Udo Jürgens - Udo 90
SonyVÖ: 27.09.2024
Merci für die Stunden
"Mitten im Leben". So hieß 2014 Udo Jürgens aktuelles Studioalbum und obwohl der Österreicher bereits stolze 80 Lenze alt war, schien er fit wie eh und je. Kein Wunder, schließlich hatte er schon seit Jahrzehnten einen Gassenhauer im Repertoire, in dem er immer wieder versicherte: "Mit 66 ist noch lange nicht Schluss." Völlig überraschend verstarb Jürgens jedoch kurz vor Weihnachten desselben Jahres an Herzversagen. Über ein halbes Jahrhundert lang war er der wohl größte und erfolgreichste Star der deutschsprachigen Unterhaltungsmusik. Dabei reüssierte Jürgens als Schlagersänger, Liedermacher, Chansonnier und Entertainer der alten Schule zugleich, ohne sich je wirklich gänzlich in einer dieser Schubladen verorten zu lassen. Fast auf den Tag genau am Tag, an dem Jürgens seinen 90. Geburtstag gefeiert hätte, erschien nun die opulente Kompilation "Udo 90".
Jenny und John Jürgens, die musikalischen Nachlassverwalter ihres Vaters, wählten hierfür 90 chronologisch präsentierte Stücke aus den über 500 (!) Singles aus, die der fleißige Komponist und Interpret zeitlebens veröffentlicht hatte. Hinzu kommt mit der mit schwelgerischen Streichern arrangierten Ballade "Als ich fortging" ein bisher unveröffentlichter, sehr hörenswerter Archivfund. Aber von vorn: Jürgens war schon Komponist eines Welthits von Shirley Bassey, als er 1964 bis 1966 sein Land beim Eurovision Song Contest vertrat. Bereits "Warum nur, warum" im Stile von Charles Aznavour ließ zu Recht aufhorchen. Der Sieg beim Wettbewerb gelang jedoch erst im dritten Anlauf mit der anrührenden Chanson-Ballade "Merci Chérie", die beschreibt, wie der Sänger sich bei seiner Ex-Partnerin bedankt und sie bittet, positiv in die Zukunft zu blicken, um schließlich, von anschwellendem Orchesterklang und wildem Geklimper getragen, in sehr wahren Refrainzeilen zu münden: "Schau nach vorn, nie zurück / Zwingen kann man kein Glück."
Jürgens musste spätestens von jenem Zeitpunkt an nichts mehr erzwingen, sondern feierte sowohl in den Hitparaden als auch bei großangelegten Konzertreisen rauschende Erfolge. Auf demselben Album glänzten 1976 "Ein ehrenwertes Haus" und "Griechischer Wein". Beide Songs bilden mit ihren kongenialen Texten von Librettist Michael Schulze über konservatives Heuchlertum und die Lebenswelt griechischer Migranten bis heute die wohl perfekte Schnittmenge aus sozialkritischer Aussage und unbedingter Schunkel- und Mitsingkompatibilität. Auch zuvor und danach schreckten Jürgens und seine Texter nicht vor kontroversen Themen zurück, sodass Stücke wie das zynische "Lieb Vaterland" oder das die päpstliche Haltung zur Geburtenkontrolle kritisierende "Gehet hin und vermehret Euch" teilweise sogar von Radiostationen boykottiert wurden.
Bei ganzen 90 Songs muss man natürlich über den einen oder anderen zähen oder schlecht gealterten Moment hinwegsehen. Dennoch bleiben zahllose Perlen, die es (wieder) zu entdecken gilt: "Immer wieder geht die Sonne auf" und "Morgen bist Du nicht mehr allein" etwa könnten auch von George Martin produzierte Kompositionen von Burt Bacharach sein. Das aus dem Geist der Umwelt- und Friedensbewegung entstandene, reich instrumentierte "5 Minuten vor 12" bleibt auch über 40 Jahre nach seiner Entstehung berührend und erschütternd aktuell. Und hier noch Nerd-Wissen zwischen Bohnerwachs und Spießigkeit: "Ich war noch niemals in New York", Jürgens' bittersüßer, wohl beliebtester Hit überhaupt, war verrückterweise ursprünglich nur eine B-Seite! Ach ja, man könnte noch eine ganze Weile weiter schwärmen oder gar fehlenden persönlichen Favoriten wie "Tausend Jahre sind ein Tag" hinterhertrauern. "Zehn nach elf", das letzte Lied auf Jürgens' eingangs erwähntem finalem Studioalbum, beginnt mit den Zeilen: "Der letzte Ton gesungen / Der letzte Akkord verklungen." Hier irrt der Meister jedoch: Diese Songs werden noch sehr lange erklingen. Merci, Udo.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Warum nur, warum
- Merci Chérie
- Immer wieder geht die Sonne auf
- Was ich Dir sagen will
- Griechischer Wein
- Ein ehrenwertes Haus
- 5 Minuten vor 12
- Ich war noch niemals in New York
- Als ich fortging
Tracklist
- CD 1
- Es waren weiße Chrysanthemen
- Jenny
- Kiss me quick
- Warum nur, warum
- Abbracciami forte
- Sag' ihr, ich lass' sie grüßen
- Siebzehn Jahr, blondes Haar
- Merci Chérie
- Sag mir wie
- Reach for the stars
- Immer wieder geht die Sonne auf
- Was ich Dir sagen will
- Edelweiß
- Hier bin ich zu Hause
- Morgen bist Du nicht mehr allein
- Mathilda
- Wahre Liebe ist ganz leise
- Es wird Nacht, Señorita
- CD 2
- Matador
- Anuschka
- Deine Einsamkeit
- Lieb Vaterland
- Ich glaube an die Liebe
- Zeig mir den Platz an der Sonne
- Wer hat meine Zeit gefunden?
- Vergiss die Liebe nicht
- Ich bin wieder da
- Wie nennt man das Gefühl
- Der Teufel hat den Schnaps gemacht
- Zieh' den Kopf aus der Schlinge, Bruder John
- Griechischer Wein
- Ein ehrenwertes Haus
- Illusionen
- Ein neuer Morgen
- Aber bitte mit Sahne
- Tante Emma
- CD 3
- Gefeuert
- Mein Bruder ist ein Maler
- Boogie Woogie Baby
- Mit 66 Jahren
- Einmal, wenn Du gehst
- Buenos días Argentina
- Der Mann mit der Mütze
- Superstar
- Wien
- Nur ein Lächeln
- Ich weiß, was ich will
- Ist das nichts?
- Paris, einfach so nur zum Spaß
- Gaby wartet im Park
- Ich sah nur sie
- Schenk mir noch eine Stunde
- Willkommen in meinem Leben
- Leave a little love
- CD 4
- Die Glotze (... und das alles in Farbe)
- 5 Minuten vor 12
- Gib mir Deine Angst
- Das wünsch ich Dir
- Ich war noch niemals in New York
- Engel am Morgen
- Walk away
- Lust am Leben
- Die Sonne und Du
- Rot blüht der Mohn
- Liebe ohne Leiden
- Abends
- Jeder so, wie er mag
- Sperr mich nicht ein
- Deinetwegen
- Ich will – ich kann, I can – I will
- Eis zu Feuer
- Gehet hin und vermehret Euch
- CD 5
- Hast Du heute schon gelebt
- Sempre Roma
- Na und ...?!
- In Lüneburg war Volksfest
- Geradeaus
- Im Kühlschrank brennt noch Licht
- Was Dich nicht umbringt, gibt Dir neue Kraft zum Leben
- Das ist Dein Tag
- Café Größenwahn
- Heute beginnt der Rest Deines Lebens
- Never give up – Gib niemals auf
- Gestern – heute – morgen
- Ein Bote aus besseren Welten
- Es lebe das Laster
- Jetzt oder nie
- Der ganz normale Wahnsinn
- Der Mann ist das Problem
- Zehn nach elf
- Als ich fortging
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andygoestohollywood
2024-12-24 10:37:30
Ich Banause wusste gar nicht, dass das kultige "Der Teufel hat den Schnaps gemacht" auch von ihm ist. Kam doch gestern eine Hommage an Udo im Ersten...eine Beat-unterlegte Version von Immer wieder geht die Sonne auf von Bendzko und Liebe ohne Leiden von Michelle Hunziker und ihrer Tochter...bezeichnend für den kulturellen Verfall.
Immermusik
2024-12-13 16:59:41
Schwul, aber normal..
Homophobie in 2024, alles ganz normal.
andygoestohollywood
2024-12-13 16:41:22
Dass mir keiner Bill Kaulitz sagt, er möchte Queen B. genannt werden laut des Videos.
Socko
2024-12-13 11:57:08
Nun, kaulitz ist ja auch unerträglich
andygoestohollywood
2024-12-13 11:17:36
oder wars Netflix, die werden sich schon gut vermarkten können.
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