Noga Erez - The vandalist

Atlantic / Warner
VÖ: 20.09.2024
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Let's fucking go

"Mach kaputt, was Dich kaputt macht" ist eine Devise, die gut zur israelischen Künstlerin Noga Erez passen könnte. Die ist in ihrer Musik nämlich nicht selten abgefuckt und deswegen angriffslustig. Was sie aber auf ihrem bereits dritten Album erneut schafft: Die aufkommende Destruktivität in energetische Pop-Songs zu pressen, die als kleine Brillanten funkeln. Dabei channelt sie nicht nur ihre großen Held*innen aus verschiedensten Genres, sie arbeitet im Zweifel sogar mit der ein oder anderen Person zusammen. So könnte "The vandalist" theoretisch Gefahr laufen, zu überladen, zu überdreht, zu viel von allem zu sein. Aber da soll sich erst mal einer trauen, ihr das ins Gesicht zu sagen.

Stimmt halt auch nicht wirklich, obwohl Noga Erez wie ein Irrwisch durch ein aufregendes Album fegt. Für die spannende Sängerin, die sie ist, hat sie nämlich auch mal eben mehr Rap-Talent im kleinen Finger als ein Großteil ihrer Konkurrenz. Das demonstriert sie zum Beispiel auf "Ayayay", einem lateinamerikanisch beeinflussten Clubsong mit dumpfer Bassline, vibrierenden Drums und einem spanischen Gastpart des argentinischen Rappers Dillom. Oder in "A+" neben dem auf hebräisch rappenden Ravid Plotnik auf einem in die Neunziger schielenden Beat und der sehr hiphoppigen Aufforderung: "Stick it up your aaaaay!" Und mit dem US-Duo Flyana Boss aus L.A. auch auf dem vibigen "Sad generation, happy people", das sehr auf Call and Response ausgelegt ist und frech die Zunge raussteckt. Besonders markant ist aber ihr hoppelnder Flow auf dem antreibenden Klavierloop in "Nogastein", bei dem sie kurioserweise ganz stark an Eminem erinnert und in der zweiten Strophe ganz ähnlich dem US-Amerikaner mit Stimmbearbeitung spielt.

Natürlich ist Rap aber nur ein Teil von Noga Erez' musikalischer Identität, die auch 2024 am einfachsten durch den Vergleich mit M.I.A. erklärt ist – dafür höre man sich exemplarisch nur mal "Dumb" an. Sie kann aber auch ordentlich Pop-Ballade, die den Kopf leicht in Richtung Bond-Soundtrack neigt. Dafür ist mit dem riesigen "Godmother" zwar auch der Adele-artige Refrain der israelischen Gastsängerin Eden Ben Zaken verantwortlich, aber es ist mystisch und verzaubernd, wenn Erez in der Bridge mehrfach wiederholt: "Mommy from the desert / Daddy from the snow / And I am everywhere cause I got nowhere to go." Oder sie macht es verschmitzt und verführerisch wie in "Police", das sich gut in einer Playlist mit Ariana Grandes "Dangerous women" machen würde und mit flehenden, aber wissenden Augen bettelt: "Please don't call the police, I know I did something bad / I'm not in peace with myself, please I'll clean my own mess."

Neben modernen Drumloops, Synthies und Rap gibt es bei Noga Erez eben auch funkige Bässe, jazzige Pianos und das im spielerischen Wechsel und nie verlegen um die Extrameile. Wie die drückenden Bläser und Streicher in "Danny", die für keinen Geringeren als Robbie Williams aufgezogen werden, mit dem Erez auch 2023 schon das ikonische "Kids" als Minogue-Ersatz live gespielt hat und uns daran erinnert, dass der Brite nicht umsonst für ein paar der besten Pop-Duette der vergangenen Jahrzehnte verantwortlich ist. Das einzige leise Durchatmen, das "The vandalist" zulässt, gibt es im vorletzten Song "Mind show", wenn die Sängerin mit der Gitarre in der Hand ganz nah am Mikrofon und noch näher am Herzen der Hörer*innen zu sein scheint, bevor Streicher die Intimität zerschneiden, als würde das Spotlight plötzlich den Blick auf den größeren Raum enthüllen. Wenn Noga Erez im abschließenden "Oh, thank you!" dann eine lange Aufzählung von Künstler*innen und Einflüssen in hoher Geschwindigkeit runterrappt und einfach mal danke sagen will, dann bleibt an dieser Stelle nichts anderes übrig, als sich anzuschließen: Danke, Noga Erez!

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nogastein
  • Godmother (feat. Eden Ben Zaken)
  • Police

Tracklist

  1. Vandalist
  2. Dumb
  3. PC people (feat. Rousso)
  4. Come back home
  5. A+ (feat. Ravid Plotnik)
  6. Ayayay (feat. Dillom)
  7. Smiling upside down
  8. Hey, hi
  9. Sad generation, happy people (feat. Flyana Boss)
  10. Nogastein
  11. Godmother (feat. Eden Ben Zaken)
  12. Police
  13. P.L.E.A.S.E.
  14. Danny (feat. Robbie Williams)
  15. Mind show
  16. Oh, thank you!
Gesamtspielzeit: 55:06 min

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Hierkannmanparken

2024-10-08 11:52:23

Die Songs an sich machen schon Spaß. Sobald ich auf den Text achte, ist es vorbei. Diese beabsichtigte Bissigkeit geht für mich gar nicht auf. Dumb, PC People und A+ finde ich unangenehm schräg. Dann noch die immer wieder eingestreuten Kinderreime und dieses Nänänänänäänää. Finds einfach kindisch :D

Klaus

2024-09-24 13:53:54

Hab es gestern auch mal gehört und.... es ist wie immer mit Noga Erez.

habe sie ein paar mal Live gesehen, das war eigentlich immer ziemlich gut. Auf Alben hab ich das Gefühl, dass sie immer sehr zwischen den Stühlen sitzt, ob sie nun eigentlich eher Popmusik machen möchte, oder eben Rap oder irgendwas dazwischen. Die Tracks dazwischen sind meist am wenigsten gelungen. Die Rap-Parts missfallen mir, weil es oftmals Inhalt ist, dass man gerade einen Rapsong performt. Das ist ein bisschen dürftig.

Im großen und ganzen wäre das bei mir wohl mit 6/10 weggekommen.

Und Rousso klingt jedes Mal wie Manu Chao, es ist schon sehr witzig.

ijb

2024-09-24 13:37:21

Mir gefällt das Album weitgehend sehr gut. Es ist eine souveräne, spannende Weiterentwicklung ihres Sounds, nach den beiden ebenfalls schon sehr guter Alben.
Das einzige, was mich wirklich irritiert, ist, dass Noga Erez recht häufig so eine seltsame Comic-Stimme einsetzt. Ich weiß nicht, ob das ein nachbearbeiteter Stimmeffekt ist oder ob sie das ohne Effekt so macht, aber es ist mir auch schon beim Release-Konzert am Sonntag extrem aufgefallen. Das ist doch irgendwie so eine Spielerei, die in einem bestimmten (Sub-)Genre der (Mainstream-)Popmusik in den letzten Jahren "in" geworden ist (oder?) - oder kann mich da vielleicht jemand aufklären, was es damit auf sich hat?
Manchmal hörte ich diesen Effekt auch bei anderen Popsängerinnen und war/bin mir immer nicht sicher, ob das eine ironische Brechung sein soll oder was der Grund ist, das so zu machen...

Das ist allerdings auch das einzige, was mir bei Noga Erez auch schon beim letzten Album und der Promotion etwas bedauerlich aufgefallen ist: so eine unnötige Anbiederung an etwas, das "hip" sein soll. Ich erinnere mich da an sehr, sehr seltsame Fotoserien (z.B. im Musikexpress) – und jetzt muss auch dieser sehr alberne Modetrend mit der Baseball-Cap mitgemacht werden... :-| Mir fällt's immer ein bisschen schwer, Leute Mitte 30 oder Mitte 40 ernst zu nehmen, die alle mit der identischen Baseball-Cap rumrennen.

Armin

2024-09-15 14:12:52- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Armin

2024-08-21 13:29:29- Newsbeitrag



Einen Monat vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums „The Vandalist“ gibt Noga Erez einen weiteren Ausblick auf das kommende Werk. „GODMOTHER“ ist eine Kollaboration mit der israelischen Kollegin Eden Ben Zaken und einer von Erez‘ erklärten Lieblingssongs auf dem neuen Album.


„You’re too cold for my blood / There’s no need to pretend / If you want me around / Beg“, singt Erez über eine James-Bond-reife Produktion mit satten Bassbeats und orientalischen Verzierungen, während Eden Ben Zaken im Refrain für dramatische Größe sorgt. Oben gibt es das offizielle Musikvideo zum Song zu sehen. Noga Erez kommentiert: „GODMOTHER ist einer meiner Lieblingssongs auf dem Album. ROUSSO gab mit seinem Beat die Inspiration für diesen Song, der von einer Reise handelt, davon, immer in Bewegung zu sein und umherzuschweifen. Es ist ein Song über Identität, darüber, sich isoliert zu fühlen. Ich bin so stolz darauf, dass die unglaubliche Eden Ben Zaken in diesem Song mitwirkt.“


Am Tag vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums, dem 19. September, kann man Noga Erez beim Reeperbahn Festival in Hamburg erleben. Für den 22. September hat die Musikerin außerdem eine besondere, intime „The Vandalist“ Release-Show in Berlin angekündigt. „GODMOTHER(feat. Eden Ben Zaken)” folgt auf die bereits veröffentlichten Vorboten „Vandalist”, „Come Back Home”, „PC People (Ft. ROUSSO)“ und „AYAYAY (feat. Dillom)“ des kommenden, dritten Albums „The Vandalist“ der Alternative-Pop-Sängerin, das am 20. September 2024 über Neon Gold/Atlantic Records erscheint.

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