Porches - Shirt
Domino / GoodToGoVÖ: 13.09.2024
Aufzeichnungen aus dem Kellerloch
Keller sind ein komplexes Konzept. Für manche bedeuten sie bei spärlichem Licht den Weg die Steintreppen runter zur Kühltruhe, um dann so schnell wie möglich wieder nach oben zu sprinten, bevor einen das Monster mit den gierigen Klauen schnappt. Für andere sind sie der ausgebaute Hobbyraum des Familienoberhaupts, in dem man von Zeit zu Zeit eine kleine Party mit zu viel Saurem Apfel schmeißen darf und erste jugendliche Küsse austauscht. Und für andere wiederum sind sie ein kreatives Refugium, in dem man allein sein und sich musikalisch austoben kann. Letzteres trifft auf Porches' sechstes Album "Shirt" zu. Für die Arbeiten daran hat sich Aaron Maine nämlich in einen fensterlosen Keller zurückgezogen und jede Menge Gras geraucht. Wie viel das zur Qualität beigetragen hat, sei dahingestellt. Es klingt nämlich grundsätzlich wie ein Großteil seiner anderen Musik auch: nach einer Menge DIY-Ästhetik und einer fast naiven Direktheit.
Dazu gehört unter anderem auch etwas eigenwilliger Gesang, über den Maine gerne mal Autotune oder Distortion auskippt, bis ein öliger Film alles umschließt. Was gut zu seiner wiedererstarkten Liebe zu grungigen Gitarren passt. Flirtete er auf vergangen Platten auch mit elektronischer Tanzmusik und ließ auf dem Vorgänger "All day gentle hold!" eine kleine Tendenz zu mehr Grandeur zu, ist der New Yorker auf "Shirt" wieder sehr nah am Indierock. Dank Drumloops, die teilweise direkt aus Guitar Pro kommen könnten, wird zum Beispiel "Bread believer" mit einfachster Gesangsmelodie zum Highlight, das die halblangen Haare ordentlich von Seite zu Seite wirft und reingeht wie geschnitten Brot. Das i-Tüpfelchen ist dabei die verzerrte Stimme von sweet93 alias Chloe Kohanski, die eine wunderbar verträumte Note addiert. Der Pop-Appeal von Porches war eben noch nie zu verleugnen. Einen anderen Höhepunkt bildet "Rag", das vor 25 Jahren auch Beck gut gestanden hätte und sich langsam mit Akustikgitarre aufbaut, im Refrain den Distortion-Regler hochdreht, dann alles fallenlässt und sich noch mal neu aufrichtet.
"Joker" kommt mit stampfenden Drums, einer bauchigen Bassline und Claps statt Snares daher und erzählt entweder von einem verlorenen Hund oder in Geheimsprache von einer Liebesaffäre – kann man am besten selbst entscheiden. "Sally" ist weniger kryptisch und hat eine Drum-Machine von Starproduzent Mura Masa dabei: "Sally rock, Sally roll / Sally yes, Sally no / Sally please, Sally stop / Sally never let me go!" Besonders cool ist auch der melancholische, aber vorsichtig optimistische Americana-Einfluss in "Voices in my head", wo ein Banjo seinen Auftritt bekommt. Manchmal klingt Maine sogar ein bisschen wie Julian Casablancas, an anderer Stelle aber scheint auf kuriose Weise durch, dass zwei seiner Einflüsse auch Nine Inch Nails und Nirvana heißen und er jeweils der Trent Reznor oder Kurt Cobain einer Post-Internet-Generation sein könnte, wenn man es nicht zu genau nimmt.
Das besondere Vergnügen an "Shirt" ist, dass es kein ausladendes Songwriting braucht und das Vergnügen meistens in der Einfachheit liegt – und sich das alles nicht zu ernst nimmt. "Crying at the end" läuft Gefahr, generisch zu werden, erkennt aber genau das, schubst zum Selbstschutz seine pseudo-emotionale Hook die Ironieklippe runter und trifft beim Fallen absichtlich keinen Ton. So wird das wieder nicht einmal eine halbe Stunde lange Album zu einer angenehmen Dosis irgendwo zwischen Indierock und allem, was sonst noch nach 2000 so in diversen Kellerräumen der amerikanischen Ostküste passiert ist. Und wenn die rausschmeißende Ballade "Music" dann zu Piano, Gitarre, Synthiefläche und Autotune "I hope to God, the music takes me home" verlauten lässt, legt man sich gerne auf eine etwas runtergerockte Couch am Ende von ein paar Stufen neben maximal schuhkartongroßen, vergilbten Kippfenstern und lässt sich in Aaron Maines Musik hineinsinken.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Bread believer
- Rag
- Voices in my head
Tracklist
- Return of the goat
- Sally
- Bread believer
- Precious
- Rag
- School
- Itch
- Joker
- Crying at the end
- Voices in my head
- USA
- Music
Im Forum kommentieren
Armin
2024-09-23 21:18:16- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
MickHead
2024-08-06 18:45:04
Letzter Song "Crying At The End" vor dem Release
https://youtu.be/lYOyKOErapw?si=bAWCCRUhIBJLqc2Y
MickHead
2024-06-25 13:54:09
Neuer Song "Itch"
https://youtu.be/NG4xw5CTTBg?si=4bQ4YVX2YjOxdwfX
MickHead
2024-05-14 20:57:18
Das amerikanische Synth-Pop Project "Porches" kündigt für den 13.09. ihr 6. Studioalbum "Shirt" an. Nachfolger von "All Day Gentle Hold! von 2021.
2 Songs sind bei Bandcamp bereits geteilt.
https://porchesmusic.bandcamp.com/album/shirt
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Referenzen
Spotify
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