Kraków Loves Adana - I saw you I saw myself

Kraków Loves Adana
VÖ: 13.09.2024

Nach dem Dazwischen

Die Synthies wabern und blubbern. Der Drumcomputer drumcomputert. Und "The fire has gone" möchte wissen, wie tief nach unten die Stimme von Deniz Çiçek hier, in genau diesem Augenblick eigentlich reicht. Die Antwort: fast so tief wie in "Like a dagger", das unmittelbar anschließt. Der Albumtitel "I saw you I say myself" wird in den ersten beiden Songs in umgekehrter Reihenfolge bereits ausbuchstabiert. Auf die Introspektion – "The fire is gone / For way too long / I'm on my own" – folgt die Interaktion. Oder zumindest der Versuch. "Eyes like a dagger / I will never / Never get her." Gesetzt ist damit aber auch der musikalische Rahmen, in dem sich ausnahmslos alles bewegt, was dann noch kommt. Elektronisch. Minimalistisch. Çiçek braucht auch auf dem achten Album ihres mittlerweile Ein-Frau-Projekts Kraków Loves Adana nicht viel. Irgendwo zwischen Dreampop und New Wave, getaucht in kühles Neonlicht, mal abgespannt und dann wieder verhalten euphorisch, wirken auch die neun Songs auf "I saw you I saw myself" vor allem durch die Stimmung, die sie heraufbeschwören.

Kritisch ließe sich anmerken, dass "I saw you I say myself" dadurch auf lange Sicht ein wenig überraschungsarm gerät. Keine unverhofften Reminiszenzen an die analog-akustischen Tage von "Beauty", wie sie jüngst auf der EP "Nothing's set in stone" zu vernehmen waren. Und auch keine illustren Gäste wie auf dem Vorgängeralbum "Oceanflower", wo sich Adam Miller und Ruth Radelet die Ehre gaben, Kopf und Stimme der wunderbaren Chromatics. Einerseits. Andererseits ist "Rhythm of the rain" der vielleicht schönste Chromatics-Song, der nicht von Chromatics stammt (wobei auch der überaus gelungene Titeltrack der Band seine Reverenz erweist). "Oh I'd do it again and again and again / I'd do it again and again and again", sind Çiçek darin. "Whatever happens in the end / It will be my end." Und noch ein Gutes hat der der Hang zur Einfachheit: Çiçeks Stimme kommt ungestört zur Geltung. Und damit auch die Lyrics, die davon erzählen, wovon Pop (fast) immer erzählt. Liebe. In unterschiedlichsten Schattierungen, aber bevorzugt in den dunkleren.

"Break my own heart", bereits vorab als Single ausgekoppelt, wagt hingegen den Optimismus, was aber die geschilderte Situation – der Song handelt von einer toxischen Beziehung und davon, wie sie endet – gleich noch eine Spur bitterer wirken lässt. Und selbst wenn Çiçek wie in "The greatest" immer und immer wieder die Schönheit des Lebens herbeiruft, hängt da im Hintergrund ein unhörbarer, wehmütiger Seufzer in der Luft. Doch allem Wenn und Aber zum Trotz: Unterm Strich ist "I saw you I say myself" kein Album, das einen nach dem Hören vollends deprimiert zurücklässt. Sondern eines, dass in seiner unumwundenen Direktheit auch eine besondere Wärme ausstrahlt. Vielleicht kann man es so ausdrücken: Kraków Loves Adana, das ist auch im Jahr 2024 kein Pop, der die grelle Mittagssonne oder die Stroboskopgewitter auf dem Dancefloor sucht. Das ist Pop, der das Dazwischen und das Danach liebt. Der uns nach der Nacht im Club im ersten zaghaften Sonnenlicht wieder nach Hause bringt. Ein wenig erschöpft. Ein wenig melancholisch. Aber für einen Moment auch erfüllt.

(Markus Huber)

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