Sólstafir - Hin helga kvöl
Century Media / SonyVÖ: 08.11.2024
Bunte Tüte
Die isländische Band Sólstafir darf man unumwunden als eine der spannenderen im großen Universum der metallischen Klänge bezeichnen. Im Verlauf ihrer inzwischen drei Jahrzehnte umfassenden Karriere waren Gründungsmitglied Aðalbjörn Tryggvason und seine wechselnden Weggefährten unter anderem schon auf Pfaden in Richtung Viking Metal, Black Metal oder straightem Rock unterwegs und fühlten sich praktisch nie über einen längeren Zeitraum einer spezialisierten Spielart zugehörig. Das bescherte den Fans über all die Jahre immer wieder neue Ideen, Abzweigungen und Überraschungen. Diese fielen nicht immer zur allgemeinen Begeisterung aus, wie der Vorgänger bewies: "Endless twilight of codependent love" traf beispielsweise hier auf Plattentests.de nicht auf überbordende Euphorie. Nun also "Hin helga kvöl", und damit wären wir auch gleich bei einem Umstand, der die Rezeption der Band seit jeher begleitet: die Sprachbarriere. Isländisch, das lässt sich festhalten, sprechen und verstehen die wenigsten.
"Das heilige Leiden" heißt übersetzt der Titel des mittlerweile achten Studiowerks, das Sólstafir in den Flóki Studios im Norden der Insel eingespielt haben. Die Abgeschiedenheit in der Gemeinde Skagafjörður dürfte ihren Teil dazu beigetragen haben, dass sich die Musiker voll und ganz auf ihre Arbeit konzentrieren konnten. Das titelgebende Leiden ist dabei tatsächlich in vielen Momenten spürbar, wenn atmosphärische Schwere den Grundton vorgibt. "Hún andar" etwa verströmt mit seiner Goth-Rock-Attitüde einen dezidiert melancholischen Geist und bereitet als gelungener Opener den Boden für das, was noch kommen soll. Das Titelstück wühlt sich danach in seinen wildesten Momenten tief durch den Black Metal, ebenso wie das spätere "Nu mun ljosið deyja". Ebendort erreicht das Album kurz vor Schluss seinen späten Höhepunkt, wenn das finale, dreiteilige "Kúml (Forspil, sálmur, kveðja)" in aller gebotenen Epik einen fantastischen Klangteppich ausrollt. Wie sich hier immer wieder ein Saxofon in die bleierne Düsternis drängelt, ist ein kunst- und stilvoller Kniff. Langweilig wird es bei dieser Band nie!
Dass Sólstafir ihren Weg konsequent weitergehen und sich bei der schwierigen Entscheidung zwischen den höchst unterschiedlichen Spielarten ihrer Kunst für eine bunte Tüte entscheiden, erweist sich letztlich schon als Fluch und Segen gleichermaßen, allerdings mit der Tendenz zur positiven Lesart. Erfrischend ist es zum einen, dass sich Tryggvason und seine Mitstreiter aus ihrer umfassenden Historie bedienen und auf diese Weise einen erfreulichen Abwechslungsreichtum erzielen, der irgendeine Form der Schubladenzugehörigkeit abgrätscht. So liegen zwischen dem vortrefflich ausgebremsten "Sálumessa" und dem vielfältig verzweigten "Grýla" Welten, die Black-Metal-Klopfer stehen ohnehin für sich. Zum anderen bleibt aber auch der ganz kleine Makel, dass zu einem echten Meisterwerk die perfekte Verbindung zwischen den einzelnen Teilen fehlt. Insbesondere das grandiose Finale hebt "Hin helga kvöl" in der Gesamtbetrachtung allerdings deutlich über etwaigen Durchschnitt, den das rockig-schlichte "Blakkrakki" zwischendurch durchaus touchiert. Und wie bei allen Vorgängern stellt sich nach dem Genuss des Ganzen die spannende Frage: Was dürfen wir beim nächsten Mal von den Herren aus Reykjavík erwarten?
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hin helga kvöl
- Grýla
- Kúml (Forspil, sálmur, kveðja)
Tracklist
- Hún andar
- Hin helga kvöl
- Blakkrakki
- Sálumessa
- Vor ás
- Freygátan
- Grýla
- Nú mun ljósið deyja
- Kúml (Forspil, sálmur, kveðja)
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Hierkannmanparken
2024-11-21 15:47:33
Ok, ich bin also nicht der Einzige, der Bläkkräkki anstrengend findet. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass er bei 1:29 crusty crab jault.
Ansonsten teile ich den Eindruck, dass das Album ein bisschen doschenanner ist. Vor as gefällt mir aber ganz gut, ist melancholisch, geht aber gut vorwärts!
Armin
2024-11-06 20:07:00- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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