Múr - Múr
Century Media / SonyVÖ: 22.11.2024
Jetzt fehlt nur noch der Vulkan
Wacken ist nicht nur ein kleiner Ort in Schleswig-Holstein, sondern auch ... und so weiter, so bekannt. Gut, eine weitere Geschichte über das wohl namhafteste Metal-Festival der Welt ist nun wirklich nicht mehr nötig – und doch spielt es in der Geschichte von Múr durchaus eine wichtige Rolle. Einen wirklichen Aufmerksamkeitsschub hat Wacken den Isländern gegeben. Und zwar, indem sie aus der dortigen Ausgabe einer Nachwuchssichtung als Sieger hervorgingen. Zwei Jahre danach erscheint das Debüt einer doch recht außergewöhnlichen Band, das sich überhaupt nicht wie ein solches anfühlt. Besonders deswegen, weil im Instrumentarium von Frontmann Kári Haraldsson allen Ernstes die Keytar einen Platz gefunden hat. Wie es möglich ist, dieses ikonische Instrument der 1980er-Jahre-Popmusik in ein loderndes Inferno zu werfen – auch davon erzählt der selbstbetitelte Erstling.
Wie genau das so läuft, beispielsweise mit "Heimsslit", einem isländischen Wort für die Apokalypse, erzählt oder vielmehr beschreit Haraldsson in großer Variabilität. Mal mit cleanen Vocals, mal mit tiefen Growls, mal auch mit wirklich sanfter Stimme im Stile von Alcest. Nur da er dabei in seiner Muttersprache singt, verbleibt viel Verständnis auf der Insel. Macht aber nichts, denn Múr bestehen nicht nur aus Haraldsson, sondern auch aus Hilmir Árnason, Jón Ísak Ragnarsson, Ívar Klausen und Árni Jökull Guðbjartsson. Zusammen entfachen die fünf Musiker hier ein derart episches Album, dass sie sich vor den deutlich hörbaren Referenzen alles andere als verstecken müssen. Prog-Metal allererster Güte, wovon natürlich auch streckenweise die über zehnminütigen Songs künden. Und da sämtliche Mitglieder einen Jazz-Hintergrund haben, sind die sieben Stücke irre vollgestopft mit Inhalten und Ideen.
Nach einem kurzen, verträumten Intro steht etwa der Opener "Eldhaf" direkt in voller Blüte. Ein herrlicher Übergang von Post-Rock zu Post-Metal, eine Wall Of Sound, über der Haraldsson geradezu elegisch singt. Der Track hat eine erhaben pathetische Art an sich, und gegen Ende erklärt sich auch die deutsche Übersetzung "Flammenmeer" – so sehr, wie eine Doom-Walze hier alles abfackelt. Einen drauf setzt der Track, der Band und Namen den Titel gibt. Hier growlt der Frontmann in maximaler Soundverdichtung und Geschwindigkeit äußerst finster. Das vergleichsweise kurze "Frelsari" fährt hier fort und lässt das Schlagzeug mit permanentem Doublebass knallen. Von der Keytar war bislang wenig wahrnehmbar – allgemein gehen Múr anfangs recht Genre-typisch zu Werke. "Vitrun" und "Messa" ändern dies und lassen ein elektronisches Motiv prominent auftauchen, das von den gefühlt unzähligen Tonspuren eine der vordersten besetzt. Episch gestalten die Isländer die letzten zwei Tracks: "Heimsslit" und "Holskefla" ziehen noch einmal weite Kreise sowie alle Register des Prog-Metal.
So bewegt sich "Múr" (das Album) auf einem permanent hohem Stresslevel, weil Múr (die Band) alles daransetzen, ihre Songs zu überladen. Rastlosigkeit herrscht über weite Strecken, selbst ruhige Momente sind lediglich etwas heruntergeregelt, doch nicht weniger zuckend nervös. Das Quintett wildert dabei überall: Ob Djent-artige Riffs, Blackgaze oder die klassische Prog-Zockerei – all dies findet seinen gerechten Platz. Einfachheit? Nur in den Titeln, bei denen sich etwa die isländischen Wörter für Sturzwelle, Weltuntergang, Vision, Erlöser und Flammenmeer abwechseln und davon künden, wie es sich anfühlt, wenn es auf der Insel mal wieder knallt – und man sich dabei zufälligerweise gerade in der Nähe dieses faszinierenden musikalischen Ausbruches befindet.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Eldhaf
- Vitrun
- Holskefla
Tracklist
- Eldhaf
- Múr
- Frelsari
- Vitrun
- Messa
- Heimsslit
- Holskefla
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The MACHINA of God
2025-01-16 22:34:08
Auch im neuen Jahr ein schönes Ding.
Martinus
2024-12-28 20:54:54
Für mich inzwischen Metal Album des Jahres.
Hab ich voll Bock drauf! Läuft fast täglich, zumindest ein paar Songs.
The MACHINA of God
2024-12-28 16:51:57
Opener hat mich inzwischen auch. Tolles Album. Danke für die Rezension, wäre da sonst wohl nicht drauf gekommen.
The MACHINA of God
2024-12-21 16:48:17
Ja doch, mag ich. Wächst man rein. Schöner nordischer Eisbrocken.
Hierkannmanparken
2024-12-03 22:54:33
Ok, gerade bei Vitrun hätte ich gesagt, dass der Track mäandert. :D
Aber das mit dem Lauern finde ich ne interessante Beobachtung. Achte ich mal drauf. Und du meinst glaube ich Messa, das ist der zweite Track mit Elektronik im Vordergrund.
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