Illuminati Hotties - Power

Snack Shak Tracks / Hopeless
VÖ: 23.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Mittelfinger runter

2020 kamen im Zuge von "Free I.H.: This is not the one you've been waiting for" Zweifel auf, ob "Tenderpunk", das von Sarah Tudzin selbstgewählte Label für ihr Bandprojekt Illuminati Hotties, noch aktuell sei. Vier Jahre und zwei Alben später stellt sich diese Frage wieder, diesmal allerdings aus der anderen Richtung. Lederte besagtes Mixtape dezidiert unzärtlich gegen das Musikbusiness ab, hat sich Tudzin mittlerweile den Punk-Geist ausgetrieben. "Power" untergräbt zwar keineswegs seinen Titel, bereitet seinen poppigen Indie-Rock aber mit weitaus weniger schwarzem Humor und Krach-Ausbrüchen auf, als man es von Illuminati Hotties gewohnt ist. Vieles ist seit der Entstehung des Vorgängers "Let me do one more" passiert: Die regulär als Tontechnikerin, Mixerin und Produzentin arbeitende Musikerin gewann einen Grammy für ihre Beteiligung an Boygenius' "The record", heiratete ihre Partnerin Maddie Ross und musste den Krebstod ihrer Mutter betrauern. "Power" begegnet diesen emotionalen Tumulten mit erstaunlicher Aufrichtigkeit.

"I triple book my Saturdays / But I pretend / My program keeps me from freaking out." Der Opener "Can't be still" verpackt das Spannungsfeld zwischen Arbeitswut und drohendem Burnout mit Riffs und Hooks, die sofort zünden und sich auch nicht von Tudzins Gepfeife stören lassen. Der Song bildet ein thematisches Triplet mit zwei späteren Nummern, die ebenfalls den alltäglichen Struggle in den Fokus rücken. "I'm stubborn enough / To give it up / Or give'em hell", heißt es in "The L", das sich etwas mehr Dreck auf die Gitarren kippt, um in der Bridge alles zum leisesten Moment des Albums runterzufahren. Das gleichsam mit softem Neunziger-Rock hantierende "Didn't" träumt gemeinsam mit Cavetown davon, dem zerrädernden System komplett abzusagen. Dem musikalischen Kollaps nahe kommt nur "What's the fuzz", das seinem dissonanten Feedback und den mit mehr Nachdruck als sonst bearbeiteten Drums allerdings auch wacker standhält.

Die glattere Form von "Power" ist keine Schwäche, sondern im Gegenteil eine dem Inhalt gerecht werdende Stärke, da die Platte zu nicht unwesentlichen Teilen aus Liebeserklärungen besteht. Der wundervollen, shoegaze-nahen Hymne "Throw (Life raft)" hört man die Herzaugen auch ohne Blick auf die Lyrics an, ehe "Sleeping in" luftig perlenden Jangle-Pop und verstrahlte Gesangsharmonien nutzt, um die Vorliebe fürs Ausschlafen der geliebten Person zur eigenen Passion zu machen. Tudzin ist so verliebt, ihre Frau könnte sogar das Haus anzünden oder ihre Reifen zerstechen, ohne dass sich etwas ändert, wie "I would like, still love you" verkündet. Eine bitteren Beigeschmack entwickelt der Spätsommer-Hit "Falling in love with somebody better": Eindrückliche Sprachbilder wie "She's pulling each word out of me like a splinter" verschränken sich mit dem Bedauern, dass die direkt angesprochene Mutter die Partnerin nicht mehr kennenlernen konnte.

Manchmal hätte man sich ein paar mehr solcher Bruchmomente wie "YSL" gewünscht, das kurz vor Albumschluss plötzlich messerscharfen Post-Punk mit Charli-XCX-ähnlichen Vocal-Manipulationen auffährt. Doch Tudzins Produktionsskills versehen selbst die ruhigsten Tracks mit genug Details, um nie der Gleichförmigkeit anheimzufallen. Das auf einem intimen Fundament gebaute "Rot" faltet seine Niedergeschlagenheit mit Akkordwechseln, zusätzlicher Percussion und dröhnendem Cello auf, was dem dynamischen "You are not who you were" mit anderen Elementen gleichsam gelingt. Der wieder an die Mutter gerichtete Titeltrack formt einen Heizstrahler aus Akustikgitarre, Synths und Streichern und offenbart, um welche Kraft es eigentlich die ganze Zeit ging: "I wanna be where you are / I wanna feel your power." Wenn Sarah Tudzin auf Herzen statt auf gefühlslose Industriemechanismen zielt, bleibt sie genauso treffsicher.

(Marvin Tyczkowski)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Can't be still
  • Throw (Life raft)
  • Sleeping in
  • Power

Tracklist

  1. Can't be still
  2. I would like, still love you
  3. Throw (Life raft)
  4. Rot
  5. Falling in love with somebody better
  6. The L
  7. Sleeping in
  8. Didn't (feat. Cavetown)
  9. You are not who you were
  10. What's the fuzz
  11. YSL
  12. Power
  13. Everything changes
Gesamtspielzeit: 37:09 min

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Saschek

2024-09-15 23:07:02

Gefällt mir auf jeden Fall sehr. Klar - ab zu zu fast ein bisschen zu gefällig. Aber so what? :)

Armin

2024-09-15 14:13:55- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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