Amyl & The Sniffers - Cartoon darkness
Rough Trade / Beggars / IndigoVÖ: 25.10.2024
Heads will roll
Im Comedy-Horror-Klamauk "Studio 666" nehmen Dave Grohl und seine Foo-Fighters-Kollegen ein Album in einem bespukten Anwesen auf und treffen auf allerlei dämonisches Gräuel. Grohls echtes Studio 606 musste sich zumindest für einen gewissen Zeitraum in der ersten Hälfte der 2020er keine Sorgen um Heimsuchungen machen: Wenn Amyl & The Sniffers anwesend sind und Amy Taylor durch die Kabinen derwischt, dürfte jeder Geist angsterfüllt die durchsichtigen Beine in die Hand nehmen. Die Präsenz der hochenergetischen, kein Blatt vor den Mund nehmenden Frontfrau ist der entscheidende Grund dafür, warum der australischen Band ein hervorragender Live-Ruf vorauseilt – und warum sie sich vom Melbourner Geheimtipp zu einer weltweit goutierten Referenz im modernen Female-Fronted-Punkrock entwickeln konnten. Ihre dritte Platte setzt den Weg von "Comfort to me" fort, wie es in solchen Fällen meistens ist: mehr Tempovariation, mehr stilistische Seitenpfade, mehr Pop, alles natürlich nur in Relation zum früheren Werk. Doch wer denkt, "Cartoon darkness" habe Amyl & The Sniffers allen Biss entzogen, muss nur ein paar Sekunden auf die erste Backpfeife warten.
"You're a dumb cunt / You're an asshole / Everytime you talk, mumble, grumble / Need to wipe your mouth 'cause it's an asshole." Die Eröffnungs-Dreckschleuder "Jerkin'" macht gleich in den ersten Zeilen keine Gefangenen und zündet mit ihren Starkstrom-Riffs den Club schon an, während die halbe Crowd noch an der Theke steht. Dass der Vierer direkt im Anschluss einen Gang runterfährt, irritiert nur bis zur Realisation, dass "Chewing gum" mit seinen Ansätzen einer Refrain-Melodie und finalem Zuckerschock-Solo ebenfalls viel Spaß macht. Generell bringen Amyl & The Sniffers auch die weniger aufgedrehten Momente zum Knistern. "Big dreams" erzählt davon, wie Jugendträume an der grauen Wirklichkeit zerplatzen, und kommt dabei einer Ballade am nächsten – dem Selbstverständnis der Band entsprechend aber natürlich im Stadionformat, wie spätestens das Classic-Rock-Crescendo am Ende klarmacht. Der Grund, warum man ein Album wie "Cartoon darkness" anmacht, liegt jedoch trotz aller Klasse nicht bei solchen Verschnaufern, sondern findet sich bei Tracks wie dem "Motorbike song", der mit herrlich freidrehenden Gitarren und selbstbesungenem "Hyperspeed" den Highway runterknallt.
Taylor hält dabei in allen Geschwindigkeiten die Intensität hoch, ob sie mit Mädchenstimme ihren "Tiny bikini" feiert oder dem Publikum die Shouts von "Doing in me head" ins Gesicht spuckt. Am weitesten aus der Komfortzone wagt sich das bereits früh ausgekoppelte "U should not be doing that", das mit einem Glam-nahen Groove samt schlängelnden Bass brilliert, ehe ein wildgewordenes Saxofon über die Bühne purzelt, als wäre es nie woanders gewesen. Dass Amyl & The Sniffers einen solchen Songtitel nur ironisch meinen können, beweist nicht zuletzt das direkt danach platzierte "Do it do it", das mit einer Extraladung Power unterstreicht, dass man was auch immer unbedingt und ohne Zweifel tun, tun soll. Nach standesgemäß gut 33 Minuten setzt "Me and the girls" den Deckel drauf, indem es einen Maultrommel-ähnlichen Sound mit gerappten Strophen und Roboterstimmen koppelt. Die Zahl der gegebenen Ficks bleibt bei Amyl & The Sniffers auf null und Köpfe rollen auch ohne übernatürliche Einwirkung.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Jerkin'
- Motorbike song
- U should not be doing that
- Do it do it
Tracklist
- Jerkin'
- Chewing gum
- Tiny bikini
- Big dreams
- It's mine
- Motorbike song
- Doing in me head
- Pigs
- Bailing on me
- U should not be doing that
- Do it do it
- Going somewhere
- Me and the girls
Referenzen
Spotify
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