Rea Garvey - Halo
Island / UniversalVÖ: 13.09.2024
Der irische Patient
Für Raymond Michael "Rea" Garvey wird es 2024 ernst. Die Ü50-Phase hatte Deutschlands medial präsentester Plattentests.de-Legacy-Act bereits vor Jahresmitte eingeläutet, als er 51 Jahre alt wurde. Und auch sonst standen harte Einschnitte an. Einen davon nahm ihm seine Frau ab, die sich von ihm statt des Wagenknecht-Dutts mal einen New-Kids-Vokuhila wünschte. Warum denn nicht? Garveys neue Soloplatte "Halo" ist derweil seine sechste. Und enthält, so liefert die Voice of Ireland selbst die Phrasenvorlage für seinen Promo-Waschzettelschreiber: sein "bisher bestes Werk". Wir wissen nicht, was seine Frau sich von "Halo" an Überraschungen erhofft hatte. Wir wissen sehr wohl, was wir uns davon für Überraschungen erhofft hatten. Denn "Halo" steigt wieder mit einem Hauch von Ahnung ein, was bei diesem Mann möglich wäre. Überhaupt: Neue Musik von Deutschlands beliebtestem Iren seit Arthur Guinness sollte Aufhänger für tausend Klatschspalten bieten. Stattdessen streiten die Gala, TikTok, Instagram und selbst der Nachrichtensender n-tv seit Monaten darüber, ob die neue Haarpracht denn nun ein Upgrade oder ein Downgrade sei. Die Art Directoren der Brigitte-Cover sollen sogar bereits mit Vorher-Nachher-Bildern samt Ankreuzkästchen auf dem Titel experimentieren. Eine haarige Angelegenheit. Und für uns kein gutes Vorzeichen. Wir heißen schließlich nicht Frisurentests.de. Und begeistern uns für aufregende Musik erheblich mehr als für schnittige Starschnitte.
Sagen wir deshalb direkt, wie es ist: "Halo" ist ein Album voller Musik im Dauer-Konjunktiv-II. Rea Garvey hätte auch mit diesem Album all-in gehen können. Er hätte von seinen musikalischen Erfüllungsgehilfen und Yes-Men im Umfeld gechallenget werden und eine pluckernde Indietronic-Platte produzieren können. Oder als Kontrastprogramm ein räudiges Dutzend Grindcore-Geboller einbrüllen dürfen, das in jeder Casting-Show geblockt worden wäre. Garvey hätte aber auch einfach Popsongs schreiben können, die mal nicht überwiegend Fahrstühle, Supermärkte und Büroräume mit störungsfreien Grundgeräuschen beliefern sollen. Kurz: Er hätte mit seiner Musik so viel Sprengstoff liefern können wie mit seinem neuen Erscheinungsbild. Die Möglichkeiten wären endlos. Schließlich ist Garvey schon lange kein junger Irland-Refugee mehr. Oder ein klammer Musikus mit Aufbau-Potenzial. Sondern ein gemachter Unternehmer. Und so gesettelt, dass ihn nicht mal eine Corona-Dauerwelle mehr aus den Stiefeln hauen könnte. Stattdessen ist der überwiegende Teil auch dieser Platte gefällige Gebrauchsmusik mit Vierviertelgedöns, bräsigen Synthesizern, Kinderliedermelodien, mehr Effektgewitter als spannenden Geschichten und zu viel kultureller Egalung. Und als solche wie gebucht für die 4/10, die Garvey bei uns abonniert zu haben scheint wie andere Menschen Netflix. Ein Popstarleben wie eine banale Phase, die nie enden will. Verdammt.
Denn so experimentierfreudig sich Garvey auch sonst präsentieren mag: Sich selbst mit seiner Musik herausfordern, das tut er hier nicht. Natürlich: En detail ist jeder Klang auf "Halo" so professionell produziert, dass er fließend in eine Alete-Werbung ein- und ausgeblendet werden könnte, ohne an einem Gläschen anzuecken. En song ist "Halo" hingegen zu oft eine Wall-Of-Lala, die selbst die Leser der Adel Aktuell kaum vom Schmökern ablenken dürfte. Kein Zufall also, dass alle Welt bislang mehr über Haare als über Vorab-Singles debattierte. Und absolut gewollt, dass bislang kein einziger Abschnitt dieses Artikels einen der vielen anonymen Songs beim Namen nennt. Oder erheblich mehr in die Tiefenanalyse geht als die Musikprofis der Gala. Wo ist der Sinn, sich detailliert mit Garveys neuen Sounds zu beschäftigen, die weitestgehend Garveys alte Sounds sind? Das ist schade. Denn "Halo", Garveys Titelsong, Mutmacher und Liebeserklärung an seine Tochter Aamor, ist ein gefühlsechter Popsong ohne Berührungsängste, der im Stresstest selbst unseren Metal-Hardliner Markus fast zum Popper umpolen könnte. Deshalb ein moralisches Angebot: Lieber Rea, wir werden Dich niemals aufgeben. Du bist bereits länger ein Teil von uns als Nick Cave, Fiona Apple, ja, selbst die verdammten Radiohead. Du bist Legende! Aber umgib Dich bitte mit Menschen, die Dich kitzeln. Die Dich herausfordern. Die das aus Dir rausholen, was wir als Deine Freunde fürs Musikerleben von Anfang an in Dir gehört haben. Dann wirst Du auch endlich diese 4/10 los. Wir bleiben da, bis es so weit ist. Und lösen uns erst auf, wenn wir das geschafft haben. Zusammen. Versprochen!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Halo
Tracklist
- Halo
- Free like the ocean
- Perfect in my eyes
- Somehwere close to heaven
- New day tomorrow
- I give up I love you
- Yeah yeah yeah yeah
- I don't wanna go
- Make it rain
- To love
- Loving you hurts
- Only love
- Together
- Carry me
Im Forum kommentieren
Armin
2024-09-15 14:13:40- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
MickHead
2024-09-13 15:49:20
Der hier sehr verehrte und geliebte irische Sänger und Gitarrist "Rea Garvey" brachte heute zur Freude aller Forum User, sein 6. Studioalbum "Halo" ans Licht der Öffentlichkeit. Respekt wär's selber macht. Da werden hier manche regelrecht vor Begeisterung ausflippen.
"Halo" (Playlist bei YouTube):
https://www.youtube.com/playlist?list=OLAK5uy_kSuLeg5uW8hl-gwYUOsjpmTSheAu_d9FU
Laut.de hat was dagegen!
https://www.laut.de/Rea-Garvey/Alben/Halo-123911
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