Flower Face - Girl Prometheus

Nettwerk
VÖ: 01.11.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Loslassen lernen

Das mit dem Veröffentlichen von Musik ist so eine Sache. Manchmal liegen zwischen dem Schreiben, dem Aufnehmen, dem Mixen und dem eigentlichen Release nur Tage, manchmal aber eben auch Jahre. Und da geht es einem emotional eventuell schon wieder ganz anders, als die Musik vermuten lassen könnte. So postete die kanadische Sängerin Ruby McKinnon aka Flower Face kurz vor der Veröffentlichung ihres Albums "Girl Prometheus" meme-artig und fast präventiv rechtfertigend: "Me releasing the most devastating heartbreak album of all time when I'm actually really happy and in love right now." Denn tatsächlich sind die elf Songs durchzogen von starken Schmerzen, Wut und Frustration.

Schon der Opener "Biblical love" kommt wie ein Letter of Intent daher. Da wird erst einmal wie Kleingedrucktes ganz vorsichtig über zarte Töne gewispert, bevor McKinnon die Bombe platzen lässt: "But it feels like I'm climbing fucking mountains to get to you." Dann brechen alle Instrumente wie eine Lawine den Hang hinunter und der Sarkasmus hält Einzug: "God, you're so tortured I just love that about you." Goth-Folk nennen manche das, weil neben Gitarre und Klavier auf "Girl Prometheus" auch sehr viele Strings vorkommen, die von Flower Face sorgfältig vorgeschrieben und dann von einem Quartett in nur wenigen Stunden eingespielt wurden. Zum Beispiel auch im ebenfalls großartigen "Cat's cradle", das sich ordentlich delulu in Tagträumen verliert und sich bei den Gedanken sogar anfasst: "Oh no, you don't know my name / But I would die for you."

Deutlich weniger verliebt zeigt sich McKinnon in "Maniac", das zwar auch wieder eine niedliche Gitarrenmelodie und gehauchten Gesang ins Ohr tröpfeln lässt, das Messer hinterm Rücken aber schon gezückt hat und offen zugibt, dass es dem Ex kein Glück wünscht: "And God, I'm so tired / And you're still a liar / After years of therapy." Und "Eternal sunshine" geht sogar noch ein Stück weiter, lässt die Drums über zwei Minuten nicht reinkommen, aber wenn sie dann in den Raum stratzen, wird auch der Gesang mit mehreren Spuren breiter und Flower Face würde sich lieber die Arme abschneiden, als sie noch einmal nach dem Lover auszustrecken. Die sind sowieso besser dafür geeignet, effektvoll in die E-Gitarrensaiten zu greifen. Ein bisschen elektronischer macht es "Pushing daisies", das sich selbst "trapped in a static electrical loop" wiederfindet und die hohen Pianotasten so vorsichtig drückt, als würde eine Katze langsam übers Klavier laufen, dann aber abbiegt und Art-Pop mit Agententhriller-Vibe anstimmt – und zwar erfolgreich.

"Girl Prometheus" geht in seiner Verletzung durch alle Phasen des Trennungsschmerzes. Besonders weh tut die Klavierballade "Squirrel Cinderella", die sich mit Freundinnen in Drogen flüchtet, die aber längst nicht mehr wirken, und auch die Dirty Pictures vom Ex kamen schon ewig nicht mehr. Der Tiefpunkt sieht düster aus: "Someday we might laugh about this, Baby / Right now it just makes me wanna cry / You're already thinking about Christmas / I just wanna make it through July." Kein Wunder also, dass McKinnon bei Social Media quasi den Disclaimer gepostet hat, bevor sich jemand Sorgen macht. Aber immerhin das abschließende "If I beg you" schließt endgültig ab. Erst baut es sich dem Opener ähnlich ruhig auf, platzt dann mit einem Refrain der großen Geste rein, aber atmet zum Schluss ganz tief durch und winkt zum Abschied noch einmal vorsichtig: "Is this a worthy goodbye? / You drained the sun from my sky / To light up the halo above you / Well, God help the next girl that loves you."

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Biblical love
  • Cat's cradle
  • Squirrel Cinderella
  • If I beg you

Tracklist

  1. Biblical love
  2. Cat's cradle
  3. Maniac
  4. Valentine
  5. Eternal sunshine
  6. Ides of March
  7. Cordelia
  8. Squirrel Cinderella
  9. Skeleton key
  10. Pushing daisies
  11. If I beg you
Gesamtspielzeit: 40:33 min

Im Forum kommentieren

myx

2024-11-08 18:21:54

Aber schön mau. :) Ich könnte mir bei den Songs, die mir so sehr gefallen, keine andere wünschen.

Klaus

2024-11-08 15:06:16

Höre es gerade und das ist genau die Art an Theatralik und Schönklang, die ich gerade brauche, auch wenn die Stimme eher mau ist.

myx

2024-11-07 20:58:40

Jetzt bis zum Ende gehört. Ich bin absoluter Fan der ersten vier Songs, danach geht das Album gut weiter, mein Gefallen schwächt sich aber schon etwas ab. Stimme und Lyrics finde ich durchwegs toll.

Arne L.

2024-11-06 20:52:29

“Cat’s cradle” ist auch bei mir der Song, zu dem ich am ehesten zurückkehre, aber dann höre ich da dann auch öfters mal das Album weiter.

myx

2024-11-06 20:20:07

Ich bin ja ziemlich verschossen in "Cat's cradle" und werde gerne nochmals einen Albumversuch starten. Hatte beim ersten Antesten das vielleicht vorschnelle Gefühl, dass die Songs etwas zu gleichförmig klingen. Danke jedenfalls für die Rezension!

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