Midwife - No depression in heaven
The FlenserVÖ: 06.09.2024
Nichts kann, alles muss
Wie träge und verträumt darf etwas sein, bevor es nicht doch schon etwas langweilig wird? Madeline Johnston lotet dieses Spannungsfeld schon zum vierten Mal mit einem Release ihres "Heaven metal"-Projekts Midwife aus. Und quasi doppelt so oft, wenn man ihre Releases als Mariposa und Sister Grotto mitzählt. Wobei das natürlich absichtlich provokant formuliert ist, stand sie doch, ob solo oder als Kollabo-Partnerin, bis jetzt immer auf der richtigen Seite der musikalischen Geschichtsschreibung. Nur Geduld muss man eben haben und das hat sich auch auf "No depression in heaven" nicht geändert, das mit spärlicher Instrumentierung und wenigen Worten seine Slowcore-Atmosphäre aufbaut.
Das funktioniert vor allem über Fuzz-Gitarrensounds und langsam tröpfelnde Geschwindigkeit. Der siebenminütige Opener "Rock n roll never forgets" beginnt mit einzelnen Tastentönen, weit entferntem Gesang und klingt ungefähr so, wie wenn Chromatics niemals ihr Haus verlassen würden. Dabei sind die wenigen Wörter, die Johnston in den Songs gern immer und immer wieder wiederholt nicht mit Faulheit zu verwechseln. Gerade durch die Wiederholung graben sie sich tiefer ins Bewusstsein und werden in "Droving" fast zur Manifestation genutzt: "Every dog has its day." Deutlich fatalistischer stützt sich "Vanessa" auf ein kaltes Drumgerüst, das Kraftlosigkeit evoziert und auf dem Midwife den Ausgang der Geschichte schon von Anfang an kannte: "I knew that I would always love you / And I always knew that you'd run." Alles immer mit einer Stimme präsentiert, die genauso gütig wie sehnsuchtsvoll und unerreichbar zu sein scheint. Als eine Silhouette zu erkennen, ohne dass man sie je erreichen kann.
Mit dem Ansatz, nicht alles bis zur Perfektion austüfteln zu wollen, sondern eher viel frei fließen zu lassen, ist "No depression in heaven" nicht ziellos, aber lässt sich vor allem treiben. Die sieben Songs laufen nicht auf Highlights hinaus, es gibt keinen Aufbau, der auf ein Ziel hinarbeitet. Höchstens in der Single "Killdozer", welche die Geschichte von Marvin Heemeyer aufgreift, der 2004 mit einem umgebauten Bulldozer in Colorado auf Amokfahrt ging, geht Johnston etwas mehr aus sich raus, und die Gitarrenmelodie ist auffallend warm. Ähnlich warm, wie sich der traurige Titelsong am Ende des Albums anfühlt, obwohl er weint und weint und weint. Aber genau darum geht es bei der Musik von Midwife, die sich wie die kurzen Momente anfühlt, in denen man mit Kopfhörern auf dem Bett oder einer Wiese liegt und der Geist kurz davor ist, sich vom Körper zu trennen und man ein paar Sekunden auf sich selbst schaut. "No depression in heaven" ist Musik, um sich fest zu drücken und zusammen zu weinen, um dann doch noch mindestens ein Jahr weiterzumachen. Darf sie das? Sie muss!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Rock n roll never forgets
- Droving
- Killdozer
Tracklist
- Rock n roll never forgets
- Autoluminescent
- Droving
- Vanessa
- Killdozer
- Better off alone
- No depression in heaven
Im Forum kommentieren
maxlivno
2024-09-11 18:03:37
finde es ist leider ihr bisher schwächstes Album geworden. Schwanke zwischen 6 und 7/10
Martinus
2024-09-07 13:30:19
Wird jetzt vom Super Update Samstag mal als erstes gehört!!!
Armin
2024-09-07 10:20:50- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Martinus
2024-08-13 16:54:49
Alter, hab ich mega Bock drauf auf das Album!!
Nicht mal 1 Monat noch...
MickHead
2024-08-13 16:08:29
Neuer Song "Vanessa"
https://youtu.be/gzMlcbKtgQM?si=T4HbO_0lkDvIRa0P
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