Leoniden - Sophisticated sad songs

Two Peace Signs / Universal
VÖ: 23.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Zappel, Philipp!

Nicht wenige werden Sie noch gut in Erinnerung haben, die Geschichte vom "Zappel-Philipp", der Figur aus "Der Struwwelpeter". Das umstrittene Werk aus dem Jahr 1844 ist nicht nur eines der erfolgreichsten deutschen Kinderbücher aller Zeiten und wurde in zahlreiche Sprachen übersetzt und verfilmt. Ganze Generationen von Eltern vertrauten den kleinen Geschichten des "Struwwelpeters" und deren schonungslosem Angst- und Einschüchterungs-Ansatz gar die Erziehung ihrer Sprösslinge an. Frei nach dem Motto "Wer nicht hören will, muss fühlen!". Pädagogisch längst überholt, passt dieser Vergleich um einige Ecken herum aber doch auch zur Musik der Kieler Indieband Leoniden. Wer das Quintett schon mal live erlebt hat, der weiß: Zu energiegeladenem Indie-Rock auf der Bühne zappeln und das Publikum mitreißen, das können Leoniden richtig gut.

"Sophisticated sad songs" heißt das vierte Album des Quintetts und hat ganze drei Jahre auf sich warten lassen. Ungewöhlich lange für die Senkrechtstarter, denen COVID-19 womöglich so ein bisschen den noch steileren Aufstieg, etwa zum Big-Festival-Headliner, verwehrt hatte. "Motion blur" jedenfalls eröffnet in bester Leoniden-Manier: beschwingt-zackige Strophe, mehrstimmiger Gesang, der in einen sonnigen Refrain überführt. Wenig überraschend gibt es nicht nur hier diese Art von Refrain, der so eingängig ist, dass er eigentlich nur begeistern oder nerven kann – mittlerweile aber sehr wohl ein referenzielles Markenzeichen der Kieler abgibt. Ein weiteres Paradebeispiel für einen Leoniden-Song ist "Balance of love", dessen Kombination aus Harmonie und tiefergelegtem Gitarren-Punch zumindest einen weiteren fetten Ohrwurm kreiert.

Doch nicht alles ist wie immer, man hört "Sophisticated sad songs" die längere Reifezeit durchaus an. Leoniden ändern gewiss nicht ihren Stil, aber sie bekennen sich zwischenzeitlich mehr denn je zu Groove und Pop. Das fluffige "Necklace" setzt in diesem Sinne ein Ausrufezeichen, fährt in der Mitte dazu den elektronischen Vibe hoch. "A million heartbreak songs" lässt Synthies und Beats subtiler walten, schiebt die Gitarren in den Hintergrund und putzt seine feine Melodie wohl gerade deswegen so prägnant heraus. Das Energielevel schrauben sie jedoch nur kurzfristig herunter, denn die vorab bekannte Hymne "Never, never" knallt ordentlich, der nächste Tanz-Pit ist unausweichlich. In diesem Sinne noch einen drauf legt "You - you", das auf Licks verzichtet, aber mit mächtiger Gitarrenwand für den erfreulich lauten Peak sorgt und erneut jegliche Zweifel am Talent dieser Band wegfegt.

Neben dem etwas mächtigeren, aber faszinierenden Closer "Tinnitus" kombiniert das knackige "Calculator" zunächst fast unscheinbar drückenden Indie-Rock mit wunderbar funky-tanzbaren Strophen, erinnert in seinem schelmigen, hymnenhaften Gewand ein wenig an die frühen Tage der Band. Und ist damit einer der stärksten Songs auf "Sophisticated sad songs". Einem Werk, das im Vergleich zum etwas wilden Vorgänger "Complex happenings reduced to a simple design" deutlich gestraffter, kompakter und mehr auf den Punkt daherkommt. Und auch deshalb mehr Spaß macht. Und ob man nun Philipp oder anders heißt: Wie kämen wir dazu, uns jenen Spaß an Musik, am Mitwippen, Mitsingen und Zappeln austreiben zu lassen? Wer Leoniden-Songs feiert, lehrt zumindest mal den "Struwwelpeter" das Fürchten.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • A million heartbreak songs
  • Calculator
  • Balance of love
  • Tinnitus

Tracklist

  1. Motion blur
  2. A million heartbreak songs
  3. Necklace
  4. Never, never
  5. Sierra
  6. Keep fucking up
  7. You - you
  8. Calculator
  9. Balance of love
  10. Tinnitus
Gesamtspielzeit: 34:10 min

Im Forum kommentieren

Trancentral303

2024-08-21 11:41:53

Ist leider eine bemerkenswert egale Band.

Alexis On Fire

2024-08-21 11:14:26

Moin ,
Es gibt auch eine Frau in der Band .
Also es sind nicht nur “ Jungs “ am Start .

Armin

2024-08-21 10:33:39- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?


Armin

2024-08-16 18:48:37- Newsbeitrag


In genau einer Woche erscheint mit »Sophisticated Sad Songs« das vierte Album der Leoniden. Mit »Keep Fucking Up« gibt es bereits heute als letzte Single vor dem Album-Release noch einmal einen finalen Vorboten für alle Leoniden-Fans. Songs wie »Keep Fucking Up« lockern das Album durch ihren Schnellschuss-Charakter auf, sorgen für die nötige Balance und eine angenehme Prise Kopflosigkeit. Die Band ist aktuell auf Underplay-Clubtour, hat bereits erfolgreiche Auftritte bei u.a. Hurricane, Southside, Rock am Ring und Rock im Park absolviert, und schaut auf eine teilweise bereits ausverkaufte große Albumtour im Herbst.



Die Leoniden selbst sagen zum Release von »Keep Fucking Up«:



„Es ist, wie ist: Pünktlich 72 Stunden vor Single-Release haben wir uns für einen anderen Song entschieden. Strategie? Gibt es nicht. Plan? Nicht mehr vorhanden. Promo? Ja, war jetzt halt aber seit Wochen für einen anderen Song. Hier ist „Keep Fucking Up“. Wir haben viel vor, gute Ideen, aber nicht alle klappen beim ersten Versuch. Wir haben worldpain on our shoulders und es gibt trotzdem keine Pointe. Just a crooked posture. Den Song spielen wir schon seit Anfang des Sommers auf den kleinen Guerilla-Punk-DIY-Shows live und er hat sich ziemlich bewährt. Er hat sich im wahrsten Sinne des Wortes nach vorne gespielt. Vermutlich wären wir nicht immer mutig genug gewesen so einen Song als „Single“ zu picken, aber „live zündet dieser Song“ ist dann doch am Ende das wichtigste Kriterium - diese Einsicht ist 72 Stunden alt.“





Schaut euch hier das Musikvideo für »Keep Fucking Up« an:



Leoniden – Keep Fucking Up (Official Music Video)


Armin

2024-07-21 18:30:03- Newsbeitrag

Leoniden-Sänger Jakob Amr hat im Laufe seines Lebens gewiss mehr als einhundert Lieder geschrieben - und ein bestimmtes Lied sogar mehrmals: Den kolossalen Heartbreak-Song. Bis heute adressiert er ihn mehr unterbewusst an die erste große Liebe seines Lebens - wenn er sich beim Texten treiben lässt, passiert das einfach. »A Million Heartbreak Songs«, der dritte Vorbote der neuen Leoniden-Platte »Sophisticated Sad Songs«, erzählt von diesem Phänomen - und vom Entschluss, sich damit abgefunden zu haben, dass der letzte kolossale Heartbreak-Song noch lange nicht geschrieben ist: »And when the millionth is done, I'll write another one«. Getragen von behaglich-flächigem Gitarrenspiel und Jakobs sanfter Stimme kommt »A Million Heartbreak Songs« selbst für Leoniden-Verhältnisse außerordentlich gefühlsbetont daher. Der Song wabert warm, entwickelt sein Ausbruchs-Momentum erst zum Finale hin, könnte fast als Ballade bezeichnet werden. Passend zum Albumtitel »Sophisticated Sad Songs« und der künstlerischen DNA der Leoniden schwankt der Song zwischen traurigen Lyrics und hoffnungsgeladener Attitüde im Soundbild.



Im Anschluss an den bevorstehenden Festivalsommer wird mit »Sophisticated Sad Songs« das vierte Album in der bald zehnjährigen Leoniden-Geschichte erscheinen. Die Regenwolken sollten sich - ein bisschen Kitsch wird ja wohl doch erlaubt sein - auf einen heftigen Windstoß gefasst machen.

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