NEØV - Soft atlas

Motor / Universal
VÖ: 23.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Wenn die Glaskugel verdunkelt

Auch hoch oben im Norden Europas, von Finnland aus gesehen, zeigt der Blick auf die politische Weltlage zwar noch Umrisse der demokratischen europäischen Staaten-Landschaft, doch drohen diese Konturen mehr und mehr zu verpixeln. Dass ein heftiges Unwetter aufziehen könnte, dass Rechtspopulisten und -extremisten die EU und den Gemeinschaftsgedanken bald komplett vor sich hertreiben werden, dass diese furchteinflößende Entwicklung hin zum Nationalistischen womöglich gerade erst am Anfang steht: Das alles scheint bittere Realität.

Doch schon "Feel", der Opener von "Soft atlas", streicht uns sanft über die Haut, pulsiert mit seinem Beat langsam über den Bauch und fleht: "Don't close that door / There's my love that you can take." Hach ja! Die Brüder Anssi und Samuli Neuvonen wählen mit NEØV anno 2024 den vielleicht nervenschonendsten Protest hinsichtlich der eingangs skizzierten Bedrohung, den es in diesen Tagen geben kann: Mit Ruhe und Gelassenheit appellieren sie an den Zusammenhalt, an das Zwischenmenschliche, das ja nicht weg ist, das Halt gibt. Warum nicht gemeinsam tanzen? Das feine "A little taste" dockt beim melancholischen Wohlfühlfaktor von The Cure an und bleibt dazu lange im Ohr.

A propos Ohrwurm: Gaben sich NEØV auf dem tollen Vorgänger "Picture of good life" auch mal abseitiger und unvorhersehbarer, darf es heuer durchweg melodisch-umarmend sein. Das ist aber, wenn überhaupt, nur minimal weniger spannend. Weil die Songs der Finnen passen. Mit "Softer" gelingt den Neuvonen-Brüdern gar ein Nada-Surf-Stück erster Klasse – Stichwort Arrangements in den Strophen und der Refrain-Harmonie. Vielleicht war Menschenfreund Matthew Caws ja mal auf einen Kaffee in Finnland? Ruhiger, nur mit der Akustischen, zieht "Just like you lived in the 80s" in seine spezielle Aura, Synthies tragen uns ebenso sanft wieder heraus. Kühlere Sounds, ein wenig auf 80s-Industrial gelagert, bringt das atmosphärische "Letters", während "You can't bring me down" mit stoischem Schritt nach vorn schaut.

Das fünfte NEØV-Album wurde im bekannten Sundlaugin Studio in Mosfellsbær/Island mit Birgir Jón Birgisson (Sigur Rós, Björk) aufgenommen und von Niklas Berglöf (Peter Bjorn And John, Ghost) in Stockholm gemischt. "All my friends / Are you okay / Are we okay?!" ruft Neuvonen in "Friedrichshain", kämpft sich dabei mit aller Kraft durch eine vorzüglich geschichtete Gitarrenwand, welche die Last des Alltags reflektiert und ein wenig bei Mogwai abguckt. Inmitten von Gitarren-Lines, die Interpol huldigen. Namedropping hin oder her: Was für ein großartiger Song! Der inhaltlich für die acht anderen Stücke spricht: NEØV möchten ihre Zuhörer bewegen, vom kleinen Zusammenhalt zur großen Basis, zur breiten Bewegung. Solange die eigentlich mächtigen Hebel der Politik in Ohnmacht verharren, ihre abgekauten Rezepte gegen Lügen und Populismus nicht verändern, vielleicht ein gangbarer Weg. Wahrscheinlich trägt es auch zum Seelenheil bei, "Soft atlas" zu hören, ein wenig im Wohlklang zu schwelgen – und vor allem nicht jeden Tag in die düstere Glaskugel schauen zu müssen.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A little taste
  • Friedrichshain
  • Softer

Tracklist

  1. Feel
  2. A little taste
  3. Friedrichshain
  4. Just like you lived in the 80s
  5. Softer
  6. Letters
  7. You can't bring me down
  8. The water
  9. Meadows & paperbacks
Gesamtspielzeit: 43:18 min

Im Forum kommentieren

BunteKuh

2024-09-18 21:57:36

Mir gefällt es nach 2x Hören schon sehr gut.
8/10 hätte man geben können.

MickHead

2024-09-07 12:36:59

Muss wohl nahe an der 8/10 gekratzt haben.
Bis vielleicht auf "The Water" ein durchgehend gelungenes Album!

Hierkannmanparken

2024-09-07 11:58:27

Ich eher nicht. Ist alles ganz nett, der zweite Track ein positiver Ausreißer.

Ich musste an Lo Moon denken, wo es ja auch um die Sorge ging, mit Sound und Komposition nicht weit genug zu gehen. Das ist hier ganz klar der Fall, finde ich. Es fehlt einfach was.

Cayit

2024-09-07 11:04:18

Nur 7/10...
Hätte locker mehr erwartet.

Armin

2024-09-07 10:21:47- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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