Groza - Nadir
AOP / EdelVÖ: 20.09.2024
Schleichweg to hell
Bayern muss die Hölle auf Erden sein. Der Sommer 2024 nahm gerade erst richtig Fahrt auf, da luden Groza ihren ersten Clip zu ihrem neuen Album "Nadir" ins Netz. Zu sehen waren sie wie gehabt: komplett verschleiert. Und zu hören wie gebrandmarkt: Bandchef P.G. kreischte wie die Todesfee gegen eine Wand aus Unwetter-Gitarren, Schlagzeuggeballer und Moll-Tönen an. Es war so, als hätte jemand das Freibadwetter gecancelt und durch einen Blizzard ersetzt. Acht Minuten hielten sie das durch. Dann war Ende. So viel vorweg: Als sich die Band Groza mitten in Oberbayern nahe der Grenze zu Österreich einst als Soloprojekt gründete, geschah das genau wegen solcher Momente. Mastermind P.G. brauchte ein Ventil für seine Gefühle, die hörbar feinfühliger sind als die Dauerwallungen mancher Landsleute. Vor allem aber brauchte der Mann eine Anlaufstelle für die pechschwarzen Sounds und bitterbösen Riffs, die er in seiner Schublade gesammelt hatte wie ein Hobby-Entomologe die Kadaver von Spinnen, Fliegen und Kakerlaken. Die mussten raus. Auch wenn P.G. nicht mehr alleine über das Projekt Groza herrscht: Sie müssen auch hier raus. Und so ist Grozas neue Platte "Nadir" ihre bislang ergiebigste Reise mitten hinein in das Herz dieser unerforschten Finsternis.
Der erste Eignungstest für potenzielle Neufans ist bereits die Trackliste dieses Albums. Gerade einmal eine Handvoll Songs samt kurzem Gitarre-über-Regentropfen-Intro haben Groza für "Nadir" wieder versammelt. Macht fünfmal Lied in gut vierzig Minuten. Im Schnitt bedeutet das knapp ein Basketball-Viertel an Spieldauer pro Track. Auch wer Extremen nicht abgeneigt ist, findet hier also nicht vollautomatisch einen Anschluss. Denn Groza sind weiter kein Projekt fürs profane Dampfablassen. Sondern eine Schicksalsgemeinschaft, die bis an die Grenzen der Nachspielzeit geht, um Stimmungen sorgsam auf- und abzubauen. Auf dem Peak ihrer Spannungskurven bremsen Groza im Album-Highlight "Dysthymian dreams" Feingeister-Blackmetal für fast drei Minuten mit mehr atmosphärischem Prickeln als befreienden Ausbrüchen aus. Minuten, die zur Ewigkeit werden. Erst danach fegen wieder Blastbeats, Gitarren wie Schneestürme sowie das fiese Gekeife von P.G. über alles hinweg, was bis dahin ausgehalten hat, die Hörer*innen inklusive. Ein Extremsound gewordener Höhepunkt. Den die Band genüsslich und mit vollem Vorsatz hinauszögert. Waren sie zu weich, bist du zu ungeduldig.
Auch davor und danach bauen Groza in ihre Klanggewitter immer wieder entschleunigende Postrock-Gitarren, deeskalierende Intros und ein Gespür für Zermürbungstaktiken. Die Nummer "Asbest" trägt eine Leadgitarre zum Niederknien im Tremolo-Pickingmodus fast alleine vom Start über die Ziellinie. Der Neunminüter "Deluge" tauscht öfter die Stimmungslagen aus als der 1. FC Nürnberg seine Cheftrainer. Und wer nach dem Downer in Dauermoll "Equal. Silent. Cold" noch einen Funken guter Laune verspürt, sollte dringend in professionelle Behandlung. Freilich: Wer sich im Metier auskennt, den wird das alles auch hier nicht groß überraschen. Die großen Vorbilder wie die Polen von Mgla, auch optisch, machten Groza seit jeher öffentlich. Der musikalische Nihilismus von Darkthrone bleibt greifbar. Und die ewigen Riffs der Schweden von Dissection werden noch in Jahrzehnten Bands zu Musik inspirieren. Aber nicht nur durch die teilweise deutschen Texte haben sich Groza weitestgehend emanzipiert. Pünktlich zum Finale von "Nadir" laden sie Harakiri For The Sky und Karg ein. Gehen gemeinsam in Vollvermummung auf die Bühne. Und machen nach kurzem Anlauf acht Minuten Dauerdruck mit Blastgebeate. Koan Schmarrn also. Sondern die Hölle auf Erden im besten Sinne.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Asbest
- Dysthymian dreams
Tracklist
- Soul inert
- Asbest
- Dysthymian dreams
- Equal. Silent. Cold.
- Deluge
- Daffodils
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Armin
2024-09-30 21:00:01- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Groza - Nadir (1 Beiträge / Letzter am 30.09.2024 - 21:00 Uhr)