Jake Bugg - A modern day distraction

RCA / Sony
VÖ: 04.10.2024

Alte Hasen unter sich

Bevor er sich mit "A modern day distraction" zurückgemeldet hat, war Jake Bugg eine Weile als Support von Liam Gallagher und John Squire unterwegs. Kurz nach dem Ende der gemeinsamen Tour reunierten sich dann die altehrwürdigen Oasis. Zufall oder Zusammenhang? Was hat Bugg angestellt? Haben sich die Britpop-Opas etwa von einem ihrer fleißigsten Nachkommen inspirieren lassen und auch dadurch wieder Bock gekriegt? Nun, "jugendliche" Motivation in allen Ehren, aber es ist vielleicht doch eher ganz unspektakulär andersherum: Die Jüngeren lernen immer noch von den Großen. Anstatt allerdings schon jetzt zukünftige Splits und Reunions vorauszuplanen – schließlich ist er ja auch keine Band –, bemüht Bugg für sein sechstes Werk einen anderen klassischen Baustein aus dem großen Handbuch für Musikkarrieren: Nach den vorausgegangenen Mainstream-Anwandlungen kehrt der Barde aus Nottingham zu seinen Wurzeln zurück.

Heißt also: zurück zum Folk, zum Country, zum Liedermachen – und mitten hinein in die Sechziger. Beim Hören von "Beyond the horizon" wächst der Pilzkopf von ganz allein, selbst Kahlhäuptigen. Anderswo, etwa in "Waiting for the world", gibt es waschechten Rockabilly-Hüftschwung mit flottem Bass und American-Diner-Atmosphäre. So tanzte man früher, als die Beats noch aus echtem Stein gehauen wurden und nicht aus dem Computer kamen! Auch "All kinds of people" überzeugt mit The-Clash-Riff und Rock'n'Roll-Vibe – bei so viel Oldschool ist es schwer vorstellbar, dass Bugg dieses Jahr erst 30 geworden ist. Gleichzeitig ist es komisch, dass er schon 30 ist, weil man ihn doch immer noch als blutjunges Wunderkind im Gedächtnis hat.

Vor allem auch als eines, dem nie der ganz große Wurf gelungen ist – "A modern day distraction" bildet da keine Ausnahme. Das reich illustrierte Storytelling von "I wrote the book" schunkelt sich bierselig in die Höhe, geht auch noch mit ein paar Promille, und der ganze Pub stimmt mit ein. Das ist umwerfend englisch und macht Laune, der Britpop von "Got to let you go" gerät dann jedoch zunehmend käsig und sentimental ("Goodbye, baby, goodbye / We've had a hell of a ride"). Und wenn man unter "kraftvoller Halbballade" im oben aufgeschlagenen Handbuch nachschaut, findet man die Tabs von "Never said goodbye" – sowie von fünf Millionen gleich klingenden Songs. Nett, bloß nicht unbedingt besonders. Der zackige, textlich etwas Boomer-mäßig den Albumtitel aufgreifende Indie-Rocker "Instant satisfaction" oder das edel gniedelnde "Still got time" sind da einnehmender.

Buggs sechstes Album ist somit abermals nur ein ordentliches geworden. Die Meisterwerke muss er vielleicht in Zukunft der wieder nächsten Generation überlassen, die irgendwo auf der Insel gerade heranwächst und die Platten ihrer Eltern und von deren Eltern auflegt. Kleinere Experimente wie die Psychedelia- und Offbeat-Elemente im treibenden "Keep on moving" stehen ihm dennoch gut zu Gesicht, ohne den Gesamteindruck zu verwässern. Und simple, aber entzückende Hits wie "Breakout" und insbesondere "Zombieland" funktionieren ohnehin, zumal Letzterer die Situation auch noch super auf den Punkt bringt: Zwischen all den anderen alten Hasen, die womöglich nicht mehr ganz so viel auf die Kette kriegen, lässt Bugg sich nicht unterkriegen, sondern macht unbeirrt weiter sein Ding. Halten wir also fest: Cheers und auf die nächsten 30!

(Ralf Hoff)

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