Julie - My anti-aircraft friend

Atlantic / Warner
VÖ: 13.09.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Gebraucht, gut

Kurz-Bio in 140 Zeichen: Die Kalifornier*innen Julie sind der neuste Hype im Gen-Z-Nineties-Revival und machen also auch Musik, die eigentlich älter ist als sie selbst. Schauen wir uns das im Folgenden einmal genauer an: Zerfledderte Thrift-Store-Outfits? Check. Frau am Bass? Check. Eine Irgendwie-Manga-Ästhetik in den Artworks? Check. Gute Songs? Gottseidank auch! Das Debüt "My anti-aircraft friend" hat nicht nur einen sperrigen Titel, sondern zeigt außerdem, dass Julie mehr auf dem Kasten haben als bloß die Vorlage für solch ein Hipster-Zoomergaze-Bingo zu liefern. Das Power-Trio platziert sich recht mittig im Spannungsfeld von introvertiertem Shoegaze und knalligem Grunge – zwar mit ordentlich Geschredder, aber gleichzeitig in der niedlichen Indie-Darling-Variante. Zumeist fußen die Songs auf Alexandria Elizabeths lakonischem Bassspiel, über welchem Keyan Pourzand seine Bratgitarre entfesselt, während Dillon Lee dahinter wie ein achtarmiger Kraken alles im Zaum hält. Feinschliff oder allzu komplexe Songstrukturen würden bloß stören.

So catchy wie in der ersten Single "Catalogue" geht es allerdings selten zu. Elizabeths Twee-Pop-Vocals umgarnen hier die grobe Musik, auch die ansonsten eher sparsam eingesetzten Emo-Spitzen sitzen wie angegossen – fertig ist ein kleiner Hit. Brachialer macht sich die Band im allein vom Getöse und Pourzands verträumtem Gemurmel getragenen "Tenebrist" ans Werk, das ebenso nah an Nirvana wie an Deftones herankommt. Auch in "Knob" übernimmt der Gitarrist das Zepter und schaltet zwischen Schlafzimmer-Dreampop und Noise-Anfällen hin und her. Die "Zero"-Shirts, mit denen die Bandmitglieder hin und wieder gesichtet werden, scheinen nicht zufällig ausgewählt.

Wenn sie sich nicht brav abwechseln, sondern wie in "Clairbourne practice" auf zweistimmigen Boy-meets-Girl-Gesang setzen, entfalten Julie sogar noch ganz andere Kräfte und sorgen für die besten Momente des Albums. Besagter Track geht fröhlich auf die Mütze und jagt ein grimmiges Laut-Leise-Riff durch die Gegend – schneller als hier werden die Musiker*innen nie. Auch in "Very little effort" und "Thread, stitch" geht diese Formel auf, Letzterer erzeugt darüber hinaus eine gewisse, eher unerwartete Eingängigkeit. Die staubtrockene, aber druckvolle Produktion trägt derweil maßgeblich zum Gelingen der Angelegenheit bei – originalgetreuer lassen sich die Neunziger möglicherweise kaum nachbauen.

In "Feminine adornments" beschwört Elizabeth die ungefährlicheren Kim-Gordon-Momente bei Sonic Youth, bevor Pourzand in "I'll cook my own meals" und – Achtung, Songtitel-Joke – "Piano instrumental" das Gleiche mit dem guten alten Kurt anstrebt, aber noch eine Extraschippe Slacker-Pose drauflegt. Die aufkommende Gemütlichkeit dauert gewiss immer nur so lang, bis Julie beschließen, sie wieder mit zielgerichteten Krachattacken zu unterbinden. Trotz ihrer offensichtlichen Referenzen hat die blutjunge Band ein zu eigenständiges Profil, um als reine Kopie abgehakt zu werden, noch dazu geht sie äußerst präzise zur Sache. Die visuellen Vibes und die generelle Ästhetik spielen jedoch ebenso große Rollen wie der Sound und die Songs. Nicht aus Nostalgiegründen, sondern schlicht als modebewusste Stilfrage: Die Neunziger sind mittlerweile eben einfach voll vintage.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Catalogue
  • Clairbourne practice
  • Thread, stitch
  • Feminine adornments

Tracklist

  1. Catalogue
  2. Tenebrist
  3. Very little effort
  4. Clairbourne practice
  5. Knob
  6. Thread, stitch
  7. Feminine adornments
  8. I'll cook my own meals
  9. Piano instrumental
  10. Stuck in a car with angels
Gesamtspielzeit: 39:16 min

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Armin

2024-10-30 21:05:47- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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