Joan As Police Woman - Lemons, limes and orchids

PIAS / Rough Trade
VÖ: 20.09.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Shades of cool

"My good friend told me, this is the sexiest Album I've ever made. Honestly, I think she's right." Eine kühne Ansage von Joan Wasser, deren Musik als Joan As Police Woman seit jeher eine solche Menge mitternachtsschwarzer Körperwärme ausstrahlt, dass jedes Bettlaken von selbst feucht wird. Die Aussage überrascht auch ob ihrer Eindeutigkeit, ist Wasser normalerweise eine zerrissene Künstlerin. Ihre Songs zeichnen oft eine Leere, die Sehnsucht nach einem ungreifbaren Anderen, der Prozess dahinter war gerade in den vergangenen Jahren jedoch alles andere als einsam. "Lemons, limes and orchids" versammelt wieder eine versierte Runde von Kollaborateur*innen wie Meshell Ndegeocello am Bass und fächert in diesem Sinne ein beeindruckendes Spektrum auf. Ob Wassers zehntes Studio-Album wirklich ihr sexiestes ist, lässt sich schwer sagen. In jedem Fall ist es ihr vielseitigstes bisher, das unterschiedliche Facetten einer über 30 Jahre andauernden Karriere gleichermaßen betont – auch wenn sie ihr ursprüngliches Hauptinstrument, die Violine, weiterhin im Schrank lässt.

So könnte der polyrhythmische Beat des eröffnenden "The dream" noch aus den Sessions für "The solution is restless" stammen, Wassers gemeinsamer Platte mit Dave Okumu und Afrobeat-Legende Tony Allen. Zerhackte Saiten und Stöhn-Samples zappeln angemessen nervös durch dieses ebenso erdige wie futuristische Stück Musik, das durch raumfüllende Tasten an Volumen gewinnt. "Full-time heist" lässt im Anschluss den Groove in einer verrauchten Bar-Ecke verschwinden, haucht seine Seele mit Piano-Jazz und diffusen Falsett-Chören aus, die auch bei Moses Sumney Platz gefunden hätten. Der eingängige, von Funk-Licks und Konserven-Streichern umwobene Soul-Pop von "Back again" nutzt die Kraft der Musik, um das Gegenüber zurückzuerobern: "This song is just a start / A hope that you'll fall into the melody / And open up your heart to you." Ob Wassers ständige Textwiederholungen den Nachdruck ihres Wunschs oder die Zweifel dahinter ausdrücken, bleibt im Unklaren.

Das Songwriting der US-Amerikanerin schwankt zwischen solchen handfesteren und flüchtigeren Momenten, wie man es von ihr gewohnt ist. In ersterer Hinsicht brilliert vor allem "Long for ruin", die beste der Singles, mit unwiderstehlichen Gitarren-Hooks und einem intensiven Schlussmantra. In Tracks wie diesen wird darüber hinaus deutlich, wie sehr Joan As Police Woman als Bandprojekt zu verstehen ist – und dass nach all den Jahren Wassers Black-Beetle-Weggefährte Parker Kindred noch immer zumindest in Teilzeit am Kit sitzt, sollte kein Herz unerwärmt lassen. Selbiges gilt für den wundervollen, jazzigen Folk von "Started off free", in dem Akustikgitarre, Piano und Drums eine famose Dreifaltigkeit bilden. Wenn direkt daran das komplett elektronische "Remember the voice" anknüpft, beweist Wasser, wie man der künstlerischen Rastlosigkeit Herrin wird, ohne die eigene Identität aufzugeben.

Während ihre allerbesten Alben im späteren Verlauf noch ein paar unerwartete Haken schlugen, geht "Lemons, limes and orchids" hier jedoch auf hohem Niveau die Puste aus. Die sechsminütige Meditation des Titeltracks leitet ein immer noch gutes, aber in seiner konstanten Langsamkeit etwas gleichförmiges Schlussdrittel ein – auch wenn gerade der bleischwere Blues von "Safe to say" tief ins Fleisch bohrt. Schöner gibt sich nur "Oh Joan" der Verzweiflung hin, in dem der Bass seine virtuose Stoik auch dann beibehält, wenn sich die Gitarre nicht mehr halten kann und ein starkstromversetztes Solo in die Sterne heult. Joan Wasser kann sich nicht nur auf dem Coverfoto unbeeindruckt selbst anhauchen, sondern auch mit einer ebensolchen Coolness selbst ansingen. Die gute Freundin hatte recht: Wenn das nicht sexy ist, was dann?

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The dream
  • Long for ruin
  • Started off free
  • Oh Joan

Tracklist

  1. The dream
  2. Full-time heist
  3. Back again
  4. With hope in my breath
  5. Long for ruin
  6. Started off free
  7. Remember the voice
  8. Oh Joan
  9. Lemons, limes and orchids
  10. Tribute to holding on
  11. Safe to say
  12. Help is on it's way
Gesamtspielzeit: 47:49 min

Im Forum kommentieren

Deaf

2024-10-13 23:17:16

Die Frau war live gerade richtig toll, die neuen Songs scheinen auch gut zu funktionieren. Highlight aber die etwas lauteren Stücke vor der Zugabe (The Magic/Chemmie).

afromme

2024-09-24 20:24:47

Erstes Durchhören - vielleicht muss ich dem Album noch einen Durchlauf geben, aber auf den ersten Anlauf ist mir das ein bisschen zu lahm, zu getragen. Da fehlt mir ein bisschen der Groove, den ich eigentlich immer sehr schätze bei ihr.

afromme

2024-09-23 22:10:10

Mist, Mojo-Club wäre natürlich super, bin aber nicht da an dem Tag :-|
Vorabsingles haben gefallen, hab den Veröffentlichungstermin des Albums darüber komplett vergessen. Schlimmschlimm. Wird nachgeholt direkt.

Armin

2024-09-23 21:16:36- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Armin

2024-08-24 11:16:06- Newsbeitrag





Bevor Joan As Police Woman am 20. September ihr zehntes Studioalbum "Lemons, Limes & Orchids" über Play It Again Sam veröffentlicht, präsentiert die US-Musikerin mit "Full Time Heist" eine neue Single daraus, die auf die Songs "Long For Ruin" und "Back Again" aus dem Juli folgt.

In dem vom Klavier getragenen Track reflektiert Joan mit flüsternder Stimme über die Begegnung mit jemandem, der von seinem Bedürfnis nach Lob und Anerkennung besessen ist. “In the same breath, I can point the camera at myself and watch myself do the same thing. I say “I don’t believe you” to my own reflection as well.”

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