Stefan Raab - Seine größten Hits – 25 Jahre

Raab / Al!ve
VÖ: 04.10.2024
Unsere Bewertung: 2/10
2/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Blamieren, nicht kassieren

Das glaubt einem heute von den jungen Leuten ja keiner mehr: Ein Nachbarschaftsstreit im sächsischen Vogtlandkreis, bei dem es um durch einen Knallerbsenstrauch verursachte Schäden an einem Maschendrahtzaun ging, versetzte Ende 1999 das mediale Deutschland in helle Aufregung und Kamerateams der Boulevardmagazine von Sat.1 und RTL berichteten teils live vor Ort. Auslöser des Ganzen war ein Ausschnitt aus Barbara Saleschs Gerichtsshow, der aufgrund des amüsanten, sächsischen Zungenschlags der Klägerin von Fernsehstar Stefan Raab in seiner Show "TV Total" wiederholt gesendet und als Sample im Country-Song "Maschen-Draht-Zaun" verwendet wurde. Und dieser Song schaffte es – überdies zu einer Zeit, als man dafür tatsächlich in einem Ladengeschäft eine Single kaufen musste – auf Platz 1 der deutschen Charts.

"TV Total" galt seinerzeit als neu, frech und anarchisch. Raab vergriff sich in seinem Humorverständnis hin und wieder zwar auch mal um die eine oder andere Schublade, insgesamt gelang ihm in den ersten Jahren des Formats jedoch viel Unterhaltsames und Inhalte der Sendung gingen "viral", lange bevor es diese Formulierung überhaupt gab. 25 Jahre später ist der Kölner gerade mehr oder weniger spektakulär aus seiner Frührente zurückgekehrt und moderiert bei RTL+ für die nostalgischen Fans von früher einen aufgewärmten Mix alter Show-Ideen. Eben diese Fans sind sicherlich auch die Zielgruppe der lieblosen, bereits im Titel etikettenschwindelnden Zusammenstellung "Seine größten Hits – 25 Jahre".

Dass die zum Comeback veröffentlichte Single "Pa aufs Maul" nicht als neuer Track vertreten ist, kann musikalisch mehr als verschmerzt werden und hat wahrscheinlich geschäftliche Gründe. Die Compilation kommt schließlich aus dem Hause Brainpool, mit dem Raab nicht mehr zusammenarbeitet. Auch ansonsten fehlen einige durchaus wichtige Stücke: Das anarchische "Böörti, Böörti Vogts" war der einzig relevante Song zur Fußball-WM 1994 und bleibt dem hier vertretetenen, arg drögen "Wir kommen, um ihn zu holen" aus dem Jahr 2014 zum selben Thema um Klassen überlegen. Und auch "Hier kommt die Maus", die charmante Würdigung der "Sendung mit der Maus" zu deren 25-jährigen Jubiläum, bleibt ebenso unberücksichtigt wie der Kölsche Heimatschlager "Ävver et Hätz bliev he in Kölle".

Was findet sich hier also noch diesseits des Maschendrahtzauns und gibt es irgendeinen Grund, sich das im Herbst 2024 anzuhören? Die enervierend repetitive Polka "Ho mir mal ne Flasche Bier", um ein Sample eines launigen Spruchs von Genosse und Altkanzler Gas-Gerd Schröder herumgeschnitzt, bedarf zum Genuss jedoch deutlich stärkerer Intoxikation als etwas Gerstensaft dies zu leisten vermag. Und wo wir gerade bei Samples und Drogen sind: Die Reggae-Kuriosität "Gebt das Hanf frei" mit Hans-Christian Ströbele und Shaggy lässt simple Gemüter zumindest etwas schmunzeln. Und auch die Chuzpe, mit "Wir kiffen!" aus Pennälerreimen zum vorgeblichen Marihuanakonsum von Prominenten eine fast 17-minütige Single mit erschreckend hohem Ohrwurmfaktor zu stricken, nötigt doch etwas Respekt ab.

Die vorgebliche Latino-Pop-Parodie "Sensaçion" ist sensaçionell unlustig und ebendies gilt auch für die beiden (!) hier vertretenen Crossover-Songs, die seinerzeit gemeinsam mit Rick Kavanian und Max Mutzke unter dem maximal für pubertierende Jungs womöglich urkomischen Bandnamen Dicks On Fire veröffentlicht wurden. Auf der Habenseite, und auch das dürfte bereits eine kontroverse Meinung sein, bleibt einzig der exaltierte Nonsens-Funk von "Wadde hadde dudde da", mit dem Raab im glitzernden Elvis-Aufzug anno 2000 beim Eurovision Song Contest auf Platz 5 gelandet war. Ob das TV- bzw. Streaming-Comeback des inzwischen 58-Jährigen eine gute Idee war, darüber lässt sich sicher diskutieren. Die vorliegende Kompilation lässt sich jedoch auf jeden Fall ganz getrost über den Maschendrahtzaun kicken.

(Michael Albl)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wadde hadde dudde da (Radio version)

Tracklist

  1. Maschen-Draht-Zaun (Radio edit)
  2. Wadde hadde dudde da (Radio version)
  3. Ho mir ma ne Flasche Bier (feat. DJ Bundeskanzler)
  4. Sensaçion (Radio Eddie) (Eddie Rodriguez)
  5. Wir kiffen!
  6. Gebt das Hanf frei! (Radio edit) (feat. Shaggy)
  7. Space-Taxi (Radio version) (feat. Spucky, Kork & Schrotty)
  8. I want rock (Dicks On Fire)
  9. S.U.P.E.R.B.A.D. motherfucker (Dicks On Fire)
  10. Wir kommen, um ihn zu holen (Radio version)
Gesamtspielzeit: 47:18 min

Im Forum kommentieren

Socko

2024-12-02 13:33:00

Einer der wenigen deutschen Musiker, die was drauf haben

Mister Ed

2024-12-02 13:15:23

Ho mi ma ne Flasche Bier! *hicks*

The Libertine

2024-12-02 13:06:56

Was ist mit "Berti Vogts" oder "Da ist die Tür"?

Das sie als inhaltliche Klammer 25 Jahre gewählt haben, kann ja nur damit zu tun haben, das die Rechte vor TV Total nicht geklärt wurden.

Größtenteils ziemlicher Bockmist und irgendwie auch nicht besonders gut gealtert.

Wäre froh die Grinsekatze nicht mehr sehen zu müssen. Hat damals schon zu spät den Absprung geschafft und jetzt wird die abgestandene Soße genauso wieder aufgewärmt? Unnötig. Achja, Geld ist ja nicht unnötig.

andygoestohollywood

2024-12-02 11:27:24

Ebenfalls gerechtfertigte Bewertung. Seine Lieder sind weder besonders funky noch die Grand Prix-Kompositionen was besonderes, aber...gut, dass er mit seiner Schnauze im TV zurück ist.

octoberswimmer

2024-11-30 23:58:55


In "Wir kiffen" könnte es an der Stelle heißen:

"Und auch beim Albl Michael
schlägt breit das Rechnen manchmal fehl"

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