Klaus
2024-11-30 22:55:54
Was ein Text :D
Kenne die (und solche Musik generell) nicht, aber das scheint wirklich, wirklich... sagen wir mal speziell zu sein.
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