The Offspring - Supercharged
Concord / UniversalVÖ: 11.10.2024
Gefurzt wird später
OK Zoomer! Auch wenn Ihr uns das in diesem Leben nicht mehr glauben werdet: Für ein, zwei Saisons waren The Offspring sowie Dexter Holland so etwas wie der Kontra K einer Generation. Klar, mit durchtrainierten Instagram-Bodys hatten die Elder Punkmen aus Kalifornien schon damals so wenig zu tun wie der harte Offline-Kern der CSU mit TikTok. Denn Maestro Holland war selbst auf seinem Peak ein Lauch mit Dreadlocks, der nach zwei Kickflips in der Halfpipe außer Puste war. Gitarrenchef Noodles hatte bereits mit Ende zwanzig ein Kassengestell von solch formvollendeter Größe, dass er auf der Straße keine Haue, sondern Mitleid bekam. Und auch nur die Andeutung von Gewalt gab's bei The Offspring nicht mal im Moshpit. Aber ansonsten konnte längst verblühte Jugend mit diesen Typen tatsächlich mal ihre Muttis verschrecken. Oder es zumindest versuchen. Warum das wichtig ist, noch einmal zu erwähnen: Weil uns das nach dieser Platte kein Schwein mehr abkaufen wird. "Supercharged" heißt sie. Und zwar deshalb, weil die Band nach ihrem Selbstbild noch einmal alles aus sich herausgeholt hat. Womit wir bei den Zahlen angekommen sind: "Supercharged" ist The Offsprings elfte Platte. Sie klingt wie ihre allerletzte.
Im sauren Nachgang zu diesem Album mutet es fast wie eine Drohung an: Produzenten-A-Promi Bob Rock sei wieder eine große Hilfe gewesen, sagte Holland über den künftigen Entstehungsmythos hinter "Supercharged". Immer dann, wenn der Sänger und Herr der Offspring-Songs mal nur die Hälfte einer Idee zustande brachte, soll Amerikas meistpatentiertes Sound-Bügeleisen zur Stelle gewesen sein. Und die Band dazu inspiriert haben, an den noch fehlenden Teilchen zu schrauben. Womöglich sind die größten Untiefen dieser Platte tatsächlich so etwas wie ein organisiertes Gemeinschafts-Verbrechen. Als da wären: die Stampf- und Plastikbeats, die in "Looking out for #1" das Album bereits eröffnen, wie eine B-Seiten-Sammlung Katy Perrys nicht mal ausläuft. Die drei Millionen "Baba-ba-ba-ba"s, mit denen The Offspring das ranzige Ende der Beachpunks-Nummer "Make it all right" bis weit über ihr Verfallsdatum strecken.
Oder Ex-Guitarhero Noodles, der, wenn gar nichts mehr geht, das Maskottchen mimt und charakteristisch die Klampfe auspackt. Und der wie einst mit dreißig in "Come out and play" mit sechzig noch einmal die Halbtonschritte in harmonischem Moll rauf- und runterhecheln muss, bis Cali-Punk ein bisschen wie Orient-Basarmusik tönt. Ein Running Gag, ein Trauerspiel. Und so einerlei wie diese Platte. Denn letztlich ist unerheblich, wer hier welche Schuldlast trägt. Und wenn ja, wie viel davon. Fakt ist: Wer als Branchen-Newcomer die unsäglichen "Olé, olé"-Südtribünen-Sünden am Ende des Thrash-Unfalls "Come to Brazil" durchgewunken hätte, dessen Karriere wäre hiermit geplatzt wie eine Aufblaspuppe. Da sowohl The Offspring als auch Bob Rock ausgesorgte Businessleute auf Strandkorb-Abruf sind, kann das ihnen scheißegal sein. Und ganz ehrlich: War's ihnen wohl auch. Denn das Schlimme ist: "Come to Brazil" ist nicht das einzige Lowlight auf dem gecancelten Millenial-Jugendtraum, der sich "Supercharged" nennt.
Kein Scherz: Der einzige Funken an Energie, der durch den Punksong "Truth in fiction" flitzt, ist samt halbem Einstiegsriff und dramaturgischem Unterbau geklaut. Und zwar von Bad Religions "Recipe for hate", die Punkpolizei ermittelt bereits. "Light it up" heißt ein anderer der wenigen Oldschooler, obwohl Holland so viel Funkenschlag versprochen hatte. Es wirkt, als hätten The Offspring Outtakes aus den "Americana"-Sessions gefunden, geplündert und für "Supercharged" aufgewärmt wie fünfundzwanzig Jahre alte Bohnensuppe. Und "You can't get there from here"? Begräbt die Jugend einer Generation. Denn das ist kein Song. Es ist ein Geständnis: Vier Minuten zeigt der Track eine Band auf der Suche nach einer griffigen Melodie. Einem knackigen Riff. Einem fetzigen Ton. Und letztlich: nach sich selbst. Sogar das Artwork dieses Festivals der Belanglosigkeit erinnert an eine College-Band, die dank Papas Photoshop dem Impact von Metallicas "Ride the lightning" hinterherläuft. Der Handel müsste "Supercharged" samt Ohropax, Geld-zurück-Garantie und einer LED-Lampe ausliefern. Damit wenigstens etwas leuchtet, das Menschen mit dieser Platte erwerben. Und hey, Zoomer? Bevor Ihr euch das hier gebt: Tut ma lieber die Möhrchen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Light it up
Tracklist
- Looking out for #1
- Light it up
- The fall guy
- Make it all right
- Ok, but this is the last time
- Truth in fiction
- Come to Brazil
- Get some
- Hanging by a thread
- You can't get there from here
Im Forum kommentieren
Glufke
2024-10-15 15:58:23
Wahrscheinlich haben sie sich durch den Einstieg des Enkels von Mr. Spock sämtliche Trekkies als Fanbase erspielt...
Habe gelesen, dass Ed Sheeran großer Fan der Band ist. Das ist auch Werbung.
Rochen
2024-10-15 13:40:19
Also ich fand die Rezension eigentlich ganz gelungen, aber seit sich hier so viele Leute extra zum Beschweren angemeldet haben, finde ich sie noch gelungener.
alexus774
2024-10-15 13:27:42
Oh boy, wie läuft das hier mit den Rezensionen? Werden hier gescheiterte Comedians an die Tastatur gelassen oder was ist hier der Standard?
Die Rezension liest sich inhaltlich wie das was der Band vorgeworfen wird: Alter Mann versucht die Kids zu erreichen
Klaus
2024-10-14 15:10:10
" The Offspring arbeiten doch nicht mit irgendwelchen kleinen, lokalen Veranstaltern, sondern vermutlich mit den großen Agenturen, die im Zweifelsfall eh genug Geld haben. "
Die Frage ist, wie diese das durchreichen. da gibt es am Ende durchaus jemanden, der darunter leiden kann, wenn etwas so läuft, wie beispielsweise Childish Gambino oder Arcade Fire.
Rochen
2024-10-14 15:06:34
The Offspring arbeiten doch nicht mit irgendwelchen kleinen, lokalen Veranstaltern, sondern vermutlich mit den großen Agenturen, die im Zweifelsfall eh genug Geld haben.
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