Geordie Greep - The new sound
Rough Trade / Beggars / IndigoVÖ: 04.10.2024
Kurze Interviews mit fiesen Männern
Kompromissbereitschaft wird überbewertet. Findet jedenfalls Geordie Greep: Der Ex-Frontmann der unlängst aufgelösten Black Midi ist der Ansicht, man sei in einer Band zwangsläufig eingeengt und solle etwas Neues ausprobieren, ehe es langweilig wird. Ziemlich starker Tobak, obige Begriffe mit dem Trio in Verbindung zu bringen, dessen kompromissloses, zutiefst unlangweiliges Virtuoso-Chaos aus Noise-Rock, Jazz-Komplexität, etwas Post-Punk und purem Wahnsinn die Dinge alles andere als eng sah. Dennoch könnte "Holy, holy", der Vorabtrack zu Greeps erstem Longplayer "The new sound", auch der gestriegelte Bruder des zerlumpten "John L" aus "Cavalcade" sein: Streicher und Gitarren schwirren rasant, tollkühne Richtungswechsel und Luxus-Chöre an allen Ecken, ein Piano perlt preziös, kaum hinterhältige Breaks. Jetzt schon Single des Jahres?
Einen Hit im kommerziellen Sinne kann Greep jedoch vermutlich vergessen. Kein Wunder, wenn der Mann aus Walthamstow Zeilen wie "When I tell you your pussy is holy / I want you to slap me and then kiss me" oder "I want you to make me look taller / Can you kneel down all the time?" vom Stapel lässt. Da können selbst Jarvis Cocker und Pulp mit dem schweinigelnden "This is hardcore" oder Fantasien wie "Selling pictures of herself to German businessmen" einpacken. Wahrscheinlich haben die aber ohnehin längst das Weite gesucht, nachdem der brillant hochfahrende, Math-rockige Opener "Blues" breitmäulig "You have a bigger dick than everyone who's ever lived / And you can cum more than a hundred stallions" deklamierte. Schließlich fragte schon Eric Idle einst süffisant: "Isn't it frightfully good to have a dong?" Nein, ist es nicht. Zumindest nicht auf "The new sound".
Die meisten Songs entstanden nämlich nach angetüterten Bar-Gesprächen mit, sagen wir, sexuell obsessiven Herren. Und was die mit ihrer Männlichkeit und den gleichfalls abgefüllten Damen alles so anstellen, möchte man lieber gar nicht wissen. Greep haut's uns trotzdem um die Ohren – mit wortreicher, zitierfreudiger Präzision und sardonischem Hähähä, das aber immer Platz für einen gütigen Blick auf die getriebenen armen Teufel lässt. Dabei reicht die fulminant freidrehende musikalische Vielfalt von Fusion über Monster-Riffs und orchestralen Bombast bis hin zu schmierigem Vaudeville. Und wenn der Brite samt circa 30 Mitmusikern an Percussion, Spinett, funky Bässen und bald auslaufenden Bläser-Batterien mal richtig ausspannen will, sitzen auch die flitzfingrige Jam-Session im Titelstück oder das wie improvisiert wirkende "Bongo season" drin.
Anstrengendes Muckertum? Bisweilen ja. Doch Greep hat auf "The new sound" vor allem ein Händchen für große Pop-Gesten und wirre Musicals wie die Anmach-Arie "Through a war", die kurz sogar Sex mit Toten für eine gute Idee hält. "Walk up" hingegen besäuft sich an einem kickenden Basslauf, gipfelt in dichtem Getöse und leistet sich ein tolldreist deplatziertes Country-Outro mit Axtmörder-Stimme. Grandios. Gilt ebenso für das Post-Hardcore-Finale von "Motorbike" – und im Grunde für das ganze Album, das nach einer Stunde Obszönität, Perversion und Prostitution mit Frank Sinatras "If you are but a dream" eine hinreißende Closer-Pointe bereithält. Bitter nötig, denkt auch das ferkelige Zehn-Minuten Drama "The magician". Wo spritzen eigentlich Sie am liebsten hin? Also mit dem Hochdruckreiniger beim Autowaschen? Geordie Greep würd's interessieren.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Blues
- Holy, holy
- Walk up
- Motorbike
Tracklist
- Blues
- Terra
- Holy, holy
- The new sound
- Walk up
- Through a war
- Bongo season
- Motorbike
- What if waltz
- The magician
- If you are but a dream
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2024-12-30 19:58:44
Wenn ich mal in der richtigen Stimmung bin, dann ist das Album schon ne große Show. Allerdings bin ich selten in der richtigen Stimmung. Ich glaub an Black Midi wird es für mich nicht rankommen, dafür fehlt mir etwas Chaos und auch Lärm. Aber beeindruckend ist das allemal. 8/10
Hierkannmanparken
2024-12-07 15:12:31
To form a moshpit at one of your concerts
Have you patronize the crowd
Make them feel primitive and small
Still go through with it and live in shame
How much would that cost?
Deaf
2024-12-07 14:58:44
Hört sich gut an, freue mich, ihn am Dienstag zu sehen.
joseon
2024-12-07 14:14:51
Berlin war super, ging aber "nur" 90 Minuten, daher hielten sich die Jam Passagen in Grenzen bzw. kamen immer schön knackig auf den Punkt. Um 21:40 schaute Greep mal auf die Uhr und meinte, sie hätten noch 50 Minuten, was ungefährt 3 Songs entspräche. Hihi. Bei "Blues" meinten ein paar eine Wall of Death vorbereiten zu müssen, was von Geordie aber kopfschüttelnd mit einem "some people just can't help it" beendet wurde. Am meisten ab ging es natürlich auch bei "Holy, Holy". Ich war positiv überrascht, wie textsicher die meisten doch waren. Und "The Magician" dann halt am Schluss, besser kann man ein Konzert nicht beenden. Alle Erwartungen erfüllt kann ich da nur sagen. Und so glücklich und ausgelassen habe ich Greep bei black midi Konzerten nie gesehen.
Lateralis84skleinerBruder
2024-12-04 14:31:59
Holy Holy ist schon ein kleiner Hit und mein krassester Ohrwurm des Jahres
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- Geordie Greep - The New Sound (73 Beiträge / Letzter am 30.12.2024 - 19:58 Uhr)