Jon Hopkins - Ritual

Domino / GoodToGo
VÖ: 30.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Abkoppeln statt Auskoppeln

Mit einem kurzen Atemhauch geht es los. Das erste Geräusch, das man auf Jon Hopkins' "Ritual" hört, ist zutiefst menschlich, was anhand der sonst vorherrschenden Abstraktion einen starken Kontrast bildet. Wer auf der Suche nach Elektro-Krachern wie "Open eye signal" oder "Everything connected" ist, darf erneut gleich weiterklicken. Ähnlich wie der Vorgänger "Music for psychedelic therapy" ist "Ritual" eine nach innen gewandte Reise. Und diesmal sind die Unterteilungen in verschiedene Parts so nebensächlich, dass die Promo-Version direkt als ein zusammenhängender Track geliefert wurde. Dass Hopkins überhaupt vorab, äh, Singles ausgekoppelt hat, wirkt verhältnismäßig sinnlos. Aus diesem Großen und Ganzen Dinge herauszutrennen, hebt das Gefühl auf, das diese 41 Minuten Ambient-Meditation vermitteln. Hatten auf "Music for psychedelic therapy" einzelne Stücke noch so etwas wie einen internen Spannungsbogen, ist "Ritual" ein Auf- und Abbau im Gesamten, bei dem kein Teil gut für sich stehen kann.

Da Hopkins also sowieso genügend Zeit hat, platziert "Ritual" in seinen ersten Momenten nur ganz dezente Klangtupfer vor einer formlos schwebenden Begleitinstrumentierung. Ein Puls setzt nach knapp fünf Minuten ein – der Punkt, wo in etwa das zweite Kapitel "Palace / Illusion" startet –, der Track beginnt, sachte zu funkeln. Eine Stimme säuselt im Wind, die Synths fungieren wie immer heller blinkende Lichter im zunehmend raumgreifenden Klang. Der Beat intensiviert sich nach einer guten Viertelstunde, trägt aber immer noch Watte unterm Fuß. Dennoch ist klar, dass "Ritual" an dieser Stelle entschlossener wird und eine klare Richtung anstrebt. Diese endet in den Movements "Evocation" und "Solar goddess returns" in einer massiven Klimax, es zischt und klappert, während sich das Atmen intensiviert. So kräftig hat der Vorgänger bei weitem nicht durchgeschüttelt.

Was dann im Drehbuch folgt, ist klar – "Dissolution" heißt der folgende Part nicht umsonst. Die mühevoll aufgebauten Soundschichten werden fein säuberlich wieder abgetragen und auf sanften Sohlen entfernt. Die Anspannung löst sich, "Ritual" fließt in einen Strom aus kaltem, klarem Wasser hinein. Die letzten knapp sechs Minuten bilden eine Art Nachklapp: Ein bisher nicht vernommenes Klavier spielt zarte Melodien, die immer wieder präsente Stimme haucht und flüstert erneut rätselhafte Dinge ins Ohr. Und dann ist es tatsächlich vorbei, das Aufwachen nach einem Tagtraum. Hopkins hat mit "Ritual" sicher nicht das Genre neu erfunden, eher ein sehr bewährtes Muster mit bewährten Sounds auf ein gesamtes Album ausgeweitet und dabei wieder mehr Dynamik in seine Vorstellung von Ambient-Musik gebracht. Am Ende ist es aber wirklich irrelevant, ob bahnbrechende Innovationen dahinter stehen, solange sich die Musik so gut anfühlt. Er kann es eben.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  1. Part I – Altar
  2. Part II – Palace / Illusion
  3. Part III – Transcend / Lament
  4. Part IV – The veil
  5. Part V – Evocation
  6. Part VI – Solar goddess return
  7. Part VII – Dissolution
  8. Part VIII – Nothing is lost
Gesamtspielzeit: 41:14 min

Im Forum kommentieren

peter73

2024-09-04 14:19:53

fast genauso langweilig wie "music for psychedelic therapy"; hatte gehofft es geht wieder etwas mehr zu sache - aber leider nein.


ambientgeknister mit wenigen beats können andere viele auch genausogut.
ich will halt brecher wie "open eye signal" oder "everything connected"!

The MACHINA of God

2024-09-02 10:18:01

Komplett was für mich. Braucht die richtige Stimmung, aber dann fällt man hinein. Wunderbare Entwicklung.

Armin

2024-08-21 10:32:39- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

Meinungen?



MickHead

2024-07-09 14:05:40

Neuer Song "RITUAL (palace)"

https://youtu.be/THdT6P1tDk0?si=RLYOJOYIeN2L9w_t

peter73

2024-07-03 13:48:03

Mag seine Alben, die eine Orientierung für Bühnen haben, den Eso-Kram dafür umso weniger.
Klaus
03.07.2024 - 10:44 Uhr

agree.
41 minuten finde ich dann auch nicht so prall für ein neues album.
"immunity" & "singularity" haben die messlatte auch ziemlich hoch gelegt, daher erwarte ich erstmal nicht soo viel bzw etwas in dieser machart.

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