Maxim Biller - Studio
Greedy For Best Music / IndigoVÖ: 23.08.2024
Von oben herab
Es wird viel zu wenig über Promotexte gesprochen – also jene Schriftstücke, mit denen Plattenfirmen, Vertriebe oder Agenturen den geneigten Musikjournalisten neugierig auf das zu rezensierende Werk machen. Viele der Promotexter*innen machen einen guten Job, konzentrieren sich auf eine Kernaussage, nennen korrekte Referenzen und nehmen dem Rezensenten damit schon mal einige Vorarbeit ab, setzen ihn aufs richtige Gleis. Dann gibt es da aber auch jene Vertreter*innen der Zunft, die mit allzu kühnen Behauptungen, unglaubwürdigen Lobhudeleien und absurden Superlativen nur so um sich werfen. So auch bei Maxim Billers Album "Studio". Hier heißt es im Werbematerial doch tatsächlich, wir müssen ausnahmsweise mal großflächig zitieren: "'Studio' ist ein beeindruckendes, zeitloses Werk, das sich (...) an Größen wie Leonard Cohen, Serge Gainsbourg oder Paolo Conte anlehnt (...) Einen singenden Schriftsteller im deutschsprachigen Raum – das hat es schon Jahrzehnte nicht mehr gegeben!"
Hat es nicht? Und was ist mit Markus Berges? Sven Regener? Thomas Kapielski? Thomas Meinecke? Heinz Strunk? Rocko Schamoni? Und all den anderen? Okay, bleibt noch die Frage, ob Biller wirklich musikalisch und textlich in einer Liga mit Gainsbourg, Cohen, Conte oder Lou Reed spielt. Im Opener "Herr Minister" geht's noch ziemlich gut los, hier treffen leicht angezerrte Schrabbelgitarren auf ein sambaeskes Rhythmusbett, während Biller mit exaltiertem Nuschelgesang à la Bernd Begemann recht elegant und stilsicher Machtmissbrauch in der Politik – bis hin zur sexuellen Belästigung – zur Sprache bringt. Doch leider verfängt weder die Musik noch die Pose des Sängers auf der Langstrecke. Musikalisch oszilliert "Studio" irgendwo zwischen Lagerfeuer, Calexico-Sound und einer gewissen Schunkeligkeit; einer Schunkeligkeit, die beispielsweise bei Element of Crime gut funktioniert, weil sie durch den rotzigen Gesang, dadaistisch-besoffene Texte und die authentische Slacker-Persönlichkeit von Sven Regener gegen den Strich gekämmt wird.
Dass ein Mix aus pfiffigen deutschen Texten und angenehm konsumierbarer, handgemachter Musik grundsätzlich aufgehen kann, zeigt aber auch ein Götz Alsmann: weil bei ihm Selbstironie, sichtlicher Spaß an der Freude und Herzensbildung aus jeder Zeile und jeder Note durchscheinen. Bei Biller hingegen klingt's leider immer allzu naseweis, besserwisserisch, lapidar und von oben herab, weshalb es im Verlauf des Albums zunehmend schwerfällt, Sympathie für das "lyrische Ich" zu empfinden. So heißt es zum Beispiel in "Berlin Girl": "Sie kam allein nach Berlin / Wo sie vorher war, hatte das Leben keinen Sinn / Papa stotterte, Mama war nie da / Und jetzt wär sie gern ein Star." Man könnte das so singen, so sprechen, so intonieren, dass Mitgefühl durchschimmert. Bei Biller hingegen ist da immer diese ironische Gefühlsimprägnierung, die an vielen Stellen keine echte Liebe für die Protagonist*innen oder Sujets spüren lässt, dafür umso mehr Selbstverliebtheit. Auf der Habenseite von "Studio" steht, dass es handwerklich insgesamt solide gemacht ist. Hier und da ("Haus Nummer 13" oder "Movie Man") finden sich überraschende Akkordfolgen oder auch eine witzige Instrumentierung (Vibraphon, Mundharmonika). Kein Song fällt unangenehm heraus, das Album hat insgesamt einen guten musikalischen Fluss. Trotzdem darf nach aktuellem Kenntnisstand bezweifelt werden, dass es sich wirklich um ein "zeitloses Werk" (siehe oben) handelt. Dafür ist es am Ende zu beliebig, unangenehm checkerhaft und selbstgerecht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Herr Minister
- Fuer Maeve Brennan
Tracklist
- Herr Minister
- Haus Nummer 13
- Berlin Girl
- I'm alright, I'm okay
- Miss Bipolar
- Movie man
- Die Kriegsreporterin
- Revolution von oben
- Kleine Horrorshow
- Für Maeve Brennan
- 6 Uhr 30
- Das Leben in den Farben von Tavor
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Armin
2024-09-15 14:12:30- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- Maxim Biller - Studio (1 Beiträge / Letzter am 15.09.2024 - 14:12 Uhr)