Thus Love - All pleasure
Captured Tracks / CargoVÖ: 01.11.2024
Kopfbewegung in die Zukunft
Wärst Du doch in Brattleboro geblieben. Das oder Ähnliches könnte im Februar 2023 Lu Racine durch den Kopf gegangen sein, Schlagzeuger des US-Quartetts Thus Love. Dieses gastierte auf ihrer Europa-Tour zum ausgesprochen positiv aufgenommenen Debüt "Memorial" nämlich im renommierten Glasgower Veranstaltungskomplex Barrowland, und Racine kam sich eigenen Angaben zufolge vor wie in einer Kleinstadt und verlief sich mehrmals in den Ebenen des Gebäudes. Wie er wieder herausfand, ist nicht überliefert – womöglich erst beim nächsten Konzert der Lokalmatadore The Jesus And Mary Chain. Immer dem Feedback-Kreischen nach. Jedenfalls waren alle vier irgendwann wieder im oben genannten Ort – ebenfalls eine Kleinstadt – im Bundesstaat Vermont angekommen und konnten endlich ihren zweiten Longplayer "All pleasure" in Angriff nehmen.
Doch auch wenn Thus Love tatsächlich auf der Insel festgesessen hätten, wäre dort sicher ein warmes Plätzchen für sie frei gewesen. Vielleicht in Manchester? Dorthin entführt uns zumindest direkt zu Anfang "On the floor". Genauer gesagt in die eingehenden Achtzigerjahre, als sich Joy Division gerade anschickten, richtig groß zu werden. Und da ist auch schon alles: der missmutige Brummelbass und die schrill zerschellenden Riffs circa "Shadowplay", die keinen Zweifel daran lassen, dass Thus Love wenigstens zeitweilig für Post-Punk gehalten werden wollen. Allerdings nicht nur, denn die queere Band mit dem unkonventionellen Kopfputz wildert genauso im slackenden Indie-Rock der Neunziger – zumal es sich beim erwähnten Opener nicht um einen brütenden Trauerkloß, sondern um eine ungemein swingende Angelegenheit zum frohen Kopfnicken handelt.
Liest sich nicht zufällig nach angenehm schluffigen Acts wie Car Seat Headrest – wobei Racine, Frontperson Echo Mars und Kolleg*innen dem Community-Gedanken näher stehen als Will Toledo, sich fürs gute Gemeinschaftsgefühl ihr eigenes Studio eingerichtet haben und dort jeden neuen Song sofort abwürgen, sollte er ihnen keinen Heidenspaß bereiten. Viel zu verwerfen wird es für "All pleasure" jedoch nicht gegeben haben, denn wie der Name schon sagt, ist dieses Album eine reine Freude. Etwa im Titelstück, einer leicht twangigen Halbballade, wo Mars und Bassistin Ally Juleen mit den Worten "What's in store for you and me / When all pleasure retires?" berechtigte Zweifel an der Zukunft einer Beziehung hegen, ehe am Ende wieder alles zum Besten steht. Erneut Kopfbewegung nach links und rechts – nicht etwa aus Ablehnung, sondern aus purer Wohligkeit.
Ein Dauerzustand in dieser guten halben Stunde. Vor allem bei der abgezirkelten Groove-Wuchtbrumme "Get stable", die vor Vergnügen aus allen Ecken quietscht, um den Fährnissen des Alltags Paroli zu bieten. Es ist nun mal nicht immer alles geil. Oder? Beim Begriff "pleasure" sollte man jedenfalls vorsichtshalber auch immer die potenziell sexuelle Konnotation mitdenken, ehe der leutselige Schunkler "House on a hill" mit den Zeilen "Living in a soft shell / Rotten accidation / Still no room for masturbation" die entsprechenden Eindeutigkeiten auspackt. Schon schön, aber noch besser: "Bread for blood", das mit aufgekratztem Stampf-Beat und einem wundervoll klirrenden Gitarrensound die Erbnachfolge von Modest Mouses "Float on" antritt. Merke: Don't worry if things end up a bit too heavy. Und wenn doch? Spendet dieses tolle Album Trost.
Highlights & Tracklist
Highlights
- On the floor
- Get stable
- All pleasure
- Bread for blood
Tracklist
- On the floor
- Birthday song
- Get stable
- All pleasure
- Face to face
- Lost in translation
- Show me patience
- House on a hill
- Bread for blood
- Losing a friend
Im Forum kommentieren
Armin
2024-11-06 20:07:27- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Blanket_Skies
2024-11-04 19:32:16
Wo der Vorgänger eine 9/10 von mir bekam, find ich das Neue zwar etwas schwächer, mag aber, dass sie etwas anders machen - besonders vom Sound. Kann auch daran liegen, dass der Basser raus und zwei Neue in der Band sind. Zudem haben sie das Album wohl hauptsächlich live eingespielt. Mir gefällt's - 7/10 mit leichter Tendenz nach oben. Highlights: On the Floor, All Pleasure & Lost in Translation.
Blanket_Skies
2024-11-02 19:21:45
Solchen Entscheidungen steh ich immer mit gemischten Gefühlen gegenüber. Zum einen, ja, will man die guten Songs alle beisammen haben, zum anderen ärgerts mich, wenn ein langersehntes Album zur Hälfte aus bereits bekannten Liedern besteht. Palace haben das für mich auf die Spitze getrieben mit ihren drei zuvor veröffentlichten EPs, die dann einfach nach einem Jahr 3/4 des neuen Albums bildeten.
Chrisb
2024-11-02 00:31:21
Super Album.Den tollen Song Centerfield von 2023 hätten sie aber auch noch draufpacken können.
MickHead
2024-11-01 15:45:32
Jetzt komplett bei Bandcamp:
https://thuslove.bandcamp.com/album/all-pleasure
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