The Smashing Pumpkins - Aghori mhori mei

Martha's Music / Thirty Tigers / Membran
VÖ: 02.08.2024
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Friedrich Wilhelm Corgan

Retrospektion ist untrennbar mit The Smashing Pumpkins verbunden. Wir gehen aber zunächst nur ein winziges Stückchen zurück: Im Sommer 2024 befindet sich die Band auf dem zweiten und europäischen Teil ihrer umjubelten "The world is a vampire"-Tour, mixt viele Klassiker mit vereinzelten Post-Reunion-Ausflügen und begeistert ein großes Publikum mithilfe von Nostalgie-Overkill und grellem Rock-Spektakel. Mittendrin wird mit nur zwei Wochen Vorlauf der Release eines "Old-School-Albums" angekündigt – das überrascht und lässt besonders die "Siamese zombies" frohlocken, die unbelehrbaren Verfechter*innen des Signature-Sounds der romantisch verklärten Anfangstage und insbesondere des 1993er Meisterwerks "Siamese dream". Mehr als ein paar Teaser auf den sozialen Medien lässt Billy Corgan im Vorfeld nicht auf die Menge los – moderne Nicht-Promotion wie bei Billie Eilish – und bekundet bloß ungewohnt kleinlaut: "Wir sind stolz auf das, was wir geschaffen haben. Nun sollen die Leute entscheiden, welchen Wert es hat." Machen wir doch gern!

"Aghori mhori mei", das dreizehnte Album der einst wegweisenden und dann zunehmend verrückt gewordenen sowie bei der Kritik in Ungnade gefallenen Band, verwirrt nicht nur mit seinem dem Hindi entliehenen Namen. Wie früher soll es klingen – wie man weiß, ist es ein gigantisches Früher, auf das Egomane Corgan sich wahnhaft bezieht. Im Team mit den beiden Gründungsmitgliedern James Iha und Jimmy Chamberlin, deren Stärken auf den letzten Alben kaum zur Geltung kamen, versucht er nun verbissener denn je, zur alten Relevanz zurückzufinden. "Edin" setzt ganz auf Laut-Leise-Kapitel und Ausführlichkeit, visiert verwandte Großtaten wie "Geek U.S.A." oder "Silverfuck" an und landet zumindest bei "Quasar" – von all den brettharten Openern im Katalog bestimmt nicht der schlechteste, wenngleich auch eher Stückwerk denn eine komplett schlüssige Komposition. Dass Corgan hier "Siamese dream"-Songwriting raushören will, lässt sich halbwegs nachvollziehen. Nun: Es ist wenigstens kein esoterisches Pro-Tools-Prog-Gedöns, wie es "Atum" in den Abgrund gerissen hat.

Ja, "Aghori mhori mei" lässt im Folgenden tatsächlich Rückschlüsse auf die goldenen Zeiten zu. Das Zusammenspiel von lieblichem Gesang und bedrohlichen Riffs funktioniert bei "Pentagrams" tadellos, psychedelische Arpeggios und eine starke Bass-Spur – wer auch immer sie eingespielt hat – garnieren das Stück, machen es gerade im letzten Drittel zu einem der mitreißendsten der jüngeren Bandgeschichte. "Love never dies", konstatiert Corgan und spricht damit wohl auch zu denjenigen, die ihm selbst nach vielen schwächeren Alben immer noch die Treue halten. "999" kombiniert bloß Turmgitarren und melancholische Hymnenhaftigkeit, braucht aber nicht viel mehr, um zu gefallen. Auch "Sighommi" prügelt einfach fröhlich drauf los. Meistens beruft "Aghori mhori mei" sich jedoch nicht auf solche Simplizität, sondern kreiert Miniatur-Epen aus jeweils mehreren Parts.

Während "War dreams of itself" (gut) und "Sicarus" (ganz gut) in diesem Sinne bombastisch ballern, nehmen The Smashing Pumpkins sich mitunter auch relaxed zurück. Denn die "1979"-Formel funktioniert halt jedes Mal, ob jetzt bei "Silvery sometimes (Ghosts)", "To the grays" oder der neuesten Inkarnation "Goeth the fall": Charmeur Corgan bittet sein "Goldlöckchen" zum Tanz, Katie Cole stärkt ihm mit ihren Vocals den Rücken. "I'm tired of lying / In wait for your love." Hach! Eine noch eingängigere Melodie hätte womöglich gar ein Wunder vollbracht. "Who goes there" lässt freundliche Gitarren und einen zutraulichen Corgan mit Dosen-Synths hantieren, steckt in seiner sommerlichen Harmoniebedürftigkeit aber zweifelsfrei an und ruft ins Gedächtnis, warum "Today" dereinst so euphorisch gestimmt hat. "Hi, how are you?" Elegische "Oceania"-Vibes mit Gothic-Anstrich versprüht derweil "Pentecost".

Apropos Gothic: Da er wohl weiß, dass er wie Nosferatu aussieht, und den Closer womöglich nach dem Regisseur des entsprechenden Stummfilmklassikers, Friedrich Wilhelm Murnau, benannt hat, könnte man Corgan auf seine alten Tage noch beinahe so etwas wie Selbstironie nachsagen. Die "As the river rolls"-Coda mit ihren "Tonight, tonight"-Streichern ist tatsächlich schön, hat man die komische Songstruktur einmal bis dahin überstanden. Eine Belohnung fürs Durchhaltevermögen! In seinen Bratgitarren erinnert "Aghori mhori mei" an "Zeitgeist", bei den Synth-getränkten Momenten an "Oceania", generell immer wieder an "Machina". Dass es durchaus besser produziert ist als die letzten Werke und sich auch wieder mehr nach einer Band-Platte anfühlt: geschenkt. Im Endeffekt machen auch Iha und Chamberlin auf dem Album nichts Weltbewegendes, aber live werden sie ihre klar definierten Zuständigkeiten haben (und sich sowieso hinterher über schicke Gehaltschecks freuen). Die "Heavy metal machine" dröhnt und stöhnt, haters gonna hate, gabba gabba hey, "Aghori mhori mei": Die Rock-Dinosaurier The Smashing Pumpkins haben natürlich kein Back-to-the roots-Meisterwerk aufgenommen. Aber zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit auch keinen halbgaren Quatsch veröffentlicht.

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pentagrams
  • Who goes there
  • 999

Tracklist

  1. Edin
  2. Pentagrams
  3. Sighommi
  4. Pentecost
  5. War dreams of itself
  6. Who goes there
  7. 999
  8. Goeth the fall
  9. Sicarus
  10. Murnau
Gesamtspielzeit: 44:47 min

Im Forum kommentieren

Saschek

2024-09-07 01:02:24

Das hieße dann "nicht-binär" ...

The MACHINA of God

2024-09-06 11:51:17

Nö kein Problem, halt so wirr wie oft bei dir.

Healthewheel

2024-09-06 08:28:24

Ja, ganz genau. Auf einer Stufe.
Bin auch binär. Was ist das Problem?

Saschek

2024-09-06 01:32:51

Heal ist ja auch mal eine Frau und dann wieder ein Mann. Da kann man sowas natürlich auch durcheinanderbringen.

nörtz

2024-09-05 19:17:47

Das muss die Hitze sein.

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