Brigitte Calls Me Baby - The future is our way out

PIAS / Rough Trade
VÖ: 02.08.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Welchen Unterschied macht das?

"There is a place where I want to be", croont Wes Leavins, später stellt sich heraus: Da sind Menschen – und sie lieben ihn, wie er es immer wollte. Klingt vertraut? Kein Wunder. Schon der Titeltrack des Debütalbums "The future is our way out" von Brigitte Calls Me Baby liefert ein zeitgenössisches Update des ewigen Gassenhauers "There is a light that never goes out", bloß mit noch ein paar anderen The-Smiths-Songs vermengt. Arg frech. Aber auch ein gewaltiger Hit! Und bei einer derart derb an Morrissey erinnernden Stimme bleibt auch vielleicht gar nichts anderes übrig, als genau diesen Weg einzuschlagen. Wenn die Newcomer aus Chicago allerdings nicht in Motzis Achtzigern wildern, befinden Brigitte Calls Me Baby sich ziemlich genau im UK des Jahres 2005 und sitzen als Musterschüler im Indie-Klassenraum, erinnern an eine Zeit, in der es hochkarätige Musikvideos und Über-Hypes gab. Stilecht, als käme es selbst von der Insel, puzzelt das Album sich auch zum Großteil aus den Singles zusammen, die die Band schon veröffentlicht hat. Was sagen die Königsmacher vom NME dazu? History repeats itself: Mit elegantem Anachronismus haben schon The Last Dinner Party dieses Jahr gewaltige Erfolge gefeiert. Brigitte Calls Me Baby sind nun so etwas wie deren maskulines (und amerikanisches) Gegenstück.

In "Eddie my love" mixt das Quintett Jangle-Gitarren, Rockabilly-Rhythmus und Brandon-Flowers-Duktus zu einer großen Hymne, die oben erwähnte Einordnung einerseits dick unterstreicht, dann aber doch wieder in Richtung Staaten schubst. Aufrichtige Romantik, wie man sie nur in großen Hollywood-Filmen vergangener Tage findet, trieft aus jedem Stück. Leavins mag zwar vielleicht in öden Vororten sterben wollen, wenn es sein muss – aber bloß nicht allein. Please, please, please, let him get what he wants! Die Theatralik der Truppe mischt sich hervorragend mit den schwingenden Tanzbeinen, wie auch das glitzernde "Palm of your hand" beweist. "Too easy" derweil konzentriert sich ganz auf den inhärenten Post-Punk-Charakter der Band, bastelt daraus aber einen Achtziger-Schmachtfetzen, dessen Glanz selbst Lionel Richie auf die Knie zwingen würde. "Can you make it stop? Can you give me time?" "We were never alive" greift die gleiche Fährte auf, lässt den Bass munter wummern und die Nebelmaschinen rotieren. Eher modern gerockt wird in "Impressively average", der ausgezeichneten Debütsingle von 2023, die schon damals die Indie-Floors in Aufruhr versetzt und den Feuilleton Großes prophezeien lassen hatte.

"I swear I'm not a narcissist / But I'm so hard to resist": "The future is our way out" ist ganz auf die charismatisch-dramatische Performance von Großkotz ("Bigmouth"?) Leavins zugeschnitten, dessen Süßholzraspeln mitunter fast bedrohliche Züge annimmt. "Life can't always be fine" zum Ende ist also entweder eine Drohung – oder zumindest die frustrierte Feststellung, dass die Liebe dann doch nicht andauernd alles von alleine regelt. Aber welchen Unterschied macht das schon? Sämtliche Ähnlichkeit in den Vocals und damit auf dem Silbertablett gelieferte Aufhänger für diese Rezension hin oder her: Brigitte Calls Me Baby haben absolute Kontrolle über ihre Einflüsse und schreiben schlichtweg zu gute Songs, um nur als The-Smiths-Rip-off verschrien zu werden. Stellt sich abschließend bloß die Frage: Wer ist Brigitte überhaupt? Eine deutsche Auswanderin? Doch eine betagte französische Filmschauspielerin? Gehört ihr eine Bar, arbeitet sie in einer, und in welchem Verhältnis stehen sie und Leavins beziehungsweise das lyrische Ich eigentlich? "You know that I can't stop loving you / I'll always do."

(Ralf Hoff)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The future is our way out
  • Eddie my love
  • Impressively average
  • We were never alive

Tracklist

  1. The future is our way out
  2. Pink palace
  3. Eddie my love
  4. Fine dining
  5. I wanna die in the suburbs
  6. Too easy
  7. Palm of your hand
  8. Impressively average
  9. We were never alive
  10. You are only made of dreams
  11. Always be fine
Gesamtspielzeit: 39:53 min

Im Forum kommentieren

Hornrabe 1

2024-08-15 15:58:20

Ich bin hin und her gerissen. Einerseits klingt es wie The Smiths durch KI. Andererseits klingt es halt einfach geil. Irgendwie lässt es mich nicht los. Echt starke Songs! Manchmal ein bisschen zu viel Roy Orbison Schmelz, aber die Morrissey/ Robert Smith Momente sind schon irgendwie genial. Nur sehen darf ich die Burschen nicht, da vergeht mir dann doch alles. :-) Aber wie gesagt, rein musikalisch schon ziemlich einnehmend...

BunteKuh

2024-08-15 13:36:36

Jetzt nach 3 Durchgöngen ist es schon jetzt eines der besten Alben 2024.

Die Stimme ist unglaublich: Morrisey, Robert Smiths, Elvis, Brandon Flowers. Die Bandbreite ist irre.
Und bei den Songs gibt es keinen Schwachpunkt.....

BunteKuh

2024-08-13 08:52:52

Sehr gutes Album. Mir gefällt der Mix aus "sehr guten Zutaten" außerordentlich.

Vieleicht sogar mehr als 7/10. Aber meine Meinung ist ja eh nicht repräsentativ.....

Earl Grey

2024-08-09 22:23:30

Schönste Stimme seit Jeff Buckley. Großartiges Album. Ich bin sehr beeindruckt.

Talibunny

2024-08-07 16:46:56

Sehr schöner Auftritt, die sind auch live sehr gut.

Ja, den Auftritt schaue ich mir seit ein paar Tagen einmal täglich an.
Man merkt, ich bin angefixt. Die Stimme ist schon beeindruckend, hat trotz der Elvis/Orbison - Reminiszenz auch einen starken 80er-Vibe. Passend dazu die Erscheinung des Sängers. Irgendwo las ich einen Kommentar, der mit dem jungen James Spader verglich.

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