London Grammar - The greatest love
Metal & Dust / Ministry Of Sound / SonyVÖ: 13.09.2024
Sing the pain away
"This is my place, my house, my rules." Damit das gleich mal klar ist. So lauten die ersten Worte auf dem vierten Album von London Grammar. Diese Band ist gereift, erwachsen geworden, hat viele Erfahrungen – und längst nicht nur positive – gemacht und will ihre künstlerischen Visionen nun auf einer größtenteils selbst produzierten Platte in Freiheit umsetzen. Da ließe sich jetzt, auch weil Hannah Reid, Dot Major und Dan Rothman nach ihren ersten drei Alben erst einmal eine Art Werkschau in Form einer Remixsammlung eingeschoben haben, von "The greatest love" ein Aufbruch in neue Klangsphären erwarten.
Davon sollte man sich jedoch lösen. Die Veränderungen haben hier eher innerlich und inhaltlich stattgefunden, weniger musikalisch. Reid, die sich seit Jahren mit einer chronischen Fibromyalgie herumquält, was sich mit dem Leben auf Tour und stressigen Promoterminen gar nicht gut verträgt, hat sich viele Gedanken gemacht und diese in dunkle, aber auch sehr poetische Texte übersetzt. Doch schon "House", Opener und erste Single, kommt zwar mit obiger Ansage selbstbewusst daher, hält ansonsten aber am bewährten Sound fest: TripHop-Beats, eine aufgeräumte Produktion und Reids markante Stimme stehen im Mittelpunkt. Auch der zweite Vorabtrack "Kind of man" klingt umgehend vertraut, denn Reid thematisiert hier nicht zum ersten Mal die Misogynie, die sie wie so viele Frauen über die Jahre erfahren hat. Ihr gelingt das jedoch mit sparsamen Worten und ohne in trübe Bitternis abzugleiten, wie es bei diesem Thema schnell passieren kann. (Und wer würde es den Frauen verdenken?) Musikalisch wirkt der Song einerseits leicht und eingängig, bleibt aber dank seiner songwriterischen Substanz schnell im Gedächtnis.
Die nächste Single "Into gold" klingt zunächst wie die nach den beiden flotteren Vorgängern zu erwartende Ballade. Das längste Stück des Albums lässt sich Zeit mit dem Songaufbau, die minimalistisch um Reids Stimme schwebenden Sounds werden erst nach zwei Minuten von einem Beat ergänzt, später dürfen dann die Synthesizer kräftiger mitspielen. Ein Highlight. Die Pianoballade folgt erst mit dem letzten Albumvorboten und dort eher überraschend, denn so etwas hätte man bei einem Song mit dem Titel "Fakest bitch" eher nicht erwartet. Aber selbst wenn der Inhalt düster ist, geht beim Refrain rund um die eigentlich desillusionierte Zeile "People don’t change, people stay the same" dank der brillanten Umsetzung die Sonne im Herzen auf.
Die Auswahl der Singles war also sehr geschickt. Was absolut nicht heißen soll, dass der Rest nichts taugt. Auch wenn es durchaus Stücke gibt, bei denen man sich ein bisschen mehr Spannung erhofft hätte – "You and I" plätschert etwas zu pathetisch dahin, "Ordinary life" hätte kein Autotune gebraucht –, und auch wenn der Band ein bisschen mehr Mut zum Experiment und zur Erforschung anderer Stilmittel zu wünschen gewesen wäre. Aber dann begeistern das wie eine lockere Fingerübung wirkende "Santa Fe" oder die intensive Schmerzbewältigungshymne "LA". Und die Liebe gewinnt doch. Mal wieder.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Fakest bitch
- LA
- Kind of man
- Into gold
Tracklist
- House
- Fakest bitch
- You and I
- LA
- Ordinary life
- Santa Fe
- Kind of man
- Rescue
- Into gold
- The greatest love
Im Forum kommentieren
musie
2024-10-09 07:17:34
Ich seh das auch so, zweitbestes Album. Mit den Bonus Songs wirklich ein starkes Werk.
squand3r
2024-10-08 17:04:34
Nach einigen Durchgängen würd ich es sogar als zweitbestes Werk nach ihrem Debut einordnen - jedoch im Kontext eines Gesamtalbums. Die Einzeltracks sind auf anderen Alben eindringlicher und weit offensiver auf Hannah Reid abgestimmt. Dafür hat man hier 42 Minuten durchgehenden Schönklang bei dem die gesamte Band homogener abgestimmt ist. Wunderbares Herbstalbum.
MickHead
2024-09-27 13:15:15
Deluxe mit 3 weiteren Songs
"Players And Losers"
https://www.youtube.com/watch?v=kC-x51VRMLI
"Keep On Dreaming"
https://www.youtube.com/watch?v=0eAYoFP00qo
"House Demo Version"
https://www.youtube.com/watch?v=tbQLPdlFJ2c
hideout
2024-09-26 20:27:33
Für mich besteht der Unterschied zwischen dem Debüt und dem schönen Rest darin, dass ausschliesslich auf dem Erstlingswert Songs dabei sind, bei denen ich richtig Gänsehaut bekomme. Habe die Band zudem nicht mit dem Erscheinen von "Id you wait" kennengelernt, sondern einige Jahre später als ein Song in einem Film gespielt wurde. Mag trotzdem alle Platten, nur die höchsten Spitzen gibt es in der Diskografie gleich zu Beginn.
musie
2024-09-26 16:44:43
Einem ersten Album haftet halt auch immer der Zauber von etwas Neuem an. War bei The xx und Cigarettes After Sex auch so. The Greatest Love finde ich aber schon ein starkes Album.
Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.
Referenzen
Spotify
Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv
Threads im Forum
- London Grammar - The Greatest Love (34 Beiträge / Letzter am 09.10.2024 - 07:17 Uhr)
- London Grammar (4 Beiträge / Letzter am 05.04.2024 - 11:18 Uhr)
- London Grammar - The remixes (5 Beiträge / Letzter am 28.08.2023 - 17:53 Uhr)
- London Grammar - Remix Album (1 Beiträge / Letzter am 15.08.2023 - 21:23 Uhr)
- London Grammar - If you wait (48 Beiträge / Letzter am 27.11.2022 - 14:26 Uhr)
- London Grammar - Californian Soil (69 Beiträge / Letzter am 16.09.2021 - 00:02 Uhr)
- London Grammar - Truth is a beautiful thing (25 Beiträge / Letzter am 09.08.2021 - 10:01 Uhr)