The Body - The crying out of things

Thrill Jockey / Indigo
VÖ: 08.11.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 4/10
4/10

Für den Untergang

The Body werden nicht jünger. Der jeweilige individuelle Zellhaufen, nach dem sich das kollaborationsfreudige Duo aus Providence benannt hat, erst recht nicht. Warum also nicht mal zwei Alben pro Jahr? Man dröhnt sich ja sonst nichts. Außer das Gehör kaputt. Schon im Februar 2024 traten Chip King und Lee Buford nämlich auf "Orchards of a futile heaven" zusammen mit der Wahlberliner Produzentin Felicia Chen alias Dis Fig krachend die Tür ein, um herrlich ruinöses und stampfendes Gecrunche abzulassen, wobei Chen dem Ganzen mitunter eine Art gesanglichen Charme verlieh. Hart, bohrend und wunschgemäß zerstörerisch war all das natürlich trotzdem – und bleibt es auch auf dem achten The-Body-Longplayer auf eigene Rechnung. Siehe den "Eschatological imperative" aus "I've seen all I need to see": Der Untergang ist nie wirklich fern.

Auf "The crying out of things" springt er einem vielmehr direkt mit behaartem Hintern ins Gesicht. Wutentbrannt, tödlich konsequent und oft nur noch rudimentär als Sludge oder Noise-Rock erkennbar. Als Vorgeschmack empfehlen sich schrecklich kreischende U-Bahn-Schienen oder das undefinierbare, beunruhigende Knirschen und Knarzen beim Autofahren, bevor man entdeckt, dass es sich ein nunmehr ehemaliger Marder unter der Motorhaube bequem gemacht hatte. Kein schönes Bild, zugegeben – aber ein solches malen The Body von der Existenz schließlich ebenso wenig. Meddl für Leute, die – Plattentests.de-Forum bitte weglesen – keinen Meddl mögen. Dafür umso mehr schmorende Transistoren, zerspante Schmurgel-Gitarren und eine heiser eskalierende Stimme, die den letzten Rest Humanität vor langer Zeit eingebüßt hat. Und doch ist etwas anders.

Schon im Auftakt "Last things", der zwar gewohnt robust und ohne Rücksicht auf ohrale Verluste durch die Tribal-Instanzen von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit stapft, den schlimmsten Schmerz jedoch mit einem fein abgestimmten Bläser-Arrangement lindert. Ein harmonischer Kniff, den The Body noch mehrere Male anwenden – zum Beispiel in "Careless and worn", einem ramponierten Doom-Rocker, dessen Fanfaren ähnlich staatstragend auftrumpfen wie diejenigen in "Kel Valhaal" von Liturgy. Allerdings nicht ohne ein synthetisches Loop-Finale, wo Kings Röcheln auf einmal tatsächlich wie ein Mensch klingt. Zwar selbstredend wie einer auf dem Sterbebett – was hier jedoch zum guten schlechten Ton gehört. "A premonition" hingegen lodert in einer irgendwo zwischen Laibach-Bombast und übersteuertem Horror-Breakcore gelegenen Vorhölle. Ausweg: keiner.

Zu diesem Zeitpunkt steht längst fest, wie wahnsinnig gut dieser irre Scheiß doch ist – was auch Drummer Buford und seinen elektronischen Projekten wie Dead Times oder Sightless Pit zu verdanken sein dürfte. Das zu rasanter Distortion mit dem Popo wackelnde "Less meaning" räumt gar den zerbombten Dancefloor leer – willkommen zu Rhode Islands schrägsten Chiptune-Hits. Selbst Felicia Chen gibt sich in "The building" die Vocal-Ehre, und zum Closer "All worries" würde Fernseh-Komponist Henner Larsfeld (muss man nicht kennen) wohl sagen: wieder die Mönchschöre und das verhallte Gewummer. Und wir? Dichten The Body eine völlig aus der Luft gegriffene Vorliebe für Gregorian und / oder Enigma an und winden ihnen für ihr akzentuiertestes und bisher bestes Album ein vergiftetes Kränzchen. Auch wenn sie vermutlich nur darauf herumtrampeln werden.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Last things
  • A premonition
  • Less meaning

Tracklist

  1. Last things
  2. Removal
  3. Careless and worn
  4. A premonition
  5. Less meaning
  6. The citadel unconquered
  7. End of line
  8. The building
  9. All worries
Gesamtspielzeit: 35:29 min

Im Forum kommentieren

Hierkannmanparken

2024-11-17 00:23:10

Sehr cool, klingt nach einer Kollaboration zwischen Liturgy und Pfarmers, wenn die Bläser einsetzen :D

Jonas

2024-11-15 19:39:21

Wow. Da klicke ich nichts ahnend auf den Opener, bin sofort gehooked – und denke, dass ich diese verdammte Reise jetzt antreten muss. Nach einem halbstündigen Trip durch phänomenal produzierte Klang- & Krach-Landschaften danke ich für die Entdeckung. Auch wenn die "epischen" (Gesangs-)Einlagen zum Ende gar ein bisschen viel sind ;-)

BunteKuh

2024-11-13 21:03:47

Ich weiss Musik ist Geschmackssache..

.....aber 8/10 für diesen undefinierbaren Geräuschmischmasch? Nur mit Drogen auszuhalten. 1/10 von mit

Armin

2024-11-13 20:39:13- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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