49 Winchester - Leavin' this holler
New West / BertusVÖ: 02.08.2024
Landmaus bleibt Landmaus
Eine Countryband aus dem Mittleren Westen, die sich nach einer Knarre benannt hat? Das bedeutet erst einmal Background-Check – nicht, dass es sich bei 49 Winchester um durchgeknallte Rednecks auf Crack handelt, die Donald Trump für den Messias halten. Es reicht aber völlig, die Inspirationsquellen von Sänger und Songwriter Isaac Gibson aufzuzählen: Willie Nelson, Aretha Franklin und Drive-By Truckers, da kann also gar nichts schiefgehen. Die Band ist ganz klar im Alternative Country zu verorten. Tatsächlich haben die sechs Freunde, die sich schon seit ihrer Kindheit kennen, mit ganz anderen Widrigkeiten zu kämpfen als mit der politischen Ausrichtung. Ihr Heimatort Castlewood am Fuße der Appalachen ist so klein und verschlafen, dass es überhaupt keine Musikszene gibt. Und wo wir gerade bei der Herkunft sind, erklärt sich auch der Bandname: Gibson wohnt in der Winchester Street 49 in ebenjenem 2000-Seelen-Ort. Und seine Band ist weit und breit die einzige, die kraftvollen Country und Bluegrass mit einer guten Portion Rock anfeuert.
Dass es kein Nachteil sein muss, als Underdog in den Ring zu steigen, durften 49 Winchester im vergangenen Jahr erfahren. Country-Superstar Luke Combs suchte einen Support für seine ausverkaufte US-, Kanada- und Europatournee und entschied sich nicht etwa für eine der naheliegenden Bands aus Texas, sondern für die aus der Provinz. Vielleicht auch, da er selbst aus North Carolina stammt und aus eigener Erfahrung weiß, wie viel Spannkraft die Sprungfeder des Ehrgeizes haben kann, um es aus so einem Kaff herauszuschaffen. Den Jungs aus Virginia fällt das leicht, da sie mit einem unglaublichen Pfund wuchern können: Gibsons Stimme. Diese ist so umfangreich und unverkennbar, dass er Vergleiche mit Garth Brooks oder Waylon Jennings nicht fürchten muss. Das zeigte bereits das Vorgängeralbum "Fortune favours the bold" von 2022. Auch ein Grund, weshalb sich Combs für 49 Winchester entschieden haben dürfte. Und so standen die Schulfreunde im Oktober plötzlich in der ausverkauften O2 Arena in London vor 20.000 Leuten und konnten es selbst nicht ganz fassen, was da mit ihnen passierte.
"Leavin' this holler" reflektiert diese neuen Erfahrungen musikalisch und meldet schon in Sound und Arrangement den Anspruch an, wieder auf die Stadionbühne zurückzukehren. Wer ein Schlagzeug wie im Intro von "Make it count" aufnimmt, will nicht mehr durch die Clubs tingeln. Und das könnte funktionieren, denn die Songs sprechen für sich und lassen das Album aus den ganzen langweiligen (Alternative-)Country-Veröffentlichungen deutlich herausstechen. Die Balladen "Fast asleep" und "Anchor" pustet das tschechische National Symphony Orchestra auf Cinemascope-Größe auf, sodass nur noch Kevin Costner durchs Bild reiten müsste. "Hillbilly happy" zeigt die Honky-Tonk-Seite der Band und kommt mit einem imposanten Chor daher. Daneben sehen die soliden Country-Nummern "Favor", "Yearnin' for you" und das Titelstück fast konventionell aus, wenn nicht Gibson die Gänsehaut dazu liefern würde. Während der Sound auf diesem Album immer größer wird, bleiben die Themen aber der Kleinstadt treu und forcieren so den Outlaw-Status der Band, auch weiterhin außerhalb Nashvilles den Erfolg zu suchen. Mit "Leavin' this holler" dürfte 49 Winchester die internationale Aufmerksamkeit gewiss sein – ein schöner vorläufiger Höhepunkt in der zehnjährigen Bandgeschichte.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hillbilly happy
- Yearnin' for you
- Make it count
- Fast asleep
Tracklist
- Favor
- Hillbilly happy
- Yearnin’ for you
- Make it count
- Leavin’ this holler
- Fast asleep
- Tulsa
- Rest of my days
- Traveling band
- Anchor
Im Forum kommentieren
diggo
2024-08-08 08:59:04
Bin auch begeistert. Toppt den bereits sehr guten Vorgänger noch einmal. Besonders positiv fallen nach den ersten Durchläufen „Tulsa“, „Favor“ und „Make It Count“ auf. Aber alles hervorragende Songs. Schon richtig stark, was derzeit im Bereich Alternative Country/Americana alles veröffentlicht wird. So darf es gerne weiter gehen. Von mir gibt‘s 8/10.
joseon
2024-08-08 08:43:54
Hätte nie damit gerechnet, dieses Album hier zu sehen. Sehr schön. Bei mir seit dem Wochenende auf Heavy Rotation. Natürlich super, schlechte Songs können die einfach nicht. Bei der Wertung gebe ich allerdings einen Punkt mehr.
Armin
2024-07-31 21:18:06- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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- 49 Winchester - Leavin' this holler (3 Beiträge / Letzter am 08.08.2024 - 08:59 Uhr)