Killer Mike - Michael & The Mighty Midnight Revival, songs for sinners and saints
VLNS / Loma Vista / ConcordVÖ: 02.08.2024
Ah shit, here we go again
Mann, war die Gen Z sauer, als der in ihren Augen total unbekannte und untalentierte Killer Mike 2024 den Grammy für das beste Rap-Album des Jahres statt Travis Scott gewann. Und die Trophäen für die beste Rap-Performance und den besten Rap-Song gleich mit. Wer war dieser alte Mann, der so gar nicht am Zeitgeist entlang rappte und in seinen Texten aus Jahrzehnten Erfahrung schöpfte? Das hatte was von Daddy Rap. Dabei hat es als Genre-Fan schon fast Mühe gekostet, an ihm in den letzten zehn Jahren vorbeizukommen. Schließlich gab es zusammen mit Busenfreund El-P den Siegeszug von Run The Jewels, Killer Mike tauchte nicht nur in seiner eigenen Netflix-Serie auf, und dann gab es noch Gespräche in Killer Mikes Barber Shops, in denen er jungen Schwarzen die Möglichkeit für eine Ausbildung gibt und so der Community etwas zurückgeben will. Da schaute dann auch Bernie Sanders zum ausgiebigen Schnack vorbei. Ändert allerdings alles nichts daran, dass Gen Z das Release von "Michael & The Mighty Midnight Revival, songs for sinners and sains" wahrscheinlich wieder nicht mal mitkriegen wird.
Denn das neue Release des Rappers aus Atlanta ist mehr eine Umgestaltung und Erweiterung seines Grammy-prämierten Vorgängers "Michael". Die im Titel erwähnten The Mighty Midnight Revival sind nämlich Mikes Live-Band, und ein paar Songs wurden mit ihrer Beteiligung umgearbeitet. So bekommt das Album eine Art Remix-Atmosphäre und wirkt natürlich gleichermaßen bekannt und trotzdem frisch. Los geht es aber erst mal mit einem bissigen Synthie, einem Vocal-Sample von Otis Redding und fast manischem Flow auf einem Beat, den El-P sicher auch für ein Run-The-Jewels-Projekt abgenickt hätte. Im anschließenden "Nobody knows" wird die Representer-Mentalität dann ein erstes Mal mit Gospel und dem ebenfalls ikonischen Sänger Anthony Hamilton vereint. Wer bei dieser köstlichen Mischung aus Chorgesang, Klavier, Bass und Drums nicht nickt, hat HipHop nie geliebt.
Im weiteren Verlauf dreht Killer Mike in der wunderschön mit dem Addendum "Scenic route" und einem Part von Migos-Rapper Offset ergänzten Version von "Exit 9" eine Ehrenrunde durch ATL. Aus "Talk'n that shit!" wird "Still talk'n that shit", und Produzent DJ Paul von Three Six Mafia hat für diesen Memphis-Banger noch Key Glock und Project Pat eingeladen, der "Big Drippaaaaaa" so schön betont, wie es nur in den Südstaaten geht. Am beeindruckendsten verwandeln sich aber die beiden Songs "Slummer" und "Something for junkies" zu einer zusammengewerkelten, über zehn Minuten langen, epischen Variante. The Mighy Midnight Revival verleihen eh allem einen besonderen Nachdruck und eine Wichtigkeit. "Slummer for junkies" erzählt die Geschichten von Schwangerschaftsabbruch bis zu Drogenmissbrauch in der Familie als kohärentes Gesamtwerk, durchläuft Phasen, in denen die Stimmung auch andächtig wird und zeigt, dass Pathos nicht immer zum Scheitern verurteilt ist.
Was das Werk hingegen nicht ist, ist ein zwangsläufig spannenderes Album als "Michael" und auch kein vollwertig wirkendes neues Stück in Killer Mikes Diskografie. Sollte dieser Nachgedanke schließlich aber auch nicht sein, vielmehr ist es eine beeindruckendes Testament dafür, dass der US-Amerikaner noch lang nicht am Ende seiner Kreativität angelangt ist und sich auch nicht scheut, Dinge noch mal anzufassen, noch mal zu drehen, noch mal zu wenden – ohne sich ein einziges Mal zu verheben. Wenn er erst mal in Fahrt ist, ist er eh kaum zu stoppen und dann kann man eigentlich gar nicht umhin, ihn zu respektieren: "You gon' respect me like a motherfuckin' Grammy winner / Like I cooked your favorite rapper like a granny dinner, yeah!"
Highlights & Tracklist
Highlights
- Nobody knows (feat. Anthony Hamilton)
- Slummer 4 junkies
- Still talk’n that shit (feat. Key Glock & Project Pat)
Tracklist
- Bussin bricks intro
- Nobody knows (feat. Anthony Hamilton)
- Humble me
- Higher level
- Exit 9 (Scenic route)(feat. Offset & Blxst)
- Lord prepare me (feat Belly Gang Cushington featuring Jane Handcock and Adonica Nunn)
- Slummer 4 junkies
- Had to get it (feat. Troy Durden)
- 97 3-6 freestyle
- Still talk’n that shit (feat. Key Glock & Project Pat)
Im Forum kommentieren
fuzzmyass
2024-12-07 04:23:00
Erst jetzt gehört... ganz cooles Album, macht Spaß, auch wenn kein Überwerk.. finde es auch etwas runder als den Vorgänger, an R.A.P. Music kommt es aber auch nicht ran
Armin
2024-08-28 21:00:44- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
Meinungen?
Arne L.
2024-08-21 22:31:48
Das Gospel-Album, das ja so ein bisschen Nachwerk zu "Michael" ist, gefällt mir persönlich sogar besser und ich verstehe bis heute nur theoretisch, warum "Michael" den Grammy als bestes Rap-Album gewonnen hat. Das war für mich eher ernüchternd, während ich das neue Werk ziemlich genießen kann.
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