And So I Watch You From Afar - Megafauna
Velocity / Pelagic / CargoVÖ: 09.08.2024
Tierisch was los
Wenn man den Titel des siebten Studioalbums der Nordiren von And So I Watch You From Afar liest, kommt die ein oder andere Person sicher nicht umhin, an Dinge wie Tiefsee-Gigantismus, Mammuts oder andere riesige Wesen zu denken. Was ein Indiz für ein noch umfangreicher und größer gedachtes Konzept als beim audiovisuellen Gesamtkunstwerk "Jettison" sein könnte, betitelt aber eigentlich eine Platte, die etwas ganz anderem ein Denkmal setzt: Der Landschaft, den Städten und den Leuten einer Heimat. Gemeint sind vor allem Portrush an der nordöstlichen Küste und Belfast, die aufgeladene Hauptstadt Nordirlands. Das alles obliegt natürlich auch ein bisschen der eigenen Interpretation beim Hören, schließlich ist "Megafauna" natürlich ein Akustikalbum.
Vielleicht ist die "North Coast megafauna", die der erste Song im Namen trägt, dann auch einfach das alltägliche Leben in Nordirland. Das klingt allerdings nach erstem Enthusiasmus in der zweiten Hälfte so, als wollte es erst mal gar nicht richtig in Schwung kommen wollen, sondern alles auf der Stelle dem Erdboden gleichmachen wie stampfende Riesenhufen, die immer auf dem Fleck treten. Die stoischen Riffs haben einen hypnotischen Effekt und machen mit psychedelischem Gitarrenkreischen ein bisschen schummrig im Kopf. Doch schon das darauffolgende "Do mór", was so viel wie "Du bist groß" auf Irisch bedeutet, kommt mit Tool-artiger Melodie rein und lässt die zwei Gitarren gegen Bass und Drums kämpfen, als hätten sie sich ineinander verbissen. Dann atmen alle kurz durch und am Ende verheddert sich alles endgültig miteinander. Es sind die Bilder vor den inneren Augen, die bei jedem unterschiedlich ausfallen dürften, die die Musik von And So I Watch You From Afar so interessant machen.
Das zu Beginn schwelgerische "Gallery of honour" fühlt sich an wie auf dem Fahrrad angenehmen Rückenwind haben, dann von seinem besten Freund aber zum kurzen Sprint herausgefordert werden, um schließlich lachend gemeinsam ins Ziel zu kommen. Immer wieder gibt es auch plötzliche Richtungswechsel, die einen liebevoll umtacklen. "Button days" schmeißt in seine Riff-Abfahrt aus Euphorie sogar ein paar Claps. Und "Any joy" strengt sich an, mit Klavier und Streichern nicht zu sentimental zu werden, bevor die Streicher am Ende fast ganz abschmieren. Überall findet sich auch Distortion und etwas Hall, als würde man zwischen zwei Felswänden stehen, was den eh fetten Sound nur breiter macht. Bestes Beispiel hierfür ist "Me and Dunbar", das sich als schweres Wesen vorwärts schleppt.
Die neun in nur einer Woche eingespielten Stücke zwischen Post- und Math-Rock lassen nicht einfach die eine Antwort zu, denn wenn man sich den Part 2 des wunderbaren Duos "Mother Belfast" in der Albummitte anhört, der sich mit Piano und Drums langsam aufbaut, die zwei Gitarren reinholt und dann bis zum Schluss der nicht mal vier Minuten in die Vollen geht, dann kann man wieder einiges vor den inneren Augen sehen. Eventuell die langen Skateboard-Tage im Sommer und mutige Kickflips und angerissene Bänder. Oder bellende Hunde am Zaun, an denen man lachend vorbeiläuft. Vielleicht riecht man auch Meerluft und spürt raue Winde. Und vielleicht sieht man dazwischen auch immer wieder die ganz großen Tiere stampfen. Der Fantasie sind auf "Megafauna" wenig Grenzen gesetzt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Do Mór
- Mother Belfast (Part 2)
- Any joy
Tracklist
- North Coast megafauna
- Do Mór
- Gallery of honour
- Mother Belfast (Part 1)
- Mother Belfast (Part 2)
- Years ago
- Any joy
- Button days
- Me and Dunbar
Im Forum kommentieren
sizeofanocean
2024-08-31 17:42:59
fantastisches Album, gerade die zweite Hälfte ist phänomenal, alleine die Melodieführung bei "Any Joy"
nörtz
2024-08-28 16:15:05
Das hört sie teilweise wie Prog an. Sehr gut.
pounzer
2024-08-14 19:42:02
Hah, dann hast du aber einiges nachzuholen. Ich bin erst kurz vor dem dritten Album eingestiegen.
HerrH.
2024-08-14 19:33:36
Wie gut ist das denn bitte???
Nach dem mäßigen Zweitwerk hab ich die Band aus den Augen verloren, gestern dem neuen Album wieder mal eine Chance gegeben - und nach ein paar Durchlaufen heute bin ich schockverliebt!
pounzer
2024-08-14 11:12:18
Naja, dann machen wir halt in diesem Thread weiter. Nach mehreren Durchläufen, hier mein Zwischenfazit:
Ich hätte nicht gedacht, dass ASIWYFA mit ihrem bereits siebten Album nochmal so einen Schritt nach vorne machen, aber here we are. Es ist, als hätten sie ihr gesamtes Schaffen komprimiert und noch eine Schippe draufgelegt. Einen großen Anteil daran hat der (jetzt eigentlich auch nicht mehr so) neue Bassist Ewen Friers (der kleine Bruder von Gitarrist Rory), der den Songs variableres, kreativeres hinzuzufügen weiß, als die bisher gängigen Grundtöne.
Aber auch das Gitarrenspiel ist interessanter. Besonders die ruhigen Momente dienen nicht nur dem Spannungsaufbau für die unausweichlichen Walls of Sound, sondern haben für sich genommen immer wieder wunderschöne Melodien zu bieten. Da gibt es die für die Band charakterischen, verwobenen Mathrock-Parts, aber auch jazzige Solo-Stellen, psychedelische Soundspielereien oder poppige Instrumental-Hooks. Und dann kommt eben doch noch die eine oder andere Wall of Sound um die Ecke. So geht Dynamik und musikalisches Storytelling!
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