Portrait - The host
Metal Blade / SonyVÖ: 21.06.2024
Sympathy for the devil
Es ist ja nun nichts Neues mehr und wurde auch hier schon mehrfach thematisiert. Die Art und Weise, wie wir alle Musik wahrnehmen, hat sich nicht erst seit gestern drastisch verändert. Am einschneidensten ist dabei sicherlich die erheblich kürzere Aufmerksamkeitsspanne – befüttert durch die Algorithmen der Streamingdienste, müssen Klänge sofort zupacken, bekommen wenig Möglichkeiten zur Entfaltung. Ein "Like" zu wenig, schon fliegt der Song oder gar der Künstler selbst raus aus der musikalischen Echokammer. Und dann kommt eine Band wie Portrait, als Epic-Metal-Truppe eh nicht gerade mit Mainstream-Weihen gesegnet, und bringt mit "The host" ein mehr als siebzig Minuten langes Konzeptalbum auf den Markt. Ist das nun Starrsinn, völlige Ignoranz heutiger Konsumgewohnheiten oder die Freiheit, exakt das zu tun, was man als Band für richtig und für sinnvoll hält?
Die große Zeit der Konzeptalben ist ohnehin längst vorbei – selbst die treuesten Prog-Metal-Fans wissen tief in ihrem Inneren, dass nach Queensrÿches "Operation: Mindcrime" oder "Scenes from a memory" von Dream Theater nicht mehr viel kommen kann, von der guten alten Zeit in den Siebzigern einmal ganz abgesehen. Genau deshalb tun uns die Schweden den Gefallen, von vornherein die Story hinter ihrem sechsten Studioalbum eher als roten Faden für die Lyrics zu sehen und die Songs tatsächlich als Ganzes funktionieren zu lassen. Und wie sie funktionieren. Denn Bandchef und Hauptsongwriter Christian Lindell nutzt das Konzept nicht etwa als musikalische Klammer, sondern um sich punktuell auszuprobieren, aus der Komfortzone auszubrechen und im Sinne der Geschichte Stilistiken zu nutzen, die bis dahin nicht Bestandteil des Bandsounds waren.
Richtig gut wird es allerdings dann, wenn irgendwann jeder Versuch einer Analyse ins Leere läuft. Denn im Grunde kann man schon beim Refrain des Openers "The blood covenant" getrost das – wahrlich nicht uninteressante – Textblatt in die Ecke werfen, die Faust recken und sich mitreißen lassen. Das ist Heavy Metal in seiner reinsten Form, auch wenn oder gerade weil die an King Diamond erinnernden spitzen Schreie von Per Lengstedt nicht jedermanns Sache sind. Spätestens aber bei der Ballade "One last kiss" zeigt der Frontmann, dass er völlig pathosfrei auch die leisen Töne beherrscht, während das kurz darauf folgende "Sound the horn" vielleicht einen Ticken zu arg in den Gefilden der dänischen Okkult-Metal-Legende wildert.
Die ganz große Stärke von "The host" zeigt sich jedoch darin, was gerade nicht in der Platte steckt. Hier findet sich eben kein Schlachtenepos der Sorte Manowar, kein übertriebener Power-Metal-Habitus, kein ausufernd-schwelgerischer Erzählstil. Ähnlich wie die Story eine Reise ins Ungewisse beschreibt – der im 17. Jahrhundert lebende Protagonist geht im Kampf gegen Ungerechtigkeit und Heuchelei ausgerechnet einen Pakt mit dem Teufel ein – reißen die zwölf Songs mit, zeigen weder für sich noch in ihrer Gesamtheit irgendwelche Längen, geben aber genug Raum zum Eintauchen. Gepaart mit dem überaus geschmackvollen Artwork, das förmlich nach Vinyl schreit, und der wunderbaren Produktion ist das in bestem Maße retro, aber auch eine wunderbare Hommage an Heavy Metal im Allgemeinen. Ein Album, das in bestem Sinne eskapistisch ist – oder einfach nur teuflisch gut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The blood covenant
- One last kiss
- Die in my heart
- The passions of Sophia
Tracklist
- Hoc est corpus meum
- The blood covenant
- The sacrament
- Oneiric visions
- One last kiss
- Treachery
- Sound the horn
- Dweller of the threshold
- Die in my heart
- Voice of the outsider
- From the urn
- The men of renown
- Sword of reason (The steel of revenge)
- The passions of Sophia
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Armin
2024-07-22 20:26:48- Newsbeitrag
Frisch rezensiert.
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