Respire - Hiraeth
Dine AloneVÖ: 26.07.2024
Das alles und noch viel mehr
Stellt Euch vor, Ihr seid in einem basisdemokratischen Kollektiv aus sagen wir circa zehn Leuten und habt als solches eine Band. Jede*r hat Ideen und Vorstellungen, was gerade in einem Song, in einem Refrain, in ein paar Takten passieren soll. Und Ihr beschließt: Jawohl, das machen wir – und zwar alles gleichzeitig. Jemand schreit über die Ungerechtigkeiten und Unpässlichkeiten dieser Welt, eine andere Person tut es gleich, darüber, darunter, wie auch immer fallen die Instrumente übereinander her, überbieten sich, überschlagen sich. Willkommen in der Welt von Respire.
Das fantastische "Black line" war schon eine Klangwelt für sich. Emo, Screamo, Black Metal, Violinen, viel spürbares Herz auf der Zunge. Aber durchweg eines: nachvollziehbar melodiös. Klare Songstrukturen und Abfolgen. Auf "Hiraeth" lässt sich dies maximal noch erahnen, denn mit diesem Werk übertreibt es das "post-everything collective" komplett. So überdreht, dass es schon wieder interessant ist. Neue Instrumente kommen auch noch dazu. Wie im Opener "Keening". Los geht die buchstäblich wilde Achterbahnfahrt: Die Violine spielt eine Schunkelmelodie, jemand erschlägt monoton die Perkussionsfraktion, dazu schreien mindestens zwei, vielleicht mehr Leute durch den Raum. Alles ist abgehackt, irgendwie verdreht, versinkt im Chaos. Circa zwei Minuten lang, ehe sich alles besinnt und eine wunderschöne einzelne Streichermelodie zu ein paar Saitenanstrichen übernimmt. Später setzen Bläser ein, sie werden auf "Hiraeth" eine zentrale, gleichberechtigte Rolle einnehmen. Das ist neu und passt auch besser in den neuen musikalischen Ansatz.
Der Black-Metal, die harten bassigen Riffs, sie sind es, die Platz machen mussten – abgesehen von einem kurzen Auftritt in "The match, consumed". Für einen Sound, der mit einem Bein im frohsinnig tönenden Indie steht, mit dem anderen Bein – und der Stimme – tiefste Melancholie einfängt. Respire sind hier die konsequentere, heftiger zupackende Version von Kollektiven wie Black Country, New Road. Das Neue, das sind auch Flöten, Glockenspiel, Saxofon und Trompete, alles gemeinsam in "Distant light of belonging". Inniges gemeinsames Gröhlen von Textzeilen, die trotzdem unverständlich bleiben, auch mal Handclaps ("The Sun sets without us"). Vocals, Vocals, Vocals! Nahezu jedes Bandmitglied wird an diesem "Instrument" geführt. Der Gegensatz sind Momente des Innehaltens, wie "Voiceless; nameless", welches knapp eine Minute am Klavier ausfadet.
"Hiraeth" ist ein Album, welches definitiv überfordert. Braucht Fokussierung, darf nicht beiläufig laufen. Benötigt vielleicht Kopfhörer, um sich festzusetzen. Wird deswegen nicht für jede Person geeignet sein, schon gar nicht in einer Welt kurzer Aufmerksamkeitsspannen. Wie viele Durchläufe braucht es, ehe es sich entfaltet, kratzt, hängen bleibt? Drei, vier? Wer bringt das schon noch mit, das wiederholte Anfassen des Unangenehmen? Es lohnt sich sehr! Allein, was alles in "We grow like trees in rooms of borrowed light" passiert. Es ist der Wahnsinn. Der vertonte Irrsinn der Welt auch, wie Respire selbst sagen: "We have felt the world against us. What will you do when it turns against you?"
Highlights & Tracklist
Highlights
- Voiceless; nameless
- We grow like trees in rooms of borrowed light
Tracklist
- Keening
- The match, consumed
- Distant light of belonging
- First snow
- Home of ash
- Voiceless; nameless
- The sun sets without us
- We grow like trees in rooms of borrowed light
- Do the birds still sing?
- Farewell (In standard)
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kiste
2024-09-05 11:47:39
Bisher 3 Durchläufe und der Beginn blieb schonmal hängen. Ab der Mitte verliert sich das Album für mich ein wenig, es klingt dann doch sehr eintönig oder aber ich bin da schon überfordert. Auf jeden Fall ein interessanter Genremix. Mich holt er nicht zu 100% ab.
Armin
2024-08-21 10:35:08- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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