PeterLicht - Alles klar

Tapete / Indigo
VÖ: 04.10.2024

Der alte Schlawiner

Meinrad Jungblut alias PeterLicht ist mindestens ein Fuchs, wenn nicht gar ein Schlawiner. Denn immer, wenn man denkt, dass man ihn oder seine Tricks durchschaut hat, blinkt er rechts und biegt grinsend links ab – oder vollzieht sogar einen unerwarteten U-Turn. Das beständige und lustvolle Oszillieren zwischen Tiefgang, grobem Unfug und authentisch erscheinender Melancholie hat kaum jemand in der deutschen Musik so perfektioniert wie der Kölner Schriftsteller und Musiker. Das funktioniert manchmal grandios wie auf den Alben "Melancholie und Gesellschaft" oder "Lieder vom Ende des Kapitalismus" – manchmal geht's oder ging's aber auch daneben.

Es gibt gute Nachrichten: Mit "Alles klar" hat PeterLicht nicht nur zu alter Stärke zurückgefunden, er wagt hier und da auch musikalisch neue Wege, mit denen nicht unbedingt zu rechnen war. Los geht es aber erst mal mit einer kleinen Diskurs-Übung: So kommt der Opener "Wir schulden Euch nichts" als unverstellte Kritik am Kapitalismus und seinen machtgeilen Unternehmens- und Staatenlenkern daher, und zwar aus Sicht der jungen Generation. Zu ätherischen Klaviertönen heißt es: "Wir schulden Euch nichts / Wir schulden Euch nichts / Aber Ihr schuldet uns die Welt / Gebt sie uns wieder!" – ganz am Schluss sogar unterstützt von einem Kinderchor. Wer jetzt aber mutmaßt, dass PeterLicht nur in politisch vorhersehbaren Gut-Böse-Kategorien denkt, hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht: Denn gleich der nächste Track handelt von Klimaklebern – und wirkt zunächst einmal recht despektierlich, denn PeterLicht scheint ihnen ein allzu einfaches Weltbild vorzuwerfen. Ob die Zeilen "Deine Gedanken sind so schön klar / Und der Kleber ist so schön klar" jedoch am Ende eher eine spöttische oder vielleicht sogar respektvolle Grundhaltung zum Ausdruck bringen – zefix!, man weiß es nicht. Ist aber auch ein Schlawiner, der Peter.

Richtig gut wird es immer dann, wenn PeterLicht sich den doppelten Boden der Ironie verkneift und bittersüße Balladen singt. "Ich seh den Horizont" atmet den bekifft-dadaistischen Geist früher Manfred-Krug-Werke, "Schlaflos" ist ein bezauberndes Nocturnal mit Zeilen wie "Auch wenn ich tausend Augen schließe: Die Nacht bleibt wach", gehalten von schleppendem Schlagzeug und sanft gebettet auf weiten Synthieflächen. Wohl am stärksten ist die "Deeperboosterballade", die einen frühmorgens in einen leeren Park beamt, zunächst mit Flügelhorn und weiteren Bläsern à la Sigur Rós, später gibt's durch sparsamen Einsatz von Autotune sogar Anklänge an Daft Punk – und dazu dichtet PeterLicht stilsicher: "Älterwerden ist nicht schwer / Du darfst halt nur nicht sterben in der Zwischenzeit / Zusammenbleiben ist nicht schwer / Es müssen halt alle bleiben in der Unendlichkeit." Ein Lächeln zu zaubern, gepaart mit einer kleinen Träne im Knopfloch – das kann er einfach, der feine Herr.

Ein bisschen Plumpaquatsch ist natürlich auch dabei, der hier aber nicht nur als Füllmaterial dient, sondern richtig Freude macht: "Problemlöser" bietet sperrig-kantige Beats, deren Repetitivität fast schon an The Fall erinnert, aber zugleich auch NDW-Flair atmet. "Wenn wer anders ein Problem hast / Dann ist es ganz einfach / Dann muss der das lösen / Der ist dann der Problemlöser" – das mag sich hier nicht übermäßig originell lesen, wirkt aber im Zusammenspiel mit der Musik dann doch recht witzig. Die letzten beiden Tracks bringen Zuversicht, enden versöhnlich – musikalisch wie textlich. Der Weltuntergang ist offenbar abgesagt, PeterLicht beschwört den Geist der gedeihlichen Gemeinsamkeit und kommt zu einem klaren Fazit: "Diese Welt wird weiterbestehen." Wir müssen uns PeterLicht womöglich als glücklichen Menschen vorstellen.

(Jochen Reinecke)

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

PeterLicht - Beton und Ibuprofen (2021)

PeterLicht - Wenn wir alle anders sind (2018)

PeterLicht - Lob der Realität (2014)

PeterLicht - Das Ende der Beschwerde (2011)

PeterLicht - Melancholie und Gesellschaft (2008)

PeterLicht - Lieder vom Ende des Kapitalismus (2006)

PeterLicht - Stratosphärenlieder (2003)

PeterLicht - 14 Lieder (2001)