Underworld - Strawberry hotel
PIAS / Rough TradeVÖ: 25.10.2024
Den Knopf verdreht
Die Platte und der Spieler und es dreht sich und dreht sich, wenn der Hund daneben liegt, weiß man es nicht, aber schau doch mal raus, der Himmel ist blau, zumindest meistens, und sie ist das Tante-Emma-Mädchen und sie dreht sich und dreht sich, Piercing in der Nase, Wirsing in der Hand und all das ist ganz bestimmt wieder nicht so, wie es eigentlich wäre.
Äh, ja. So würde es klingen, wenn ich meine Rezensionen genauso schreiben würde wie Karl Hyde seine Texte für Underworld. Manchmal hat man den Eindruck, er würde sich 20 zufällige Wörter aus dem Oxford Dictionary raussuchen, die er dann assoziativ verbindet. "Sleeping girl / Kiss the animal / Telephone the animal / Tomorrow the animal will take me to the moon / Moon in the water / Water in the waiting room." Das habe ich mir nun tatsächlich nicht ausgedacht, so beginnen die offiziellen Lyrics zu "Denver luna", einem astreinen Underworld-Track, wie er im Buche steht und nach seinem Single-Release in 2023 nun auch auf dem elften Album "Strawberry hotel" zu finden ist. Aber mal ehrlich: Tiefsinnige Gedanken würden sowieso nur beim Raven stören. Ruft hier jemand "Lager"? Eben. Deshalb lässt die herrlich euphorische kurze Sause "Techno Shinkansen" die Vocals gleich ganz weg und stattdessen den "Born slippy .nuxx"-Gedächtnis-Synth sprechen. Deshalb ist Hydes Stream of Consciousness im schnell sprudelnden "King of Haarlem" noch schwerer zu folgen als anderswo. Und überhaupt sind Hyde und Rick Smith positiver gestimmt als die letzten Jahre. "You are beautiful", singt Hyde im reduzierten Opener "Black poppies" bereits. Hier sind überall Herzchen in den Augen.
Das ausufernde Projekt "Drift series 1" zeigte das Duo wieder in bester Form, wurde aber leider nicht mit weiteren Staffeln bedacht. Vermutlich war der Druck, stetig Neues zu liefern, auf Dauer zu viel und so blieb es in der Zwischenzeit bei vereinzelten Singles, von denen neben "Denver luna" noch "And the colour red" auf dem Album gelandet ist – der einzige Track hier, der mit hartem Beat und Vocoder-Vocals die frostige Seite Underworlds abbildet. Überhaupt deckt "Strawberry hotel" so ziemlich alles ab, was man mit Hyde und Smith verbindet, schafft aber gleichzeitig erneut ein gut zusammenhängendes Ganzes – vor allem, wenn in der Albummitte die Songs flüssig ineinander übergehen und später mit "Denver luna (Acappella)" und "Oh thorn!" Rückgriffe auf vorangegangene Tracks platziert sind. Besondere Energie versprüht das Doppel aus "Lewis in Pomona" und "Hilo sky". Mit "I've got the wind on my skin and it feels good" gibt Hyde quasi den Leitsatz vor, der für die folgenden rund zehn Minuten nicht losgelassen wird. "Follow the lines to the sun." Yeah!
"Strawberry hotel" ist also mit heller Grundstimmung eingefärbt, bewegt sich allerdings sonst auf bewährten Pfaden. Der allzu geradlinige EDM-Flirt von "Barking" liegt in der Vergangenheit, bei diesen 15 Tracks wechseln sich kunstvolle Interludes mit nach vorne preschenden Tanzflächenfüllern ab – praktisch wie immer. Vielleicht mag man diese Überraschungsarmut ankritteln, vielleicht bemerken, dass der Platte im Gesamtergebnis ein paar Minuten weniger Spielzeit gutgetan hätten, etwa beim doch etwas länglichen Spoken-Word-Dingens "Ottavia" samt weiblicher Gastbegleitung oder im Schluss nach dem ausladenden, sehr schön funkelnden "Gene pool". Doch auf "Strawberry hotel" stört letztlich nichts, stattdessen liefern die beiden Briten mit frischer Energie ein paar neue Kandidaten für die Best-Of-Playlist. Das elektronische Genre existiert schon lang genug, um seine eigenen Elder Statesmen zu haben. Und diese hier denken bei weitem noch nicht daran, ihre Chips zum Altmetall geben.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Denver luna
- Techno Shinkansen
- Lewis in Pomona
- Hilo sky
Tracklist
- Black poppies
- Denver luna
- Techno Shinkansen
- And the colour red
- Sweet lands experience
- Lewis in Pomona
- Hilo sky
- Burst of laughter
- King of Haarlem
- Ottavia
- Denver luna (Acappella)
- Gene pool
- Oh thorn!
- Iron bones
- Stick man test
Im Forum kommentieren
peter73
2024-11-13 07:53:54
top 5:
Beaucoup Fish
Second Toughest in the Infants
Dubnobasswithmyheadman
Drift Series 1
A Hundred Days Off
und bei den Highlights des neuen Albums vergessen:
Hilo Sky *love*
Felix H
2024-11-08 13:01:58
Es ist ja auch so viel Essentielles nicht auf den Alben erschienen. "Rez", "Spikee", "Dark & Long (Dark Train)", die komplett anderen "Pearl's Girl"-Single-Versionen, "Born Slippy .NUXX", "8 Ball"...
NeoMath
2024-11-07 17:38:00
Ok wenn die Drift dazu soll, wäre sie bei mir auf Platz 5 :-)
Felix H
2024-11-07 17:26:20
Ja, bei "Drift" war fast alles sehr gut, wobei der Sampler schon einen guten Job macht, Highlights und verschiedene Stile zusammenzufassen und einen runden Albumfluss hinzuzaubern. Den würde ich schon als Album daher zählen, auch wenn die EPs & Bonustracks ebenso dazugehören.
Bei mir:
1. Second Toughest in the Infants
2. Beaucoup Fish
3. Dubnobasswithmyheadman
4. Drift Series 1 (Sampler Edition)
5. Barbara, Barbara, We Face a Shining Future
6. Strawberry Hotel
7. A Hundred Days Off
8. Oblivion With Bells
9. Barking
10. Change the Weather
11. Underneath the Radar
Zwischen 1-3 alles sehr knapp, ebenso 4-8. Der Stilwechsel von "Barking" war nicht so meins und über den frühen Synthpop sind sich wohl alle einig. ;-)
NeoMath
2024-11-07 16:20:56
Ja, die Drift ist in der Tat sehr klasse. Hier bevorzuge ich dann allerdings gleich die komplette Serie.
Diese EP-Serie meinte ich tatsächlich nicht mit "die letzten beiden", sondern die regulären Alben (Barbara... und Barking), da hab ich mich wohl etwas ungenau ausgedrückt.
Gleich mal meine Underworld Top 5 raushauen:
1. Second Toughest In The Infants
2. Oblivion With Bells
3. Dubnobasswithmyheadman
4. Beaucoup Fish
5. Strawberry Hotel
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