Bibiza - Bis einer weint

Columbia / Sony
VÖ: 22.11.2024
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Fahrfalle

So ein bisschen deppert wird man ja schon, wenn man das zweite Album des österreichischen Alleskönners Bibiza hört. "Bis einer weint" heißt es, und der Name ist Programm. Ganze 21 Songs tummeln sich auf dem Werk. Wie ein Getriebener hetzt Bibiza durch Stile und Stimmungen, wobei ihm so mancher Geniestreich gelingt. Doch leider befinden sich auf dem Longplayer auch etliche Rohrkrepierer, sodass am Ende ein Gefühl der Ratlosigkeit zurückbleibt. Was will er denn nun? Und warum will er alles gleichzeitig? Manche dürften diesen Maximalismus charmant finden, beschwört er doch den Geist eines gewissen Hans Hölzel herauf, der seinerzeit mit einer Mischung aus Charme und Größenwahn die Welt eroberte. Wie es bei Geistern Usus ist, entpuppt sich der Spuk jedoch rasch als Illusion.

Das alles klingt viel negativer, als es gemeint ist. Bibiza ist ein wahnsinnig talentierter Kerl, der immer wieder berauschende Hooks aus dem Ärmel zaubert. Seine Musik ist gemacht für den Augenblick und sich dabei ihrer thematischen Limitierungen stets bewusst. Es geht ums Feiern, ums Abstürzen, ums Dahinleben inmitten einer Welt, die den Verstand verloren hat. Hedonismus als Form der Daseinsbewältigung hat sicher eine Existenzberechtigung, doch keine noch so clevere ironische Brechung kann darüber hinwegtäuschen, dass unter der Oberfläche ein gähnender Abgrund lauert. Vielleicht weiß Bibiza das selbst, weshalb er in Songs wie "Discoschnupfen" das Riechorgan in Richtung der Schneekanone hält und erstmal kräftig einatmet. Wild geht es zu, geradezu entfesselt. Das Neonlicht der Nacht ersetzt eine Sonne, die sowieso nur Hautkrebs verursacht.

Was bleibt einem auch anderes übrig? Es ist zu viel Hitze in dieser Stadt, was sich auch am Pegelstand an der "Donau" messen lässt. Die Kultur, die Wien hervorgebracht hat, wird auch sein Untergang sein. Aber solange sich das Riesenrad dreht, haben die Hamster ihre Freude. Wo wir gerade bei Tieren sind: "Salamander & Chamäleons" klingt dermaßen nach dem Jahr 1987, dass eigentlich nur noch ein Gastauftritt David Hasselhoffs fehlt, um Zeitreisen glaubwürdig erscheinen zu lassen. Solche Momente sind es auch, die "Bis einer weint" aus der Masse herausheben. Zwischen Songs, die schneller vorbei sind, als man "Schattenbergschanze" sagen kann, finden sich wahre Schätze wie beispielsweise "Luxusparese", das dem Verfall der Sitten ein kokettes "Mir doch wurscht" entgegensetzt. Das Ego will eben nicht nur gestreichelt, sondern auch bespeichelt werden.

Ja, die Liebe, die ist schon auch ekelhaft. Doch wenn sie zu Songs wie "Gute Nacht" führt, kann man ihr nicht ernsthaft böse sein. Hier lässt Bibiza endlich mal die Maske fallen und zeigt, dass er nicht nur ein famoser Schauspieler, sondern auch ein ziemlich überzeugender Geschichtenerzähler sein kann. Diese emotionale Tiefe lässt ein Großteil des Albums jedoch vermissen, auch wenn sich der Protagonist alle Mühe gibt, darüber mit einem schier endlosen Fundus musikalischer Geistesblitze hinwegzutäuschen. Der Funk, der diesem Album innewohnt, muss sich vor jenem der Landesgenossen Bilderbuch nicht verstecken. Vielleicht ist der Funk auch der Schlüssel zum Verständnis der Kunst des Franz Bibiza. Sie ist eine Momentaufnahme, ein Blitzlicht im Nebel der Großstadt. Dass die Quittung in Form eines Schreibens der Polizei ins Haus flattert, bleibt nur eine Randnotiz.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Salamander & Chamäleons
  • Luxusparese
  • Gute Nacht

Tracklist

  1. Bis einer weint
  2. Aufnimmawiederschaun
  3. Wunschkonzert
  4. Nicht schon wieder!
  5. Salamander & Chamäleons
  6. Discoschnupfen
  7. Check in / Check out
  8. Luxusparese
  9. Die Rechnung kommt
  10. Der Mann mit der Glatze
  11. Kaputt aber geil
  12. Rauchen ist tödlich!
  13. Tanzen
  14. Die Donauwalze
  15. Donau
  16. Schwimmen
  17. Hinfalln
  18. Böses Spiel
  19. Angefahrn
  20. Nirgendwo dazwischen
  21. Gute Nacht
Gesamtspielzeit: 58:14 min

Im Forum kommentieren

Francois

2024-11-25 14:47:59

Die Singles, inkl. Schwimmen, ebenfalls gut!
Live wird das ziemlich Spaß machen!

Michael

2024-11-25 11:53:00

Sehe ich ähnlich - ich hätte ebenfalls 6/10 gegeben. Das Album ist natürlich viel, viel, viel zu lang und hat (zu) viel Füllmaterial, die Highlights (gut gewählt in der Rezension, v.a. "Gute Nacht" finde ich ganz fantastisch) aber sind schmissig und wissen zu überzeugen.

Francois

2024-11-25 11:23:48

kein schlechtes Album... er versucht, den überaus guten und frischen Sound vom Vorgänger Album zu kopieren und auf der Welle weiterzusurfen.

Kann inhaltlich mit der Rezi übereinstimmen, aber 5/10 ist mir um einen Punkt zu niedrig bewertet.

Armin

2024-11-21 19:37:31- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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