Suzan Köcher's Suprafon - In these dying times

Unique / Rough Trade
VÖ: 11.10.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Schlechte Zeiten, gute Zeiten

Dreampop mit psychedelischem Einschlag muss nicht immer aus Baltimore oder Texas oder – wenn es geographisch etwas naheliegender sein soll – England, irgendwo zwischen Middle Fritham und Nether Addlethorpe, daherkommen. Nö, es darf ruhig auch mal Solingen sein. Von dort stammen nämlich Suzan Köcher's Suprafon, die auf ihrem dritten Album einen gehörigen Entwicklungssprung machen und mitten in der Spitzenklasse oben genannter und weiterer (Kraut!) Stilrichtungen landen.

Bandvorstellung: Suzan Köcher singt, betätigt diverse elektronische Zauberkästen von Juno bis Moog, dazu Mellotron, Klavier und Gitarre. Außerdem schreibt sie die Songs, zusammen mit Julian Oliver Müller, der ansonsten auch Gitarren, Korg etc. bedient. Vervollständigt wird das Quartett mittlerweile durch die Rhythmussektion Janis Rosanka und Dale Lohse an Bass und Drums. Ergänzende Textkunst bei mehreren Stücken liefert der irische Lyriker Michael Cummins. Während die ersten beiden Alben "Moon Bordeaux" und "Suprafon" noch recht staubig trocken und soundtechnisch vergleichsweise minimalistisch daherkamen, erweitert "In these dying times" die Klangpalette ganz erheblich.

"In my time of dying": Ob der alte Gospelklassiker, den von Bob Dylan über Led Zeppelin bis hin zu Martin Gore schon viele große Künstler gecovert haben, Pate für den Albumtitel stand? Oder ob es doch die düsteren Zeiten selbst waren, in denen wir uns befinden? Letzteres bestätigen die Texte zu den Songs auf jeden Fall, hier setzt sich die Band dezidiert mit politischen Themen auseinander. Das geht gleich beim Titeltrack los, in dem eine entscheidende Frage der heutigen Welt gestellt wird: "Do you think you can tell the truth from the lies?" Während dazu verträumte Synthesizer gute Laune verbreiten. Kontraste, so wichtig. Dass die Band sich überhaupt wieder aufgerappelt hat und in diesen Tagen mit einem Album auf Tour geht, welches bei aller Dunkelheit doch sehr positiv klingt, ist nicht selbstverständlich: Das Attentat auf dem Solinger Stadtfest fand direkt vor der Bühne statt, auf der Suzan Köcher's Suprafon in jenem Moment spielten.

Umso bemerkenswerter, dass die Band jetzt strahlende Popsongs wie "Sleepless strangers" oder "Seventeen" spielt. Man staunt über Fleetwood-Mac-Momente wie "Camera" und ballt gemeinsam die Faust bei druckvollen Stücken wie dem an The Kills erinnernden "Maybe I'm a lemon". Auch die Psychedelik wird niemals ganz beiseitegelegt. Bei "The trip" sagt es schon der Titel, und bei "Living in a bad place" brechen die Gerätschaften mitten im Song in gar krautige Welten auf. Am Ende der Platte kehren wir für nur eine Nacht oder wenigstens umwerfende neun Minuten und mit Trompete, aber ohne Pauken, dafür von gewaltigen Synthies umspült, im "Desert Air Motel" ein, während die irre Welt draußen weitertobt. Und es wurde einmal mehr bewiesen: Sind die Zeiten schlecht, ist die Musik besonders gut.

(Thomas Bästlein)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • In these dying times
  • Sleepless strangers
  • Living in a bad place
  • Desert Air Motel

Tracklist

  1. In these dying times
  2. Maybe I'm a lemon
  3. Sleepless strangers
  4. Seventeen
  5. Living in a bad place
  6. The trip
  7. Camera
  8. Falling for autumn
  9. Desert Air Motel
Gesamtspielzeit: 42:49 min

Im Forum kommentieren

Mr Oh so

2024-11-25 16:02:15

War zwar nicht in Bremen, sondern in Hamburg dabei. Kleine Location, randvoll gepackt, tolle Stimmung. Hab sie bereits das zweite Mal gesehen und es war wieder wunderbar. Die Band ist echt super eingespielt, Suzan ist ein Augen- (hüstel) und Ohrenschmaus. Neues Album mitgenommen, läuft gerade.

VelvetCell

2024-11-25 08:38:15

Ich konnte Samstag leider nicht in Bremen sein. War jemand da und kann berichten?

doept

2024-11-24 20:22:26

Toll das diese Band hier in die Reviews kam!
Hat mir vorher gar nichts gesagt (und bei dem Namen hätte ich auch eher eine Jazz-Band vermutet), aber bei den Referenzen musste ich auf jeden Fall mal reinhören.

Tja, und was soll ich sagen: Sicherlich die beste und überraschensde Neuentdeckung des Jahres bisher für mich!
Das aktuelle Album hat schon vier Durchläufe bekommen und macht richtig Spaß, habe auch schon mal bei den Vorgängern reingehört die auch gut klingen.

Einziger Wermutstropfen: Den Auftritt vor 3 Wochen in der Nähe habe ich verpasst :-(

HerrH.

2024-11-18 15:28:04

Krass, ich wusste gar nicht, dass ich Sachen mit dem Merker "Dreampop/Kraut" mögen könnte. Scheint aber zu klappen, wenn's gut ist! I like!!!

Hierkannmanparken

2024-11-16 14:20:15

Ja richtig gut! Super eingängig, schön psychedelisch und die Lyrics gefallen mir auch!

Julian Oliver Müller ist ja der Frontmann von den Blackberries, die im Gegensatz hierzu deutlich poppiger sind. Ihr Kraut-Vorzeigesong (den sie beim letzten Konzert leider nicht gespielt haben): Rückwärts, riichtig gut!

Pladde wird nicht bestellt, sondern direkt am Merchstand gekauft! ;)

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