
Caribou - Honey
City Slang / Rough TradeVÖ: 04.10.2024
Mehr Daphni wagen
Im Grunde ist das ja wirklich eine tolle Sache mit diesen Künstlernamen. Je nach wertem Befinden kann man sich das jeweils passende Kleid überziehen und loslegen. Daniel Victor Snaith beispielsweise, dessen bürgerlicher Name für eine Karriere tatsächlich etwas sperrig daherkommt, begann seine musikalische Laufbahn als Manitoba. Einen Rechtsstreit später wurde er zu Caribou, hernach erschuf sich der Kanadier mit Daphni aber gleich noch eine weitere Identität. Um seinen kreativen Output vollumfänglich im Blick zu behalten, muss man daher stets nicht nur in einem Regalbereich stöbern, sondern gleich in mehreren. Vereinfacht zusammengefasst stand Caribou dabei stets für ein feines Verweben von Indie und Elektronik, während Daphni vornehmlich den Dancefloor bediente. Nun verwischen die Grenzen noch etwas mehr: "Honey" als offizielles Studioalbum aus dem Hause Caribou klingt während der meisten seiner knapp mehr als 40 Minuten gehörig nach Daphni.
Man benötigt einen Moment, um sich hier zurechtzufinden. Kaum hat man dem Album die Tür geöffnet, drängelt sich "Broke my heart" aufdringlich wummernd ins Haus. Mit einer Stimme, die nach einem tiefen Atemzug aus dem Heliumballon klingt, wird die penetrant wiederholte Titelzeile zu einer frühen Attacke an der Nervschwelle. "Honey" nimmt uns im Anschluss direkt wieder an die Hand und lässt keine Pause vom Tanzflächenabstecher zu – Grüße an Mister Oizo und sein putziges Plüschtier gehen raus. Okay, denkt man spätestens jetzt, Herr Snaith hatte offenkundig Lust auf eine Tanzplatte. Aber ganz so stringent geht es mit den flirrenden Beats dann doch nicht weiter. Vorhang auf für "Volume", das den überaus nervös-unruhigen Auftakt mit großer Klasse überstrahlt. "Pump up the volume", heißt es hier mit einer tiefen Verneigung in Richtung M|A|R|R|S, längst vergessene Eintagsfliege aus den Achtzigern. Wie sich hier eine greifbare Spannung aufbaut, ist für einen Moment meisterhaft.
Und so geht es dann mit nahezu ungebremstem rhythmischen Fußtippen, Kopfnicken und möglicherweise auch schwingenden Tanzbeinen weiter, ohne dass sich einzelne Beiträge auf diesem Werk nachhaltig im Gehörgang festsetzen mögen. Das war auch schon einmal anders bei Caribou, und vor allem war es auch schon deutlich besser. Songs wie "Come find me" mit ihrer klaren Struktur und den wohlplatzierten Intensitätssteigerungen versprühen zwar einen gewissen Charme. Aber es gibt eben auch andere Beispiele, die wie das erneut von Helium-geschwängerten "Broke my life"-Zwischenrufen unterlegte "Campfire" merkwürdig dahinschleichen lassen. Dass sich "Climbing" schließlich einer erfrischenden Prise Funk bedient und "Got to change" einen durchaus versöhnlichen Abschlusstrack markiert, kann am Ende dann nicht mehr über den Gesamteindruck hinwegtäuschen: Caribou hat ein nettes Album gemacht. Aber: nett? Eigentlich erwarten wir von ihm dann doch ein bisschen mehr.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Volume
- Over now
- Got to change
Tracklist
- Broke my heart
- Honey
- Volume
- Do without you
- Come find me
- August 20/24
- Dear life
- Over now
- Campfire
- Climbing
- Only you
- Got to change
Im Forum kommentieren
fakeboy
2024-11-05 07:45:46
Ich mag das Album immer mehr. Bin zum ersten Mal bis zu Campfire vorgedrungen - ein gut platzierter Bruch im Albumflow. Und mit Climbing folgt dann wieder ein Banger. Das Album macht wirklich Spass, gerade am Morgen.
fakeboy
2024-10-22 21:07:02
LP ist angekommen. Broke My Heart auf 45rpm und man krümmt sich vor Lachen ;-) Schon lustig wie ich das Lied mittlerweile in mein Herz geschlossen habe (also in der normalen 33er-Version).
Herr Bohm
2024-10-21 09:25:22
Die angesprochene Antipathie weise ich weit von mir :-) Tatsächlich halte ich "Honey" für ein im Caribou-Kosmos leider eben nur ordentliches Werk (und 6/10 ist bei uns ja auch keine besonders schlechte Bewertung). Dass ich einen Briten aus ihm gemacht habe, ist einer Fehlschaltung in meinem Hirn geschuldet. Ist korrigiert.
Watchful_Eye
2024-10-20 17:29:25
Also ich halte Caribou wirklich in hohen Ehren, aber konkret dieses Album ist auch nicht so meins. Und ich werde auch nicht krampfhaft versuchen, mir das schönzuhören.
Insofern verstehe ich, dass andere das auch so sehen. Ich habe in der Rezension keine Animosität gegen ihn als solches herausgelesen.
Swim ist auch für mich im Zweifelsfall sein Karrierehighlight, aber ich finde auch nicht, dass er seitdem drastisch abgefallen ist. Gerade die jüngeren Alben "Suddenly" und "Cherry" (Daphni) fand ich ebenfalls großartig.
In so einer "so gut wie früher wird es eh nicht mehr"-Stimmung bin ich somit nicht, weil er aus meiner Sicht bis vor kurzem noch Alben rausgebracht hat, die auf andere Weise fast gleich gut waren wie Swim.
"Honey" ist für mich nun ein kleiner Ausfall, aber auch keines im Sinne eines mutlosen Abklatschs früherer Großtaten, sondern im Sinne eines aus meiner Sicht überwiegend gescheiterten Experiments. Aber wie gesagt, alles kein Problem. Ich bin recht unbesorgt, dass da bestimmt auch wieder ein Album "für mich" kommen wird.
Gomes21
2024-10-20 14:54:54
Oder sagen wir nicht zu schlecht sondern zu egal. Caribou könnte man ruhig etwas mehr hypen bei all den Ecken und Kanten die sie haben.
Und die geographische Fehlverordnung ein bisschen oberflächlich recherchiert :-)
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