Public Service Broadcasting - The last flight

So / Silva Screen / Rough Trade
VÖ: 04.10.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Der Traum vom Fliegen

Running Gags sind ja so eine Sache. Erst sind sie zunehmend lustig, jedenfalls für Insider. Irgendwann kippt der Spaß jedoch, dann sollte der laufende Witz beerdigt werden. Darum haben wir von Plattentests.de beschlossen, unserem geschätzten Forum die "Höhö, alle Kritiker lieben Public Service Broadcasting, nur ihr besprecht die natürlich wieder nicht"-Keule wegzunehmen. Und somit folgt hier endlich eine Rezension zu dieser Band. Aber natürlich auch, weil Public Service Broadcasting das längst verdient haben.

Doch weil es die erste Rezension ist, muss erst einmal eine Einordnung her. Das Londoner Quartett, dem neben Mastermind J. Willgoose Esq. noch die Herrschaften Wrigglesworth, JF Abraham und Mr. B angehören und dessen Einstellungsvoraussetzungen neben ulkigen Künstlernamen Multiinstrumentalität und Multitaskingfähigkeiten waren, feiert in diesem Jahr 15-Jähriges und hat in der Tat bereits vier durchweg beachtenswerte Alben aufgenommen. Platten, die stets ein Konzept verfolgen und sich um historische Begebenheiten drehen. Das Debüt "Inform – educate – entertain" umfasste dabei vom Spitfire-Flugzeug bis zur Besteigung des Mount Everest noch Verschiedenes. Danach wurde es monothematischer: "The race for space" handelte vom Weltraumwettrennen zwischen den USA und der Sowjetunion, "Every valley" beschäftigte sich mit der Geschichte der walisischen Minenarbeiter, und "Bright magic" war eine Hommage an das schillernde Berlin, zwischen Metropolis, Bowie und frühen Depeche Mode.

Und nun geht es eben ums Fliegen. Genauer: um die berühmte Flugpionierin Amelia Earhart, der somit die seltene Ehre zuteil wird, innerhalb weniger Wochen gleich zwei Alben gewidmet zu bekommen. Erst "Amelia" von einer anderen Pionierin, Laurie Anderson, und jetzt "The last flight". Earhart lernte mit Anfang 20 das Fliegen, stellte einen Höhenflugrekord für Frauen auf, war die erste Frau, die erst als Passagierin und später als Pilotin den Atlantik überflog und brach mit 39 Jahren zu ihrem größten und leider letzten Abenteuer auf: der ersten Äquatorumrundung mit einem Flugzeug. Es fehlte nicht viel, und sie hätte es mit ihrer Lockheed Model 10-E Electra geschafft. Doch am 2. Juli 1937 verschwand die Maschine auf dem Weg zum Zwischenstopp auf der Pazifikinsel Howland spurlos.

Diesem letzten Flug, aber auch dem Leben Earharts, haben Public Service Broadcasting nun dieses Album gewidmet. Mit ihrer ganz eigenen Mischung aus Samples, Elektronik, abwechslungsreicher Percussion und postrockigen Gitarren. Während sich Willgoose bisher meist an thematisch verfügbaren Samples – oft aus dem riesigen Fundus des British Film Institutes – bedienen konnte, war dieses Mal nichts klanglich Adäquates verfügbar, sodass die Herangehensweise geändert wurde. Die Dialogfetzen, die zur packenden Atmosphäre beitragen, wurden von Schauspielern eingesprochen und dann so manipuliert, dass sie wie "aus der Zeit" klingen. Was gerade in der Mitte des Albums einen mitreißenden Flow ergibt, in dem man sich zwischen den Highlights "Electra", "Arabian flight" und "Monsoons" fast wie direkt am Abenteuer beteiligt fühlt.

Darüber hinaus gibt es auch wieder mehrere Songs mit Gästen am Mikrofon. Während das dringliche "The fun of it" mit Andreya Casablanca von Gurr, die bereits beim letzten Album beteiligt war, ebenfalls zu den Höhepunkten zu zählen ist, halten sich die Stücke mit Eera und This Is The Kit mit ihrem folkigen Ansatz eher zurück. Das macht aber nichts, denn dieser Flug ist ein Trip, der im Ganzen genossen werden will, vom verträumten Beginn bis zum ambient über fast neun Minuten herabschwebenden Finale. Ein würdiges Denkmal.

(Thomas Bästlein)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Electra
  • Arabian flight
  • Monsoons

Tracklist

  1. I was always dreaming
  2. Towards the dawn
  3. The fun of it (feat. Andreya Casablanca
  4. The South Atlantic (feat. This Is The Kit)
  5. Electra
  6. Arabian flight
  7. Monsoons (feat. Eera)
  8. A different kind of love
  9. Howland
Gesamtspielzeit: 39:24 min

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