Bill Leeb - Model kollapse

Metropolis
VÖ: 13.09.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Endlich allein

Einleuchtende Erkenntnis: Alleine kann man sich schlecht versammeln. Das muss irgendwann auch Bill Leeb aufgefallen sein, als er nach seinem Ausstieg bei Skinny Puppy Mitte der Achtziger die ersten beiden Platten von Front Line Assembly weitestgehend auf eigene Faust gewuppt hatte und der Bandname nicht gerade die Personenanzahl widerspiegelte. Also schnappte er sich illustre Mitstreiter wie Rhys Fulber, Chris Peterson oder Jeremy Inkel und schweißte vor allem in den Neunzigern mit "Caustic grip" und "Tactical neural implant" epochale Referenzwerke der Electronic Body Music ein. Von zahlreichen Nebenprojekten und den Chart-Erfolgen mit Delerium im himmlischen Ambient- und Ethno-Pop-Modus ganz zu schweigen. Nur ein Soloalbum fehlte dem Austro-Kanadier noch in seiner vier Jahrzehnte umfassenden Diskografie. Bis jetzt.

Aber: Was heißt schon solo? Auf "Model kollapse" ist Kollege Fulber jedenfalls ebenso mit von der Partie wie der angestammte Mix-Engineer Greg Reely, und inhaltlich drehen sich die elf Songs um die allmähliche Degeneration künstlicher Intelligenz – im Prinzip ein Upgrade der Visionen von zerfressenen Festplatten, elektronischer Kriegsführung und Gehirnen auf Autopilot, die Leeb von jeher gerne heraufbeschwor. Alles beim Alten also? Im Grunde ja – nur, dass das angesichts des mittelprächtigen 2021er-Longplayers "Mechanical soul" von Front Line Assembly kein geringer Vorteil ist, zumal auch "Cheeba city blues" vom normalerweise verlässlichen Seitenarm Noise Unit zuletzt nicht der Bringer war. Und so fühlt man sich im muskulös losdonnernden Opener "Demons" direkt ähnlich gut aufgehoben wie auf dem vorzüglichen Cyberaktif-Comeback "Endgame".

Erst recht, wenn man in diesem Kosmos liebgewonnene Schlagworte wie "mass corruption" oder "There's no point to struggle / You will never be free" hört – darauf ein eisiges Hach aus dem Vocoder. Dennoch hat "Model kollapse" auch Neues oder zumindest mild Überraschendes zu bieten: etwa das um eine zackige DAF-Sequenz gebaute "Neuromotive", wo Leeb einer androiden Schönheit "Du hast ein schönes Gesicht / Ich liebe Dich" gesteht, ehe sie ihm demnächst vermutlich den Saft abdreht. Oder den schlanken, effektiv zutretenden Hit "Muted obsession", den Sharon Hemmett von den Post-Punk-Landsleuten Actors genauso mit lieblichen Backing-Vocals besänftigt wie den EBM-Standard "Terror forms". Beinahe reinster Pop, wofür auch die reizend einschwebende, flötende Synth-Harmonie spricht. Selten so locker durch die Thermo-Hose geatmet.

Dennoch hat der 57-Jährige Elektro-Veteran hier mehr als genug Gelegenheit, seine Kernkompetenzen auszuspielen – und diese liegen besonders in scharf gespielten und voluminös produzierten Basslinien, die Stücke wie "Folded hands" oder das angestochene "Fusion" trotz eher gemäßigtem Tempo zu zähnefletschenden Wuchtbrummen machen. Und das steht Leeb irgendwie besser als die allzu plakativ in die Szenerie rumpelnden Gitarren des schwer atmenden "Pinned down", das in gewisser Weise einen ähnlichen Etikettenschwindel betreibt wie 1994 Front Line Assemblys metallischer Ausflug "Millennium". Doch solange der Mann sein Sound-Arsenal auf "Model kollapse" so vielschichtig und souverän mit der Elektro-Peitsche beherrscht, fallen auch solche nicht synthetisch generierten Daten kaum negativ ins Gewicht. Hier kommt die Kaltfront.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Demons
  • Folded hands
  • Muted obsession (feat. Actors)
  • Fusion

Tracklist

  1. Demons
  2. Exotic matter
  3. Neuromotive
  4. Folded hands
  5. Pinned down
  6. Terror forms (feat. Sharon Hemmett)
  7. Muted obsession (feat. Actors)
  8. Simulation
  9. Infernum
  10. Fusion
  11. Erosion through time (feat. Mimi Page)
Gesamtspielzeit: 54:33 min

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Armin

2024-09-07 10:20:23- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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