Chat Pile - Cool world

The Flenser / Cargo
VÖ: 11.10.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

America the brutal

Wirklich verbessert haben sich die Aussichten nicht in den letzten zwei Jahren, tief drinnen im Hinterland der USA. Schon Chat Piles Debüt "God's country" trug den Titel eher voller Zynismus, in der "Cool world" ist es nicht anders. Sie machen also dort weiter, wo sie aufgehört haben. Sogar das große, trostlose Kreuz auf dem Cover, vermutlich im abgelegenen Teil des Staates Oklahoma, aus dem das Quartett stammt, verweist auf das Debüt, mit dem sie krachend den Untergang besangen.

Der "American Dream" wurde durch Furcht ersetzt, stellt die Band fest, und vertont in noch krasserer Form, welches Klima aus einer Angstgesellschaft im Land entstanden ist. Thematisch bleibt alles mindestens düster in Graustufen, wie bekannt. Was nun noch hinzukommt, ist der "World"-Aspekt: Die Desaster finden überall statt und werden von der amerikanischen Gesellschaft beeinflusst – im Gegenzug wirkt das, was draußen passiert, zurück ein. Chat Piles Übersetzung des Ganzen erfolgt in Form der fortgeschrittenen Spirale nach unten. Die Saiten von Bass und Gitarre maximal tief und auf Krach gestimmt oder getrimmt, blechern metallisch, dazu die kläffenden, beißenden Vocals von Raygun Busch.

Diese Wut, diese Wildheit, lange wurde sie nicht in einer solchen Konsequenz ausgespielt. Der frühe Sound von The Jesus Lizard kommt ins Gedächtnis oder die Abgefucktheit von EyeHateGod. Teils Noise, teils Sludge, teils Punk. Aufgrund des Titels turnt im Opener gedanklich auch Iggy Pop über die Bühne. Auch einige entfernte Indie-Rock-Akkorde finden sich auf "Cool world", etwa in "Shame", in welchem Busch zunächst seinen typischen Gesang zwischen Spoken-Word und Singsang vollführt, ehe sogar tiefe Growls einsetzen. Buschs Stimme vertont dieses Album in verschiedenen Varianten: mal betont desinteressiert, mal wütend, teils hart anklagend.

"Cool world" ist ein Album zum Verrücktwerden, eine Zustandsbeschreibung einer kaputten Welt – und genau so fertig klingt es auch. Wie im Zyklus aus "Camcorder" und "Tape", dessen Teile sich mit der Erschaffung und dem Konsum von Gewalt befassen oder dem Thema, dem sich "The new world" widmet, nämlich der mentalen Pein dieser ganzen Hoffnungslosigkeit. Das Famose dabei ist, wie es Chat Pile in all der Verwüstung dennoch schaffen, manchmal auf den Ruinen zu tanzen. Sei es in "Frownland", oder dem großartigen "Masc": Tief drinnen steckt eine Menge Groove in diesem Sound. Das braucht es auch, um sich nicht in der ganzen Kakophonie, der Gewalt, die Chat Pile hier dem Publikum zumuten, zu verlieren. So oder so verhagelt der Konsum dieser Platte alles an Stimmung, oder wie es Chat Pile selbst formulieren: "Cool world is about the price at which we eat sugar in America."

(Klaus Porst)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Frownland
  • The new world
  • Masc

Tracklist

  1. I am dog now
  2. Shame
  3. Frownland
  4. Funny man
  5. Camcorder
  6. Tape
  7. The new world
  8. Masc
  9. Milk of human kindness
  10. No way out
Gesamtspielzeit: 42:44 min

Im Forum kommentieren

Ochsensemmel

2025-09-22 22:51:06

Korrekt, war schon irre. Laberte dann irgendwas von Mr. Nobody (hab den Quatsch nicht gesehen, aber ich weiß, dass der Bahnhof in dem Film vorkommt). Das einige an was mich dazu erinnere. Abgesehen davon, der Sound ist so krass effektiv für die Live-Performance, Abriss ist also immer!

fakeboy

2025-09-22 22:45:36

Und die Anekdoten sind immer auf den Auftrittsort abgestimmt!

Ochsensemmel

2025-09-22 21:44:54

Auch hier: Klasse Live-Band.

In Leiptsch im UT gesehen. Bärenstark. Und der Dude am Mikro ist ein Gott verdammter Filmbuff. Es gibt glaube keinen Auftritt ohne seine Anekdoten. Das hat Stil. :)

fakeboy

2025-09-22 10:40:16

Und was so beeindruckend ist: sie schafft das, mit minimalem Equipment. Less is more!

Rig Rundown Chat Pile

fakeboy

2025-09-22 10:38:58

Die Band ist einfach so unglaublich grossartig. Und sie schafft es anscheinend egal auf welcher Bühne sie spielt, ihren Sound mit derselben Wucht und Durchschlagskraft zu reproduzieren.

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