Smile And Burn - Seid Ihr stolz auf mich?

Solitary Man / FUGA
VÖ: 26.07.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Böse Miene, gutes Spiel

Jede Person, die von den Eltern nie gesagt bekommen hat, dass sie stolz auf einen sind, weiß genau, was das mit einem machen kann. Diese Ungewissheit, ob der eingeschlagene Weg nun der Richtige ist. Ob man lieber irgendwas anders machen sollte. Und immer die unausgesprochene, aber pochende Frage im Kopf, die auch Titel des neuen Albums der Berliner Punkrockband Smile and Burn ist: "Seid ihr stolz auf mich?" In zwölf Songs soll es um nichts Minderes gehen, als Transgenerationales Trauma, Vergangenheits- uns Zukunftsbewältigung und alles dazwischen und überhaupt. Dafür macht das Trio auf ihrem dritten deutschsprachigen Album zwei Schritte hin zum Indie-Rock und dann in einzelnen Situationen wieder einen zurück zum Punk. Und lässt die titelgebende Frage am Ende unbeantwortet.

Das ist aber gar nicht schlimm, weil das situative Beschreiben emotional schon genug mitnimmt. Da ist der kleine süße Opener "Flackert und geht aus", der mit unter zwei Minuten eigentlich eher einem klassischen Outro gleicht und zu langsamen Drums die Instrumente stimmt und ein bisschen vor sich hin brummelt. Dann gibt es aber volle Fahrt in "Stolz", das als wippende Indie-Hymne an eine bessere Zeit für das Genre erinnert. Genau wie die schweren Klavieranschläge in der Bridge des folgenden "Bomben fallen", das mit Mitsing-Refrain fröhlich Richtung in Richtung Untergang hüpft, obwohl es den beunruhigenden Zeitgeist einfängt: "Minuten zu spät für den Neuanfang."

Und auch wenn Smile And Burn ganz viel Lust auf Melodien und nicht nur auf schnödes Geschrammel haben, liegt über vielen Songs ein bisschen Distortion wie Feinstaub über der Stadt. Dumpfe Drums passen zu teilweise dumpfen Gefühlen und alles ist garagig produziert und macht eher den Eindruck einer kleinen Liebhaber*innenband, bei der alle 200 Personen beim Konzert textsicher sind, als mit Ambitionen für die Hauptbühne zu kokettieren. Dabei fühlt sich die Melancholie anschlussfähig an, wenn es beispielsweise in "Sowieso zu spät" heißt: "Manchmal schäm ich mich, zu sagen, wie's mir geht". Oder wenn "Asche von gestern" schon Lust hat, aus dem repetitiven Alltag und dem Kreislauf an feigen Entscheidungen auszubrechen. Da stehen dann sonore Backing Vocals in den Strophen einem keifenden Refrain gegenüber, die am Ende beide im Kollektiv in der Gewissheit resignieren: "Nur waren alle müde irgendwann."

Dass sich das alles nicht komplett hoffnungslos anfühlt, liegt daran, dass Songs wie "Oberflächenspannung" zwar alles dafür geben müssen, aber eben doch Richtung Oberfläche strampeln. Und selbst wenn man sich beim "Fallen" erwischt, ist das nicht das Schlimmste auf der Welt, solange man dabei nicht auf den Kopf fällt. Einzig in "Schlechte Laune, alles gut" fühlt es sich ein wenig an, als ob Smile And Burn ein Stück am Ziel vorbeischießen und in wütendender Manier das Küchengespräch der Student*innen-WG auseinandernehmen, die bei zu viel Wodka-Mate und nach Auslandstrip über Menschlichkeit philosophiert. Das hat dann etwas vom falschen Ziel für berechtigte Wut, ist aber vielleicht auch nur eigene Vergangenheitsbewältigung. Ändert auch nur sehr wenig am Gesamteindruck von "Seid ihr stolz auf mich?", das den Spagat zwischen Depression und Disruption, zwischen Zusammenbruch und Aufbruch schafft. Und das die selbstgestellte Frage zwar nicht final beantwortet, aber jedes Recht hat, ein bisschen stolz zu sein.

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Stolz
  • Bomben fallen
  • Sowieso zu spät

Tracklist

  1. Flackert und geht aus
  2. Stolz
  3. Bomben fallen
  4. Asche von gestern
  5. Oberflächenspannung
  6. Die Jahre Zweifel
  7. Sowieso zu spät
  8. Fallen
  9. Schlechte Laune, alles gut
  10. Hier hält gar nichts
  11. So falsch
  12. Alle verlieren
Gesamtspielzeit: 35:31 min

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Kai

2024-07-31 21:32:42

Witzig: Dachte zuerst an Empty Guns bzw, deren Frontmann Sören Geißenhöner. Der hat nach Empty Guns später als "Sören, Okay" und nun als "Es brennt" Songs heraus gebracht, die auch gut auf dem Album hier sein könnten.

Und dann sehe ich: der ist auf der kommenden Tour Vorband.

Aber: Für Smile and Burn find ich 30€ (so viel kostet der Spaß in Köln) recht knackig.

Armin

2024-07-31 21:20:56- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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