Iotunn - Kinship

Metal Blade / Sony
VÖ: 25.10.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Andächtiges Donnern

Als im Jahr 2021 "Access all worlds" erschien, das Debütalbum der dänisch-färingischen Death-Metal-Truppe Iotunn, sprachen wir von Bands, die zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren und deshalb den Durchbruch schaffen konnten. Bewusst außen vor blieb dabei der Verweis auf die seinerzeit noch grassierende Pandemie, doch in der Rückschau darf jeder gerne noch einmal darüber sinnieren, ob eine solche Platte in dieser Zeit mutig, riskant oder gleich komplett bekloppt war. Unbestritten ist jedoch, dass "Access all worlds" ein mächtiges musikalisches Ausrufezeichen war, welches die Ketten des Death Metal direkt sprengte und Fans wie Kritiker begeistern konnte. Nur die Bühne, die blieb weitestgehend unerreichbar. Aus genannten Gründen.

Man könnte jetzt also "Kinship" als weiteres Debüt betrachten, als erste Platte, die unter regulären Umständen erscheinen konnte. Man könnte auch die erste eher konventionelle Single "Mistland", die bereits im Sommer 2023 erschien, als vermeintlichen Indikator für den zukünftigen Bandsound betrachten. Um dann – nach kurz hochgezogener Augenbraue ob des Wagemuts, einen fast 14 Minuten langen Brocken als Opener zu platzieren – nach eben jener Ouvertüre mit fassungslos aufgerissenen Augen dazusitzen und sich zu fragen, was denn bitte hier eben gerade passiert ist. Langsam, geradezu zerbrechlich, nur von einer dezenten akustischen Gitarre begleitet, singt Jón Aldará die ersten Zeilen, wird nach zwei Minuten immer epischer, um irgendwann von einem donnernden Riff mitgerissen zu werden. Und wenn man meint, die Spannung könnte sich endlich lösen, baut sie sich wie zum Hohn immer weiter auf, bis sich endlich die Emotion Bahn bricht. Man nehme die spröde Atmosphäre von Borknagar, die progressive Musikalität von Opeth, und so allmählich nähert man sich diesem unfassbaren Monolithen an. Und wir reden hier immer noch nur über den Opener.

Plötzlich ergibt dann auch "Mistfall" Sinn, fügt sich im Anschluss perfekt ein und bildet quasi die Brücke zum hemmungslos rasenden "Twilight", das jedoch wie zum Hohn nicht etwa mit wütenden Growls ausrastet, sondern von Jón Aldarás wunderbarem Klargesang über die Riffwände gehoben wird. Dafür brauchen die weiß Gott großartigen Borknagar drei Sänger. Plötzlich der nächste Bruch. Kalt wabern langgezogene Gitarrensounds, einsam singt der Frontmann von den Färöern gegen die Dunkelheit von "I feel the night" an. Wer hier Anspielungen auf Sólstafir vermutet, liegt nicht völlig daneben, auch wenn die Isländer weniger auf wuchtige Doublebass denn auf rauhe Black-Metal-Eruptionen setzen.

Jetzt könnte man damit beginnen, das Haar in der Suppe zu suchen. Zum Beispiel, dass der Death Metal der Anfangsjahre nur noch höchst sporadisch vorkommt. Und es mag sein, dass sich bei 68 Minuten die ein oder andere Länge einschleicht, vor allem in der zweiten Hälfte hin und wieder mal eine Passage bekannt vorkommt. Aber vergessen wir bitte nicht, dass unzählige Bands für diese Kreativität, diese Spielfreude, diese Epik töten würden – wer ist denn bitte so irre und legt wie in "The coming end" Blastbeasts über einen Dreivierteltakt? Das abschließende "The anguished ethereal" bietet zwar nicht diesen absurden Spannungsbogen des Openers, bildet aber durch getragene Passagen, die jedoch immer wieder durch wüste Eruptionen zerrissen werden, ein Grand Finale, wie es im Buche steht und somit eine wunderbare Klammer. Fadet langsam aus und verschwindet in der Dunkelheit. Was bleibt, ist andächtiges Schweigen.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kinship elegiac
  • Twilight
  • The anguished ethereal

Tracklist

  1. Kinship elegiac
  2. Mistland
  3. Twilight
  4. I feel the night
  5. The coming end
  6. Iridescent way
  7. Earth to sky
  8. The anguished ethereal
Gesamtspielzeit: 68:32 min

Im Forum kommentieren

Hierkannmanparken

2024-11-08 10:40:57

Der Mittelteil von The Coming End ist echt gewaltig. Richtig schön

Neytiri

2024-11-06 23:10:40

Neben "Songs of a Lost World" das Album des bisherigen Jahres.

Hierkannmanparken

2024-11-06 20:11:39

Ich mag eigentlich weder melodischen noch epischen Metal, aber das sagt mir echt zu. Vor allem der Sänger ist unheimlich vielseitig und klingt manchmal nach Troy Sanders.

Armin

2024-11-06 20:06:22- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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