Trentemøller - Dreamweaver

In My Room / Rough Trade
VÖ: 13.09.2024

Anders artig

Als Anders Trentemøller einst nach Kopenhagen zog, sah seine künstlerische Lebensplanung zunächst einmal die Gründung einer Rockband vor. Mit Blick auf die kreative Entwicklung des Dänen muss man konstatieren: Es kam, wie es bei so vielen Menschen in den unterschiedlichsten Bereichen in schöner Regelmäßigkeit passiert, anders. Trentemøller wandte sich mehr und mehr der Elektronik zu und probierte vielfältige Spielarten zwischen Minimal Techno, Dancefloor und House aus. Die fortwährende Verfeinerung seiner Klanglandschaften spülte schließlich zunehmend Elemente aus der Welt des Dreampop und Shoegaze in seine Veröffentlichungen. "Obverse" aus dem Jahr 2019 zeugte ebenso davon wie das 2022er-Album "Memoria". Diesen Weg setzt er auf "Dreamweaver", das zehn neue Kompositionen beinhaltet, nun konsequent fort.

Bei aller Konzentration auf Elektronisches dominiert zum stimmigen Auftakt die Gitarre. "A different light" ist dabei eine Art Startschuss für einen Strom des Wohlklangs, der es sich in der Folge ungebremst im Gehörgang gemütlich macht. Das kann beim ersten Durchlauf hier und da etwas zu artig klingen, doch die vielen kleinen Feinheiten liefern ausreichend Potenzial für ein schrittweises Wachstum der ganzen Angelegenheit. Wer auf entsprechende Entdeckungsreise geht, wird in vielen Momenten fündig. Was übrigens nicht zuletzt daran liegt, dass die Gesangsbeiträge der Isländerin Disa, die den Skandinavier schon auf Tour begleitete, in angemessener Dimension eingewoben wurden. "Nightfall" und "Dreamweavers" verweisen nach dem starken Opener spürbar auf Trentemøllers Ausflüge in Richtung Filmmusik. Wer das Album in Ruhe und möglichst unter dem Kopfhörer genießt, kann mühelos abdriften in imaginierte Parallelwelten. Breitwandkino im mehr oder minder schmalen Raum zwischen den Ohren.

Die erste Albumhälfte beschließt dann ein schlicht herausragendes Stück: "Behind my eyes" vereint alles, was Trentemøllers Kunst auszeichnet. Die vorangegangenen Songs wirken angesichts dieser Perle, bei der genau wie an anderen Stellen Bands wie Joy Division oder The Cure vor dem geistigen Auge vorbeidefilieren, wie die stimmige Ouvertüre, die elegant zu diesem Höhepunkt von "Dreamweaver" hinführt. Dass in der Folge "Hollow" vernehmbar abfällt, liegt einerseits an der Außergewöhnlichkeit von "Behind my eyes", andererseits aber auch daran, dass es der einzige Titel ist, der ein wenig belanglos daherkommt. Um das allerdings unmittelbar klarzustellen: Das ist schon der einzige und überaus verschmerzbare Makel eines eleganten Albums, das wie aus einem Guss wirkt. Wenn wir Trentemøllers Entwicklung kurz rekapitulieren, hätte etwas anderes aber auch überrascht. Und die Sache mit der Rockband? Dieses Unterfangen wäre auf lange Sicht vielleicht auch großartig geworden, aber die konsequente Umorientierung war unter dem Strich ein Glücksfall.

(Torben Rosenbohm)

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Trentemøller - Obverse (2019)

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