Soft Play - Heavy jelly

BMG
VÖ: 19.07.2024
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 5/10
5/10

Alte Freunde

Eigentlich sah es von außen betrachtet ganz gut für Isaac Holman und Laurie Vincent aus. Drei Alben brachte das Punkrock-Duo aus UK zwischen 2015 und 2018 reihenweise unter die Leute. Für einen in der Retrospektive irgendwie doch sehr kurzen Moment, kannten sie zehntausende Menschen über die Landesgrenzen hinaus. Nanu, da klingelt beim Lesen nichts beim Namen Soft Play? Kein Ding, we got you: Alle drei Alben erschienen unter dem mittlerweile abgestriffenen Bandnamen Slaves. Der wurde kritisiert, irgendwann sah die Band das auch ein, entschuldigte sich und wurde zum sanften Spiel. Dass unter dieser neuen Identität allerdings überhaupt mal Musik erscheinen würde, stand lange in den Sternen. Das eigentlich enge Musiker-Duo lebte sich auseinander, sprach auf Tour kaum noch miteinander und verlor die eigene Identität aus den Augen. Nicht zuletzt auch wegen des Krebstods von Vincents Partnerin, mit der er zwei Kinder hat. Umso schöner ist es, dass die beiden auf dem bunten "Heavy jelly" eine Menge Spielfreude zeigen, sich emotional wieder nähergekommen zu sein scheinen und ihren Humor wiederentdeckt haben.

Das fängt schon im Opener "All things" an, der als wankendes Ungetüm einer Punk-Hymne daherkommt und die ganze Ambivalenz als gewalttätiger Pazifist aufzeigt, als "nicest dickhead you've ever met" und noch zahlreichen anderen Gegenteilen. Die anschließende Single "Punk's dead" ist das Gegenteil eines Abgesangs auf das Genre, sondern eine Abrechnung mit den Hatern, die in der Folge der Namensumstellung 2022 in den Kommentarspalten verbittert ihr Unverständnis zeigten, um es freundlich zu formulieren. Sprechgesang à la Joe Talbot über paranoide E-Gitarren und gradlinige Drums, die gegen Ende von einem melodischen Interlude unterbrochen werden, in dem kein Geringerer als Robbie Williams singt: "I love you but I disagree / This is bullshit." Mehr Punk geht nicht. Mehr Subtilität? Wäre möglich, ist aber nicht zwingend erforderlich. "Act violently" will sich halt einfach das letzte Mal auf der Straße angerempelt haben lassen und ist nun wie eine Testosteron-Variante von Richard Ashcroft im Video zu "Bitter sweet symphony" mit aggressivem Blick durch die Stadt unterwegs. Eine Hymne gegen E-Scooter, die gar nicht mehr sein will. Genauso wenig wie das rauschende "John Wick", das dem Film salutiert und kreischt: "They killed my fucking dog." So isses halt.

Ziemlich beeindruckend ist, wie fett der Sound dabei klingt, wie die Gitarren und Bässe sägen und wie da immer wieder ganz viel Druck in der Stimme von Isaac Holman ist. Der kann schreien wie Frank Carter und rappen wie Bob Vylan. Wie in einer der anderen Singles "Mirror muscles", das wie ein wütendes Biest zwischen Double-Time-Anflügen und mit Absicht Richtung Wand fahrenden Gitarren changiert, während es vor dem Fitnessstudiospiegel posiert. Aber Holman kann auch sanftere Töne anschlagen, wenn auch nur für kurze Momente, wie im sich anschmiegenden Ende von "Working title". Denn "Heavy jelly" ist vielleicht kein komplexes Album, aber eben auch nicht einfältig und banal. Das große Finale und der beste Beweis dafür steht ganz am Ende des Albums. Ungefähr zu der Zeit, als Vincent den Tod seiner Partnerin verarbeiten musste, starb auch ein guter Freund Holmans, dem "Everything and nothing" gewidmet ist. Ein Text, der Jahre herumlag und erst viel später Sinn ergab, als Vincent eine Mandoline bekam. Und so entstand ein Song, bei dem man schlucken muss, der auch noch mit einer Violine überrascht und bei dem trotzdem geschrien wird. Ein bisschen Touché Amoré kann man in so einem Stück hören, wenn man will und ein mehr als würdiger Abschluss für diese spezielle Art Comeback-Album: "How you been, man? / Your face looks thinner / What you doing for dinner? / I made enough for two."

(Arne Lehrke)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Punk's dead
  • Mirror muscles
  • Everything and nothing

Tracklist

  1. All things
  2. Punk's dead
  3. Act violently
  4. Isaac is typing…
  5. Bin juice disaster
  6. Worms on tarmac
  7. John Wick
  8. Mirror muscles
  9. Working title
  10. The mushroom and the swan
  11. Everything and nothing
Gesamtspielzeit: 29:26 min

Im Forum kommentieren

Robert G. Blume

2024-07-28 21:55:25

Zufällig über Spotify gefunden und in den letzten Tagen in Dauerschleife gehört. Für mich ein Anwärter für die Jahresbestenlisten. Ich liebe die Verspieltheit, die mit der rohen Energie kombiniert wird, die super witzigen Texte und diese pure Britishness.

Grizzly Adams

2024-07-26 17:00:31

Auf jeden Fall ein Albumcover, das im Gedächtnis bleiben möchte.

eric

2024-07-26 16:55:27

Bei mir kommen bei "Everything and nothing" gar R.E.M.-Gitarren-Vibes auf. :D

Sehr gut ist der Song trotzdem... "Punk's dead" ebenfalls super und "Act violently" brennt sich sofort ins Hirn, hehe. Gesamtes Album muss ich noch häufiger hören.

Arne L.

2024-07-26 16:24:57

"Everything and Nothing" ist auf jeden Fall einer meiner Lieblingssongs dieses Jahr.

Yndi

2024-07-24 11:49:09

Das Riff von Punk's Dead geht richtig hart, aber neben dem Song und dem Closer find ich das Album eher so ein bisschen nervig.

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